Die SPD hat mehr als nur ein Personalproblem Von: Christine Dankbar Drucken Teilen Die Partei steht vor einer viel größeren Herausforderung als nur der Frage, wie sie mit ihrer Parteivorsitzenden umgeht. Eine Analyse von Christine Dankbar. Nach der Zustimmung von CDU und CSU zum schwarz-roten Koalitionsvertrag richten sich die Augen auf die SPD: Bis Dienstagnacht um 23.59 Uhr können die rund 358.000 Parteimitglieder noch über den Koalitionsvertrag abstimmen. Das Quorum sei bereits erreicht, hieß es am Dienstagnachmittag. Ob es mit der die Regierungsbildung erforderlichen Zustimmung auch geklappt hat, erfährt die Öffentlichkeit offiziell am Mittwochvormittag. Das war’s dann aber auch schon mit der Transparenz. Wer die insgesamt sieben Ministerinnen oder Minister werden, soll erst am kommenden Montag mitgeteilt werden – gerade mal einen Tag vor der angestrebten Kanzlerwahl. Böse Zunge behaupten, dass die knappe Frist absichtlich gewählt wurde, weil man nicht möchte, dass sich in der SPD-Fraktion Empörung gegen das Personaltableau aufbaut. Schließlich braucht man im Bundestag jede Stimme. Gerade zwölf Stimmen Überschuss hat Schwarz-Rot im Bundestag, da wird jede Stimme gebraucht, damit der designierte Kanzler nicht gleich in die erste Blamage stürzt. Laut Generalsekretär Matthias Miersch sind es aber andere Gründe, wegen derer die SPD nach dem Votum der Mitglieder – von dem alle ausgehen, dass es nicht fehlschlägt – noch fünf Tage Zeit braucht. Es gebe viele Gesichtspunkte, die berücksichtigt werden müssten, so Miersch. Darunter sei etwa die Frage der Parität, der Ressortzuschnitte und fachlichen Eignung und der regional guten Verteilung künftiger Ministerinnen und Minister. Minister der Union unter Kanzler Merz: Finale Liste da – das Kabinett in Bildern Fotostrecke ansehen Schwarz-rote Koalition entfacht keinerlei Euphorie – die SPD benötigt einen Neuanfang Doch die Wahrheit ist: In der Partei ist die Stimmung alles andere als gut. Die Aussicht auf eine neuerliche ungeliebte Koalition mit der CDU erfüllt niemanden mit Euphorie. Viele stimmen im Mitgliedervotum nur mit Ja, weil alle Alternativen noch düsterer sind. Neuwahlen können die Genossinnen und Genossen genauso wenig wollen wie eine Minderheitsregierung der Union, womöglich noch deren Annäherung an die AfD. Im Juni steht der SPD-Parteitag an, mit der Neuwahl des Vorstandes. Nicht wenige fordern einen echten Neuanfang. Das Personalkarussell, das sich derzeit gerade um die neue Regierung dreht, schließt daher nicht nur die Kabinettsposten und die Neuverteilung der Macht in der Bundestagsfraktion ein, sondern auch die Frage, wer künftig die Partei führt. Als Streitpunkt kristallisiert sich dabei vor allem die künftige Rolle der SPD-Parteichefin Saskia Esken heraus. Sie hat in den vergangenen Wochen de facto die Rolle des Blitzableiters übernommen. Nicht nur in politischen Hintergrundgesprächen in Berlin, sondern auch öffentlich wurde immer wieder darauf verwiesen, dass Esken im Wahlkampf bei einigen Auftritten keine gute Figur gemacht habe. Die SPD hat mehr als nur ein Personalproblem. © IMAGO/Noah Wedel Vor diesem Hintergrund sorgte am Montagabend der Landesvorstand der baden-württembergischen SPD für Aufsehen. Er nominierte Esken nicht mehr für den Bundesvorstand. Sie selbst sagte der Frankfurter Rundschau jüngst, sie habe noch nicht entschieden, ob sie erneut als Parteivorsitzende antrete. Der Landesverband muss sie aber auch gar nicht nominieren, das kann auch der Bundesvorstand. Baden-Württembergs SPD-Landeschef Andreas Stoch erklärte denn auch, dies sei keine Vorentscheidung, ob Esken antrete oder nicht. In der Öffentlichkeit bleibt aber vor allem hängen, dass selbst ihr eigener Landesverband nicht mehr hinter ihr steht. Schließlich hatte der SPD-Generalsekretär in Baden-Württemberg, Sascha Binder, erst kürzlich erklärt, Esken gehöre nicht zu den vier besten SPD-Frauen, die für ein Ministeramt infrage kämen. DIe SPD steckt auch inhaltlich in der Krise Angesichts dieser Diskussionen könnte man den Eindruck bekommen, das historisch schlechte Wahlergebnis von gerade mal noch 16,4 Prozent für die SPD müsse allein Esken angelastet werden. Das wirkte sich vor allem für den Co-Parteivorsitzenden der SPD günstig aus – bisher zumindest. Lars Klingbeil verteidigt die Spitzengenossin derzeit nur auf Nachfrage und nicht besonders leidenschaftlich. Doch auch das ist nur ein Teil der Verweigerungshaltung, um die hässliche Wahrheit nicht annehmen zu müssen. Die SPD steckt nicht nur in einer personellen, sondern auch in einer inhaltlichen Krise. Sie wird mit der Benennung ihrer künftigen Führungsstruktur auch ein paar sehr grundsätzliche Fragen beantworten müssen. Zum Beispiel jene, ob sie Bremse oder Motor in der neuen Regierung sein will, Reformen anstoßen oder verhindern. Vielleicht probiert man es ja auch mit ein paar Überraschungen wie die Union?