Frauen und ihre Mütter: "Typisch für Töchter narzisstischer Mütter ist ein Gefühl der Leere"
Sie spüren keine Freude und fühlen sich selbst nicht mehr: Viele Frauen, die zu der Psychoanalytikerin Cinzia Capobianco in die Praxis kommen, ahnen nicht, dass das an einer narzisstischen Mutter liegt. Die Therapeutin kennt die Mechanismen und kann den Frauen helfen, sich wiederzufinden – und womöglich selbst eine bessere Mutter zu werden. ZEIT ONLINE: Sie behandeln vor allem Frauen. Sie kommen zu Ihnen mit vielerlei Sorgen und Problemen. Woran erkennen Sie eine Patientin mit einer narzisstischen Mutter? Cinzia Capobianco: Charakteristisch für diese Frauen ist ein großes Gefühl der Leere. Sie empfinden weder Freude noch Abneigung, wissen und spüren nicht, was sie erfüllt und ausmacht. Dabei führen viele von außen betrachtet ein unauffälliges Leben, haben Job, Partner, Kinder. Moment … Ich lese Ihnen mal aus einer Patientinnenakte vor: "Schleichende, immer schlimmer werdende depressive Symptomatik mit starker Antriebsminderung. Erschöpfungsgefühle. (...) Frau S. denkt oft an ihre Mutter, als ob diese immer neben ihr wäre und sie permanent kritisiert. Sie spüre ihre Präsenz. Gelegentlich und ohne für die Patientin sichtbaren Auslöser treten Zustände auf, in denen sie sich plötzlich so leer fühlt, ohne innere Spannung, ohne Kraft. Ihre eigenen Gedanken werden ausgelöscht. Es gibt nichts mehr. Als ob jemand das Licht ausschalten würde." Das ist eine ganz typische Beschreibung, die auf eine narzisstische Mutter hindeuten kann.