Bühne Wenn zwei Fussballer sich verknallen, entsteht – ein zärtliches Theaterstück Zu Männern und Fussball gibt es genügend Klischees. Ein ganz anderes Bild zeichnet das Stück «zwei herren von real madrid», das nun Premiere im Kurtheater Baden feierte. Exklusiv für Abonnenten Schuss ins Herz. Manuel Herwig und Josef Mohamed (mit der 7) spielen zwei Real Madrid-Spieler, die sich näherkommen. Bild: Valentina Verdesca Im Kurtheater Baden fand am Donnerstagabend eine Premiere statt. Die Schweizer Erstaufführung von «zwei herren von real madrid». Und um es gleich vorwegzunehmen: Auch wer wenig Ahnung von Fussball hat und wenig vom Gepose und Gewese drumherum hält, kommt bei diesem Stück auf seine Kosten. Doch auch für Menschen mit Expertise in dem Bereich bietet es offensichtlich viel zu lachen – den Herren in der vordersten Reihe nach zu urteilen. Allgemein gibt es viel zu lachen in dem Autoren-Debüt von Leo Meier als Koproduktion von Theater Marie, Theater St.Gallen, Kurtheater Baden und Bühne Aarau. Und viel zu lächeln. Zärtlich sollen alle Beteiligten damit umgehen, betont zu Beginn des Stücks Don Quijote, oder sonst ein «Herr» in spanischer Rüstung. Und zärtlich wird es. Aber auch absurd und definitiv schräg. Eine Begegnung im Wald, ein langersehnter Kuss Die Geschichte an sich ist schnell erzählt. Wie bei den meisten romantic Dramedys. Zwei Menschen treffen sich, verlieben sich, während der Kennenlernphase ereignet sich ein dramatischer Schicksalsschlag, die beiden finden trotzdem zusammen und werden dann durch das Leben wieder getrennt. Im Stück des 30-jährigen Schauspielers und Autors Leo Meier, mit dem er 2022 den Publikumspreis am Heidelberger Stückemarkt gewann, sieht das dann so aus: Ein Stürmer und ein Mittelfeldspieler von Real Madrid begegnen sich im Wald. Sie unterhalten sich mit kindlicher Begeisterung über scheinbare Belanglosigkeiten, schweigen zusammen, verknallen sich und der eine lädt den anderen zur Weihnachtsfeier ein. Die Eltern sind begeistert, die Mutter jedoch stirbt. Die beiden Fussballer, gespielt von Manuel Herwig (links) und Josef Mohamed tauschen tiefe Blicke. Bild: Bettina Diel Der erste, so langersehnte Kuss der beiden – nach der Beerdigung der Mutter – wird sogleich zum Medienereignis. Fotografiert notabene von der Paterin, die wegen nachmittäglicher Orgien von der Clownschule flog und dies nonchalant der Cousine von Kurt Cobain erklärt. Nach welchem, übrigens, der Drache des Mittelfeldspielers benannt ist. Kurios, sagt die Paterin und sucht nach dem roten Faden. Und was sich teilweise absurd anhört, ist es auch. Aber trotzdem macht es Sinn – und man geht die skurrile, emotionale Reise mit. Bei der selbst die abgedroschensten Redewendungen an Poesie zurückgewinnen. Es wird etwas morbid, grotesk, mal auch pubertär ordinär. Aber doch stets clever und sorgfältig. Und immer wieder spricht auf der Bühne jemand aus, was man sich im Publikum Sekunden zuvor dachte. Zwei verliebte Fussballer, und niemanden stört es «zwei herren von real madrid» ist ein Fest der Anspielungen auf diverse popkulturelle Phänomene, auf Genres und Theaterepochen. Und die Inszenierung von Manuel Bürgin schwimmt auf derselben Welle, spinnt weitere Netze über die des Textes. Auch das Bühnenbild von Beni Küng mit ausgesuchten «Statement-Pieces» gibt uns zwei Türen für die Boulevardkomödie, eine fahrbare Wolke für das Barocke Theater und einen riesigen Mond – für die Melodramatik des romantischen Hollywoods. Gwendolyn Jenkins hat sich für die Kostüme von spanischer Folklore, aber auch von barocken Gemälden und der spanischen Renaissance inspirieren lassen, genauso wie von der realen Fussballwelt. Ein scheinbar unvereinbares Nebeneinander, in Ausführung jedoch teilweise High Fashion. Mit opulenten Mänteln erschafft sie Familie und mit ein paar ledernen Rüschen und roten Socken Spanien. Die Trauerschleier sind ein Gedicht und zum Ende scheinen die beiden Verliebten in ihren schlichten Trainingsanzügen beinahe nackt dazustehen. Leo Meier bringt mit seinem Stück einen Vorschlag, wie Männlichkeit auch aussehen kann: verletzlich, suchend, zärtlich. Hier lieben sich zwei Fussballprofis, ohne dass es jemanden irritiert. Die beiden Männer lernen sich schüchtern kennen, sie machen sich Komplimente – sehr viele Komplimente. Sind doch vorsichtig, immer höflich. Wenn Sergio Ramos zum Philosophen wird Wunderbar spielen Manuel Herwig und Josef Mohamed diese zurückhaltende Annäherung, die unsichere Anspannung. Eleni Haupt fesselt als divenhafte Mutter bei der Weihnachtsfeier – wie auch in ihrem Todestanz: einer Mischung von Barockgemälde und 80’s-Kuschelrock-Videoclip. Und wenn Martin Butzke als Sergio Ramos über die eigene Vergänglichkeit philosophiert, von seinen Tränen berichtet, wird das Publikum, zu Beginn noch über die klischierte Figur lachend, immer ruhiger. Und nicht zuletzt muss man Anja Tobler herausheben: Als partywütige Paterin, stolzer Weihnachtsbaum und selbst als stumme Erzählerin ein komisches Highlight. Wenn man nun bei der Inszenierung das Haar in der Suppe finden möchte: Das erste Training von Real Madrid scheint etwas unentschieden, ein für die Bühne aufgewärmtes Einwärmen des Ensembles. Dafür bestechen die Choreografien von Elias Kurth bei Tod und Beerdigung umso mehr. Das Publikum jedenfalls entlässt das Team der Aargauer Inszenierung mit einem zärtlichen Applaus.