Bürger legen für Mahnmal zusammen: Stadtrat braucht neun Jahre, um dem Erinnerungsort zuzustimmen

Bürger legen für Mahnmal zusammen: Stadtrat braucht neun Jahre, um dem Erinnerungsort zuzustimmen Von: Christoph Schnitzer Drucken Teilen Eindrucksvoll von fern und nah: Das Todesmarsch-Mahnmal vom Künstler Hubertus von Pilgrim an der Tölzer Mühlfeldkirche. © cs Die Errichtung eines Mahnmals für die Opfer des Todesmarschs war ein in Bad Tölz ein langer Prozess. Heute ist es ein zentraler Erinnerungsort. Bad Tölz – Es heißt, zwei Generationen sind nötig, bis geschichtliche Ereignisse neutral und einigermaßen ergebnisoffen bewertet werden können. Da ist etwas dran, wenn man die Tölzer Diskussion um das Mahnmal für die Opfer des Todesmarschs in den 1980er- und 1990er-Jahre betrachtet. Aus einer Ablehnung des Denkmals im Tölzer Stadtrat, angeführt von der CSU, wurde nach massiven Bürgerprotesten, die von katholischer und evangelischer Kirche geteilt wurden, eine Zustimmung. Im April 1995 wurde das Denkmal vor der Mühlfeldkirche errichtet. Tölzer SPD-Sprecher appellierte vergeblich für Mahnmal Erstmals setzte sich der Stadtrat fast zehn Jahre zuvor im September 1986 mit dem Vorschlag des Gautinger Bürgermeisters Ekkehard Knobloch auseinander, entlang der Strecke des Todesmarschs gleich gestaltete Mahnmale aufzustellen. Der Stadtrat lehnte ab. Man habe schon 1950 „ein eindrucksvolles Ehrenmal von Tono Zoelch am Waldfriedhof für die NS-Opfer errichtet“, sagte CSU-Sprecher Bruno Egger. (Übrigens: Alles aus der Region gibt's jetzt auch in unserem regelmäßigen Bad-Tölz-Newsletter.) Auf diese Position zog sich Bürgermeister Eckehard Fadinger (CSU) auch zurück, als Christa Harrer (SPD) im Februar 1988 erneut nachhakte und als das Mahnmal am 8. November 1994 mit Stimmengleichheit und dem Votum eines Ex-Republikaners erneut abgelehnt wurde. „Wir sollten nur an die Menschen denken, die Entsetzliches erlitten haben“, hatte SPD-Sprecher Walter Karl zuvor vergeblich appelliert. Engagierte Bürger rufen zu einer Spendenaktion auf Dabei hatte der neue Bürgermeister und Denkmal-Befürworter Albert Schäffenacker (FWG) schon einen Standort am US-Flugplatz gefunden. Und Greilings Bürgermeister Hermann Schinner (SPD) hatte eine Beteiligung an den 20 000 D-Mark Kosten zugesagt. Der SPD-Ortsverein stellte mindestens 2500 D-Mark in Aussicht. Spendenaufruf fürs Mahnmal: Marie-Luise Schultze-Jahn von der „Weißen Rose“. © cs Aus und vorbei? Nein. Das Weiße-Rose-Mitglied Dr. Marie-Luise Schultze-Jahn und Druckerei-Besitzer August Busch, beide Tölzer Bürger, riefen nach dem ablehnenden Stadtratsbeschluss in einem Flugblatt zu einer Spendenaktion auf. Schon sechs Wochen später waren die 20 000 D-Mark gesammelt, um das Mahnmal zu bezahlen. Schülerin setzt sich ebenfalls für Mahnmal ein Mitte Januar 1995 fand im vollbesetzten Pfarrheim Franzmühle eine Info-Veranstaltung mit dem Todesmarsch-Teilnehmer Max Mannheimer statt. Sowohl der katholische Pfarrer Rupert Berger als auch sein evangelischer Kollege Klaus Krug bekannten sich klar zu einem weiteren und zentralen Erinnerungsort in der Stadt. Das Friedhofs-Denkmal sei „eindrucksvoll“, nehme aber keinen direkten Bezug auf die Ereignisse. Krug argumentierte mit dem Spielhahnjägerdenkmal und dem „Kreuz des Ostens“ für die Vertriebenen am Friedhof, die ja auch „eine Ergänzung durch Konkretisierung“ darstellten. Einen Blick weit in die Zukunft warf der damalige Gymnasiumsdirektor Peter Potansky, der gerade für die Jugend Mahnmale als Nachdenk-Anstöße wichtig erachtete. Die Missachtung von Menschenrechten sei auf der Welt allgegenwärtig und „unsere Werte können schnell wieder abbröckeln“. Für das Mahnmal setzte sich auch die Miesbacher Gymnasiastin Elisabeth Hinterstocker ein, die ihre Facharbeit über den Todesmarsch schrieb. Heute ist sie Leiterin des Tölzer Stadtmuseums. Langsames Umdenken Am 31. Januar 1995 gestattete der Stadtrat mit 23:0 Stimmen doch noch die Aufstellung des Denkmals von Hubertus von Pilgrim auf einem städtischen Grünstreifen neben der Mühlfeldkirche. Der Standort wurde als „würdevoller“ als im Lettenholz oder am Maxlweiher bezeichnet. Die CSU legte trotz ihrer Zustimmung Wert auf die Feststellung, dass sie und auch die schweigende Mehrheit der Tölzer Bevölkerung keine Notwendigkeit für ein zweites Mahnmal sähen. Info Am 30. April findet ein vom Tölzer Seidl-Gymnasium initiierter Gedenkmarsch an den Zug der KZ-Häftlinge vor 80 Jahren durch Bad Tölz statt. Beginn ist um 11.30 Uhr am Marienbrunnen. Am Mahnmal wird auch Todesmarsch-Teilnehmer Abba Naor sprechen. Jahrzehnte später kann man feststellen, dass die Mahnmal-Diskussion erst der Anfang war. Flankiert von mehreren Veröffentlichungen über den Zweiten Weltkrieg und die NS-Zeit setzte seitdem auch ein langsames Umdenken über den Umgang mit dem Zeitgeschehen zwischen 1933 bis 1945 ein. Die von einer breiten Mehrheit im Stadtrat getragene Verlegung der Ge(h)denksteine und die Anlage des Informationswegs Hindenburg haben dies gezeigt.