Tod von Papst Franziskus: Er wollte Frieden
Könnte Papst Franziskus erfahren, dass 170 Staats- und Regierungschefs zu seinem Begräbnis kommen, wäre es ihm bestimmt peinlich. Denn er war ein bescheidener Mann, der sich bei den Ausgestoßenen wohler fühlte als bei den Mächtigen. Trotzdem würde er sich bestimmt auch ein wenig freuen bei dem Anblick – Donald Trump wird da sein, Ursula von der Leyen, Wolodymyr Selenskyj, Emmanuel Macron und viele andere Menschen, die partout nicht miteinander können und von deren einvernehmlichem Auskommen doch so viel abhängt. Was wäre das für eine einmalige Gelegenheit für einen Papst, der immerzu Konflikte lösten wollte. Nur, er ist nicht mehr unter den Lebenden. Und was bräuchte die Welt mehr als einen Mann, der Frieden stiften will in diesen kriegerischen Zeiten? Ja, wenn es so einfach wäre. Papst Franziskus hat sich auf der Weltbühne mehrmals als Friedensstifter versucht – und das ist leider fürchterlich schiefgegangen. Wenige Monate nachdem die russische Armee die Ukraine überfallen hatte, sagte Papst Franziskus, möglicherweise habe die "Nato an den Toren Russlands zu laut gebellt". Für diesen Satz ist er zu Recht scharf kritisiert worden. Denn er unterstellt, dass die Nato den Krieg provoziert habe. Damit machte sich der Papst die Version des russischen Diktators Wladimir Putin zu eigen. Dieser behauptet, dass sein Krieg eine Reaktion auf eine feindliche Einkreisung seitens des Westens sei – und somit eine gerechtfertigte Präventivmaßnahme. Das ist hanebüchen. Weder die Nato noch die Ukraine haben Russland bedroht oder provoziert. © Lea Dohle Newsletter Was jetzt? – Der tägliche Morgenüberblick Starten Sie mit unserem kurzen Nachrichten-Newsletter in den Tag. Erhalten Sie zudem freitags den US-Sonderletter "Was jetzt, America?" sowie das digitale Magazin ZEIT am Wochenende. Registrieren Mit Ihrer Registrierung nehmen Sie die Datenschutzerklärung zur Kenntnis. Vielen Dank! Wir haben Ihnen eine E-Mail geschickt. Prüfen Sie Ihr Postfach und bestätigen Sie das Newsletter-Abonnement. Diese E-Mail-Adresse ist bereits registriert. Bitte geben Sie auf der folgenden Seite Ihr Passwort ein. Falls Sie nicht weitergeleitet werden, klicken Sie bitte hier . Papst Franziskus hat versucht, den Satz von der "bellenden Nato" später zu relativieren, doch so recht gelungen ist ihm das nicht. Hängen blieb der unangenehme Eindruck, dass der Papst Putins Aggressionskrieg rechtfertigte. Zwei Jahre später, im März 2024, äußerte sich der Papst wieder zum Ukrainekrieg – und wieder tat er es mit einem missverständlichen Satz. "Schämt euch nicht, zu verhandeln, bevor es noch schlimmer wird", richtete er den Ukrainern aus. Dann sprach er vom "Mut, die weiße Flagge zu hissen". Das konnte man nicht anders verstehen als eine Aufforderung an die Ukraine, sich zu ergeben und dem Willen des Aggressors zu fügen. Dialog ist die zentrale Aufgabe der Kirche Es ist eine bittere Ironie, dass Donald Trump unter den Trauergästen sein wird. Der Mann, der von den Ukrainern in diesen Tagen genau das verlangt: sich zu unterwerfen. Trump nennt das einen guten Deal. Immerhin habe Putin eine große Konzession gemacht: Er verzichte auf die Eroberung der ganzen Ukraine! Wir können es nicht wissen, aber selbst Papst Franziskus hätte über solche Sätze wohl gelacht, wenn sie nicht so tragische Folgen hätten. Denn es ist klar, was den Ukrainern unter der russischen Herrschaft drohen würde: grausame Unterdrückung, vielfacher Tod und eine Auslöschung ihrer Nation. Konnte das Papst all das mit seinem Wort vom "Mut zur Weißen Flagge" gemeint haben? Nein, natürlich nicht. In seiner vor wenigen Wochen erschienen Autobiografie rechtfertigt er die Aggression Russlands mit keinem Wort – im Gegenteil, er verurteilt sie. Hatte der Papst vielleicht einfach keine Ahnung, wovon er sprach? Auch das ist eher unwahrscheinlich. Man sollte der Katholischen Kirche, mit ihren weltweit 1,4 Milliarden Gläubigen, durchaus zutrauen, dass sie Geopolitik versteht. Auch weiß sie, Macht auszuüben und mit Mächtigen umzugehen. Wie also sind solche Aussagen zu erklären? Ihr Ursprung liegt in der Überzeugung von Papst Franziskus, dass es eine der zentralen Aufgaben der Kirche ist, immer, überall und zu jeder Zeit den Dialog zu fördern. Er selbst versuchte es zu Lebzeiten nach Kräften. Im Falle des Ukrainekrieges tat er es mit falschen, fahrlässigen Worten. Offenbar hat er die Natur des diktatorischen Regimes von Wladimir Putin nicht in all ihren grausamen Dimensionen erfasst. Er, der nach eigenen Worten an den leibhaftigen Teufel glaubte, erkannte das Teuflische an Putins Diktatur nicht. Trotzdem, an diesem Tag wird unter den Augen von 170 Staats- und Regierungschefs, im Beisein Hunderttausender Menschen, die Roms Straßen säumen, ein Mann zu Grabe getragen, der sich beharrlich für Frieden einsetzte – und dabei einige Male kräftig danebenlag. Papst Franziskus verabschiedet sich aus einer Welt, in der das Recht des Stärkeren sich durchsetzt. In der nicht geredet, sondern geschossen wird, in der nicht verhandelt, sondern bombardiert wird. Wer wird jetzt noch beharrlich versuchen, Frieden zu stiften?