Vermeintliche Wiederauferstehung des ausgestorbenen Schattenwolfs

Die Welpen mit hellem Fell auf der Titelseite des US-Nachrichrichtenmagazins „Time“ sollen Schattenwölfe sein – eine vor 13.000 Jahren ausgestorbene Art. Tatsächlich sind es gentechnisch veränderte Grauwölfe, die einige Gene des Schatten- oder Schreckenswolfs – englisch „dire wolf“ – tragen. Das auf derartige Projekte spezialisierte US-Unternehmen Colossal Biosciences mit Sitz in Dallas hat die Hybriden nun der Öffentlichkeit vorgestellt: die bereits Anfang Oktober geborenen Rüden Romus und Remulus sowie das Ende Januar zur Welt gekommene Weibchen Khaleesi. Das Unternehmen spricht von den ersten Schattenwölfen seit der Zeit des Pleistozäns, das vor etwa 10.000 Jahren endete. Ihren ausgestorbenen Vorfahren der Art Aenocyon dirus, die einst in Nordamerika lebte, ähneln die Jungtiere nach Angaben des Unternehmens mit dem dichten hellen Fell, einer größeren Statur und angeblich mit einem speziellen Heulen. Für die nun präsentierten Jungtiere hatte das Unternehmen Genomreste von zwei Schattenwölfen sequenziert, die vor 13.000 Jahren und vor 72.0000 Jahren im Gebiet der heutigen USA lebten. Durch Vergleiche mit heutigen Wölfen ermittelte das Team nach eigenen Angaben, welche genetischen Eigenschaften typisch für die ausgestorbene Art waren. Große Unterschiede zwischen Schattenwölfen und Grauwölfen Schließlich veränderte das Unternehmen das Erbgut von Grauwölfen (Canis lupus) an 20 Stellen in 14 Genen entsprechend. Insgesamt enthält das Erbgut von Grauwölfen etwa 19.000 Gene. Die veränderten Zellkerne wurden in entkernte Eizellen gepackt, zunächst entwickelten sich daraus nach Angaben des Unternehmens 45 Embryonen. Diese wurden weiblichen Hunden eingepflanzt. Die am Ende entstandenen drei Mischlinge, Hybriden genannt, sind also weitaus enger mit dem Grauwolf verwandt als mit dem Schattenwolf. Dieses Foto wurde von Colossal Biosciences zur Verfügung gestellt und zeigt einen jungen Wolf, der gentechnisch so verändert wurde, dass er Ähnlichkeiten mit dem ausgestorbenen Schattenwolf aufweist. dpa Unabhängige Fachleute von der neuseeländischen Universität Otago kommentieren die Präsentation der Tiere kritisch. Es handle sich nur um Hybrid-Grauwölfe mit einigen womöglich schattenwolfähnlichen Eigenschaften, erklärt Zoologe Nic Rawlence. Dass die speziellen Eigenheiten tatsächlich von Schattenwölfen stammten, sei lediglich eine Vermutung, betont er. „Um etwas wirklich wieder aufleben zu lassen, müsste man es klonen“, sagt Rawlence. „Das Problem ist, dass wir ausgestorbene Tiere nicht klonen können, weil die DNA nicht gut genug erhalten ist.“ Selbst wenn man das Genom sequenziere, lasse sich die DNA nicht in ausreichend großen Stücken extrahieren, wie das bei einem lebenden Tier möglich sei. Graunwölfe und Schattenwölfe entwickelten sich vor 2,5 bis sechs Millionen Jahren auseinander, daher sind ihre Genome völlig unterschiedlich. Zudem leben die Tiere in einem Gehege. „Wie sollen sie dann lernen, sich wie Schattenwölfe zu verhalten?“, fragt Rawlence. Und: „Exisitert das Ökosystem überhaupt noch, in dem die Art einst lebte?“ Viel sinnvoller, als ausgestorbene Tiere wiedererstehen zu lassen, ist es aus Sicht des Forschers, Technologien und Wege dafür zu entwickeln, die das Aussterben von Arten verhindern. Wir sollten das erhalten, was wir haben. Philip Seddon, ebenfalls von der Universität Otago, spricht zwar von erstaunlichen technologischen Fortschritten, aber: „Die süßen Welpen Romulus, Remus und Khaleesi sind keine Schattenwölfe – sie sind genetisch veränderte Grauwölfe.“ Die Zahl der veränderten Gene sei viel zu klein. Seddons Kollege aus der Anatomie der Universität, Michael Knapp, findet es sogar ärgerlich, dass das Unternehmen behauptet, eine ausgestorbene Art wiedererweckt zu haben. Abgesehen von der vereinfachenden Behauptung des Unternehmens und den ethischen Bedenken, sei die Geburt der Wölfe aber ein Fortschritt in der Gentechnik. Auf diesem von Colossal Biosciences zur Verfügung gestellten Foto vom Februar 2025 ist eine genetisch veränderte Mause mit langen, dicken, wolligen Haaren neben einer normalen Maus in einem Labor zu sehen. dpa