Brief an den Bundespräsidenten: Ein Ausschluss russischer Vertreter ist eine Schande für Deutschland!

Dies ist ein Open-Source-Beitrag. Der Berliner Verlag gibt allen Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten. Sehr geehrter Herr Bundespräsident, vor wenigen Tagen habe ich erfahren, dass das Auswärtige Amt unter Führung der Ministerin Annalena Baerbock Vertreter Russlands vom Gedenken an die Befreiung der deutschen Konzentrationslager auf deutschem Boden ausschließen möchte und zudem unter Verweis auf das Hausrecht Vertreter des russischen Staates von offiziellen Gedenkveranstaltungen zum Ende des verbrecherischen deutschen Angriffskrieges und der Befreiung vom Nazi-Regime des jeweiligen Ortes verweisen möchte. Ich halte das für eine eklatante Missachtung der Würde der Opfer des Nazismus und der deutschen Gewaltherrschaft in vielen Ländern Europas. Zugleich sendet das ein grundsätzlich falsches Signal an die heute lebenden und künftigen Generation in Deutschland und darüber hinaus. Eingekerkert und brutal gefoltert Meine Mutter, Liselotte Lewy, geborene Robert, wurde im November 1944, nur drei Wochen nachdem sie meine Schwester geboren hatte, von der Gestapo verhaftet und zunächst in einem Notgefängnis in einem Gebäudeteil der Neuen Synagoge Berlins in der Oranienburger Straße eingekerkert und dort brutal gefoltert. Dank der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 konnte die Mutter unserer Autorin nicht mehr in dieses Todeslager geschickt werden. Reinhard Schultz/imago Anschließend wurde sie in ein Deportationslager im Jüdischen Krankenhaus, in der damaligen Schulstraße 78 in Berlin, verbracht. Von dort sollte sie nach Auschwitz deportiert werden. Dank der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 konnte sie nicht mehr in dieses Todeslager geschickt werden. Bis zu ihrer Befreiung musste sie Zwangsarbeit leisten. Die Gefährten ihrer Widerstandsgruppe waren nach ihrer Verhaftung vor den Volksgerichtshof Freislers gestellt und dort zum Tode verurteilt worden. Das Martyrium meiner Mutter endete am 24. April 1945, als die sowjetischen Truppen der 1. Belorussischen Front unter Marschall Shukow von den Seelower Höhen kommend den Weg nach Berlin freikämpften und über Pankow und den Prenzlauer Berg nach Wedding vorstießen und so auch das Lager im Jüdischen Krankenhaus, in dem noch etwa 800 jüdische Häftlinge und Zwangsarbeiter verblieben waren, befreiten. Sowjetische Soldaten Kämpfen in Berlin Gregory/imago Der Entlassungsschein ist von einem sowjetischen Offizier unterschrieben und handschriftlich in kyrillischen Buchstaben verfasst. Er verzeichnet als Datum der Entlassung aus dem Lager den 26. April 1945. Dieser Zettel ist für meine Mutter von besonderer Bedeutung geblieben. Sie hat ihn aufbewahrt und in Ehren gehalten bis zu ihrem Tode am 4. Oktober 2009, als sie im Alter von 100 Jahren starb. Der Beitrag der sowjetischen, einschließlich der russischen Offiziere und Soldaten zur Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus ist in unserer Familie unvergessen. Ein Ausschluss russischer Vertreter vom Gedenken an den 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges halte ich für eine Schande für Deutschland und die gegenwärtige Politik. Mit freundlichen Grüßen, Dr. Eva Maleck-Lewy Die Autorin wurde 1947 in Berlin-Nikolassee geboren. Sie studierte Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin und promovierte an der Lomonossow-Universität in Moskau zum Dr. phil. Sie war viele Jahre als Hochschullehrerin im Fach Geschichte der Philosophie und Geschichte der Frauenbewegungen in Deutschland und den USA tätig. Sie ist mit vielen Publikationen hervorgetreten, so unter anderen mit einem Buch zur Geschichte des Strafrechtsparagraphen 218 mit dem Untertitel „Frauen zwischen Selbstbestimmung und Bevormundung“ im Berliner Aufbau Verlag, 1994. Das ist ein Beitrag, der im Rahmen unserer Open-Source-Initiative eingereicht wurde. Mit Open Source gibt der Berliner Verlag allen Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten. Ausgewählte Beiträge werden veröffentlicht und honoriert.