Den Alltag beim Roulette vergessen: Ein Blick hinter die Kulissen der Wiesseer Spielbank

Den Alltag beim Roulette vergessen: Ein Blick hinter die Kulissen der Wiesseer Spielbank Drucken Teilen Hüterin der Spielbank: Margit Hirsch leitet die Spielbank Bad Wiessee seit fünf Jahren. Hier ist jeder willkommen – sofern er sich an den Dresscode hält. © Thomas Plettenberg Männer im Smoking und Frauen in Abendkleidern schmeißen mit Scheinen um sich und trinken Champagner. Mit diesem Klischee hat das Casino in Bad Wiessee kaum etwas gemeinsam. Stattdessen verfolgt die Spielbank einen ernsten Auftrag. Ein Blick hinter die Kulissen. Bad Wiessee - Die Croupière flippt die kleine weiße Kugel lässig an den Rand des Kessels. Sie sitzt am Roulette-Tisch. Neben ihr steht ein Mann, er trägt Anzug und weiße Turnschuhe – ein beliebter Kleidungsstil unter den Besuchern des Casinos – und tritt von einem Fuß auf den anderen. Die Kugel dreht sich zehnmal, dann landet sie auf der 20. Der Mann atmet erleichtert aus. 100 Euro hat er auf das zweite Dutzend gesetzt, damit gewinnt er 200 Euro. „Ich komme öfter her, dann mit 1000 Euro Einsatz“, erzählt er. Er könnte sich an den Roulette-Tisch setzen, bis auf die Stühle der drei Croupiers sind alle frei. Stattdessen nimmt er seinen Gewinn, setzt seine Jetons und spielt am nächsten Tisch weiter, bevor die Croupière die Kugel erneut in den Kessel flitscht. Der Mann im Anzug und den weißen Turnschuhen scheint eine Glückssträhne zu haben: Er verlässt das Casino mit 24 000 Euro, sagt er. „Einheimischen-Regel“ wurde in den 90er-Jahren aufgehoben Auch, wenn sich dieser Abend für den Mann im Anzug und den weißen Turnschuhen wie ein Film anfühlen mag, mit „Casino Royal“ oder „Ocean´s Eleven“ hat die Spielbank in Bad Wiessee wenig gemeinsam. „Prominente Persönlichkeiten sind eher weniger anzutreffen“, sagt Direktorin Margit Hirsch. Stattdessen trifft man Besucher aus dem Großraum München, zum Großteil Männer jeder Altersspanne. Über 160.000 Menschen besuchten die Spielbank im vergangenen Jahr. „Viele Einheimische meinen immer noch, dass sie als Landkreis-Bürger die Spielbank Bad Wiessee nicht besuchen dürfen“, erzählt die 57-Jährige, die selbst aus Miesbach stammt. Die Regel, dass man mindestens 50 Kilometer vom Casino entfernt leben muss, wurde Mitte der 90er-Jahre aufgehoben. Kurze Hosen sind in der Spielbank nicht erlaubt Obwohl die Spielbank Bad Wiessee nicht übertrieben „schickimicki“ ist, wie Hirsch sagt, gibt es einen Dresscode. „Generell ist gepflegte und angemessene Kleidung erwünscht. No-gos sind kurze Hosen, Sandalen, Jogginghosen, löchrige Jeans oder Hoodies.“ Während es bei den Automaten im Erdgeschoss legerer zugeht, gilt für das Große Spiel im ersten Stock für Männer eine Sakko-Pflicht, gegen 25 Euro Pfand auch auszuleihen. Im Spiel soll alles dem Zufall überlassen werden. Um das sicherzustellen, sollte zum Beispiel die weiße Teflon-Kugel zehn- bis elfmal den Rand umrunden, bevor sie in den Roulettekessel fällt. So soll eine Beeinflussung verhindert werden. „Wir wollen alles dem Glück überlassen“, erklärt Thomas Blanck, Leiter der Haustechnik. Automatenspiel wird bei den Gästen immer beliebter „Wir sind eine klassische Roulette-Spielbank“, ergänzt Hirsch. Im ersten Stock gibt es sieben amerikanische und zwei französische Roulette-Tische. Auf letztere ist die Direktorin besonders stolz: „Wir sind die einzige bayerische Spielbank und eine der wenigen in ganz Deutschland, wo französisches Roulette noch gespielt wird.“ Hier sind Können und Fingerfertigkeit der Croupiers besonders gefragt. Ein Hauch von Las Vegas: An den 200 Automaten im Erdgeschoss herrscht ab dem frühen Nachmittag reges Treiben. © Thomas Plettenberg Immer größere Beliebtheit erfährt das Automatenspiel – das sogenannte „Kleine Spiel“ – im Erdgeschoss. 196 Automaten blinken dort auf und spielen leise eine Melodie. Hier fühlt man sich Las Vegas noch am nächsten. Trotz der Musik und den durchgängig klackenden Tasten ist es nicht laut. Bezahlt wird an den Automaten mit der Casino-Card, die Besucher direkt am Spielautomaten mit Bargeld aufladen. Hier gibt es neben den Klassikern auch Roulette, allerdings ohne Croupier: Besucher setzen am Automaten, in der Mitte befindet sich ein Kessel, in den die Kugel mit Druckluft hineingeblasen wird. Am meisten Besucher tummeln sich hier und im ersten Stock am Wochenende. „Samstag ist der besucherreichste Tag“, sagt Hirsch. Auch unter der Woche sitzen viele Besucher schon ab dem frühen Nachmittag vor den Automaten. An einem spielt ein Mann „Fruitinator“. Kirschen, Melonen, Glocken, Zitronen und Zahlen erscheinen abwechselnd in Fünfer-Reihen. Bei einer bestimmten Kombination gewinnt er. Nur welche Kombination das sein muss, erschließt sich Laien beim ersten Spielen nicht. Der Mann drückt schnell und mehrmals den Knopf, damit die Symbole stehen bleiben. Dann steckt er eine weitere Casino-Karte in den Automaten nebenan. „Eye of Horus“ heißt es. Der Mann stellt seinen Stuhl zwischen die Automaten. Jetzt spielt er an beiden, drückt die Knöpfe gleichzeitig. Glücksspiel in geregelten Bahnen: Sperre gegen die Spielsucht Auf Spieler mit problematischem Spielverhalten wird besonders geachtet. Diese sind beispielsweise an Schweiß- oder Gefühlsausbrüchen, teilweise im Zusammenhang mit häufigen Geldabhebungen zu erkennen, erklärt Hirsch. Deshalb sei es wichtig, das Glücksspiel in geregelte Bahnen zu lenken. „In Bayern hat der Freistaat deshalb die Lizenz für Bankhalterspiele.“ Also Roulette, Poker und Black Jack. Leerer Roulette-Tisch: Fotografieren ist während des Spielbetriebs nicht erlaubt. Abends sitzen hier Gäste und Croupiers. © Thomas Plettenberg Beim Empfang kontrollieren ihre Mitarbeiter nicht nur das Alter und die Kleidung. „Wir überprüfen, ob eine Spielsperre auf der Person liegt.“ Meistens verhängen Betroffene selbst eine Sperre, um sich zu schützen. Manchmal rufen auch Ehefrauen oder Verwandte an. Auch die Spielbank kann eine Sperre verhängen. „Das ist unser gesetzlicher Auftrag, wir nehmen den Spielerschutz sehr ernst“, erklärt Hirsch, die die Spielbank seit fünf Jahren leitet. Als Mitarbeiterin eines bayerischen Casinos darf sie in Bayern nicht in der Spielbank spielen – aber Lotto ist erlaubt. Viel Technik verbirgt sich hinter dem Vergnügen Auf rund 2000 Quadratmetern können sich die Gäste am Winner 1 – die offizielle Postanschrift – vergnügen. Fast genauso viel Fläche werden für Verwaltung, Mitarbeiterbereich und Technik genutzt. „Würde ich Ihnen alles zeigen, bräuchten wir eine Woche“, sagt Haustechnikleiter Blanck. Er ist für die Technik hinter dem Vergnügen verantwortlich. Die ist hauptsächlich im Keller untergebracht: Hier befindet sich eine Werkstatt, in der unter anderem defekte Automaten repariert oder recycelt werden, ein Zuliefer-Raum und ein Notstromaggregat. Alleine die 200 Automaten benötigen viel Strom. Ein Diesel-Aggregat könnte das Casino bei einem Stromausfall zwei Tage lang versorgen. In einem weiteren Raum ist ein Server untergebracht, der die Spielbank mit der Zentrale der Staatlichen Lotterie- und Spielbankverwaltung in München und anderen Spielbanken verbindet. Einen Großteil der Kellerräume macht die Lüftungsanlage aus. Um den Gästen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten, setzt die Spielbank auf eine spezielle „Quellbelüftung“, bei der die Luft über Rohre aus dem Zwischenboden über einen speziell in den Niederlanden gewebten Teppich in den Raum geblasen wird. So soll Zugluft verhindert und der Raum auf die optimale Temperatur von 22 Grad gebracht werden. Besonders, als in Casinos noch geraucht wurde, war das notwendig, erklärt Blanck. 250 Kameras überwachen das Casino in Bad Wiessee Während sich hier an den Wochenenden Hunderte Besucher vergnügen, sind die Spielsäle vormittags leer. Noch in der Nacht werden Geld und Jetons im Safe verstaut, die Automaten werden am Vormittag geleert. Wo sich der Tresor befindet, verrät Hirsch nicht. Nur so viel: Die Spielbank wird von 250 Kameras überwacht – sogar in den Lampen über den Roulette-Tischen befinden sich welche. Abseits der Überwachung sind Kameras aber nicht erlaubt: „Wir wollen unsere Gäste schützen“, erklärt Hirsch das Foto- und Film-Verbot für Besucher. Auch ohne Handy vergeht die Zeit in der Spielbank Bad Wiessee wie im Flug. Denn zwischen all den blinkenden Automaten, klackernden Knöpfen, drehenden Kesseln und fliegenden Jetons, zwischen Glück und Unglück ist der Alltag schnell vergessen. sf