„Vertrauen erschlichen“: Spahn wird wohl Fraktionschef

„Vertrauen erschlichen“: Spahn wird wohl Fraktionschef Von: Jens Kiffmeier Drucken Teilen Trotz der Maskenaffäre und Söders Zweifeln: Jens Spahn soll die Fraktion führen – und nicht als Minister im Merz-Kabinett dienen. Ein Karriere-Booster? Update, 28. April, 10.55 Uhr: Gemunkel wurde es schon lange, jetzt wird es offiziell: Der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) soll neuer Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag werden. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sagte CDU-Chef Friedrich Merz in einer Sitzung des CDU-Bundesvorstands, er wolle gemeinsam mit CSU-Chef Markus Söder Spahn für das Amt vorschlagen. Die Personalie war zwischen den Schwesternparteien eine Kontroverse. Fraktionsvorsitzender statt Minister: Jens Spahn soll Top-Posten von Merz bekommen Erstmeldung: Berlin – Er gilt als „Joker der Union“: Jens Spahn (CDU). Der frühere Gesundheitsminister darf sich offenbar berechtigte Hoffnung auf einen neuen Karriereschub machen. So soll der 44-Jährige wenige Wochen nach der Bundestagswahl 2025 zum neuen Fraktionsvorsitzenden aufsteigen. Die CSU habe einem entsprechenden Plan von CDU-Chef Friedrich Merz zugestimmt, berichtete der Münchner Merkur unter Berufung aus dem Umfeld von Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder. Zuletzt war Spahn auch immer wieder als Minister im neuen schwarz-roten Kabinett gehandelt worden. Doch der Chefposten an der Fraktionsspitze würde ihm langfristig viel mehr Macht sichern. Doch warum macht Merz das? Immerhin galt als Verhältnis der beiden lange als angespannt. Doch hinter der geplanten Beförderung von Jens Spahn zum neuen Fraktionschef steckt ein strategischer Schachzug, darin sind sich viele Beobachter einig. Offiziell bestätigen wollte bislang niemand die Personalie. Doch Spekulationen, dass Spahn den Top-Posten bekommen könnte, gibt es schon lange. Die Personalie sei ein „ausdrücklicher Wunsch von CDU-Chef Friedrich Merz“, berichtete unlängst der Berliner Tagesspiegel. Bislang stand aber noch die Zustimmung von Söder aus. Soll für Friedrich Merz wohl bald die Fraktion führen: Jens Spahn (rechts). © Kay Nietfeld/dpa Derzeit wird die Unionsfraktion von Merz selber geleitet, der nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen mit der SPD am 6. Mai vom Bundestag zum Kanzler gewählt werden soll. Voraussetzung ist, dass ein kleiner Parteitag der CDU am 28. April und die Mitglieder der SPD bis zum 29. April dem Koalitionsvertrag zustimmen. Die CSU hat dies bereits getan. Spahn war bisher stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Minister, Villa, Kinder, Vermögen – das ist Jens Spahn Der gelernte Bankkaufmann Spahn sitzt seit 2002 im Bundestag. Zwischen 2015 und 2018 war er parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und danach bis 2021 Bundesgesundheitsminister. In seine Amtszeit fiel der Ausbruch der Corona-Pandemie. Von Januar 2021 an war Spahn ein Jahr lang stellvertretender CDU-Chef. Der 44-Jährige ist mit Daniel Funke verheiratet. Das Paar hat keine Kinder und lebt laut Medienberichten in einer Villa in Berlin. Über die Finanzierung und das Vermögen für den Villa-Kauf hatte es in der Vergangenheit zahlreiche kritische Berichte gegeben. Jens Spahn als Fraktionschef: Verhältnis zu Merz galt lange als kompliziert Die Beziehung zwischen Merz und Spahn galt in der Vergangenheit jedoch als angespannt. Die Süddeutsche Zeitung beschrieb das Verhältnis einmal als „kompliziert“ und zitierte einen nicht namentlich genannten CDU-Politiker mit den Worten: „Der Jens hat sich das Vertrauen von Merz erschlichen.“ Dass Merz ausgerechnet Spahn jetzt für den mächtigen Posten des Fraktionsvorsitzenden vorschlagen will, kommt aber nicht von ungefähr. Bei vielen Themen, bei denen Merz im Wahlkampf mehr Härte versprochen hatte, versprüht Spahn sehr viel Angriffslust. Dies gilt insbesondere bei der Migration. So versteht sich Spahn als Vertreter des konservativen Flügels der CDU, der nach den Merkel-Jahren wieder mehr Einfluss will. In der Migrationspolitik plädierte er zuletzt für eine strengere Kontrolle, schnellere Verfahren und die Durchführung von Asylverfahren in sicheren Drittstaaten. Außerdem hat er sich sehr deutlich für eine solide Haushaltsführung und gegen eine Schuldenunion in der Eurozone ausgesprochen. Damit könnte Spahn ein Gegengewicht zum Kabinett bilden, in dem viele SPD-Minister den Ton mitangeben. Jens Spahn: Umgang mit AfD und Maskenaffäre kratzen am Image Seine Kritiker reiben sich jedenfalls an seinem Auftreten. Sie werfen ihm einen Hang zum Populismus vor. Zuletzt gab es sehr viel Unmut, nachdem Spahn mehrmals öffentlich gefordert hatte, mit der AfD bei der Besetzung von Ausschussvorsitzenden im Bundestag umzugehen „wie mit jeder anderen Oppositionspartei“. Dies löste einen Aufschrei der Entrüstung aus – bis Spahn schließlich zurückruderte. Auch die Maskenaffäre kratzt weiterhin an seinem Image. Als Gesundheitsminister hatte Spahn zu viele Masken bestellt, die wegen des Ablaufdatums ungenutzt vernichtet werden mussten. Dem Steuerzahler entstand dadurch ein Schaden von 2,3 Milliarden Euro. Taugt Spahn vor diesem Hintergrund als Fraktionschef? Die Bedeutung des Fraktionsvorsitzes für die Machtarchitektur in Berlin kann jedenfalls kaum überschätzt werden. „Adenauer, Kohl, Merkel: Sie alle waren wie Merz selbst Fraktionsführer, bevor sie Kanzler wurden. Wer die Unions-Truppen im Bundestag führt, ist immer auch Deutschlands Reserve-Regierungschef“, berichtete unlängst der Münchner Merkur. Minister oder Fraktionsvorsitzender: Merz baut sein Kabinett – die geheime Liste Allerdings wurden neben Spahn zuletzt auch andere Namen für den Fraktionsvorsitz gehandelt. „Weiterer möglicher Kandidat für den Fraktionsvorsitz ist der bisherige Parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei. Es gilt aber als wahrscheinlicher, dass der Vertraute von Merz Kanzleramtschef wird“, schreibt der Tagesspiegel. Bislang machen aber alle drei Regierungspartner von CDU, CSU und SPD noch ein Geheimnis aus der Besetzung der Minister-Posten im Kabinett von Merz. Zuletzt tauchte auf den inoffiziellen Listen auch immer wieder der Name von Spahn auf – und zwar als Wirtschaftsminister. Ministerium / Posten Liste 14. April Liste 9. April Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) Friedrich Merz (CDU) Finanzen Lars Klingbeil (SPD) Lars Klingbeil (SPD) Inneres Alexander Dobrindt (CSU) Alexander Dobrindt (CSU) Wirtschaft und Energie Jens Spahn (CDU) Carsten Linnemann (CDU) Auswärtiges Johann Wadephul (CDU) Johann Wadephul (CDU) Justiz und Verbraucherschutz Sonja Eichwede (SPD) Sonja Eichwede (SPD) Arbeit und Soziales Bärbel Bas (SPD) Bärbel Bas (SPD) Verteidigung Boris Pistorius (SPD) Boris Pistorius (SPD) Ernährung, Landwirtschaft und Heimat Michaela Kaniber (CSU) Michaela Kaniber (CSU) Bildung und Familie Silvia Breher (CDU) Silvia Breher (CDU) Gesundheit Tino Sorge (CDU) Tino Sorge (CDU) Verkehr Ina Schnarrenbach (CDU) Ina Schnarrenbach (CDU) Umwelt, Klima, nukleare Sicherheit Katja Mast (SPD) Andreas Jung (CDU) Digitalisierung Kristina Sinemus (CDU) Kristina Sinemus (CDU) Forschung, Technologie, Raumfahrt Dorothee Bär (CSU) Dorothee Bär (CSU) Entwicklung Svenja Schulze (SPD) Svenja Schulze (SPD) Wohnen und Bauen Carsten Schneider (SPD) - Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) Thorsten Frei (CDU) Staatsminister Ehrenamt/Sport Sepp Müller (CDU) - Staatsminister Kultur/Medien Joe Chialo (CDU) - Staatsminister Bund-Länder Hendrik Hoppenstedt (CDU) - Staatsministerin Migration Reem Alabali-Radovan (SPD) - Staatsministerin Ostdeutschland Elisabeth Kaiser (SPD) - Fraktionsposten als Sprungbrett ins Kanzleramt: Söder wischt Bedenken bei Seite Fraktionschef oder Wirtschaftsminister? Politikprofessor Thomas Biebricher hat für die Berufung von Spahn in eine neue Spitzenposition einen Rat für Merz. Es sei für den künftigen Kanzler vielleicht besser, Spahn nicht zum Chef der Regierungsfraktion zu machen, sagte er der Süddeutschen Zeitung und fügte hinzu: „Das wäre wirklich nicht klug, mehr noch, es wäre gefährlich.“ Wen holt Friedrich Merz in sein Kabinett? Diese Minister stehen bereit Fotostrecke ansehen Zwei Gründe führte Biebricher dafür an: Zum einen seien da Spahns Lockerungsübungen Richtung AfD. „Als Fraktionschef muss er Mehrheiten organisieren – auf der einen oder anderen Seite.“ Zum Zweiten könne Spahn als Fraktionschef seine Machtbasis deutlich ausweiten. „Für Spahn wäre der Fraktionsvorsitz ein Super-Sprungbrett für in vier Jahren“ – wenn es also um die Merz-Nachfolge gehen könnte. „Es wäre klüger, ihn in die Kabinettsdisziplin einzubinden“, so Biebricher. So dürfte das vielleicht auch Söder gesehen haben, der seine eigenen Kanzlerpläne auch noch nicht für ewige Zeiten beerdigt hat. Einen mächtigen Fraktionschef an der Unionsspitze kann er da nur schwer gebrauchen. Doch offenbar konnte Merz ihm diese Sorge nehmen. (jek)