Future Combat Air System: Deutsch-französische Vision für den Kampfjet der Zukunft Von: Patrick Freiwah Drucken Teilen Ein Kampfjet, der Drohnen dirigiert, eigenständig handelt und den Himmel kontrolliert: Airbus und Dassault planen für Europas Luftwaffe das Future Combat Air System. Toulouse/Paris – Ein bemannter Kampfjet, flankiert von Drohnenschwärmen, vernetzt über eine digitale Kampf-Cloud: Das Future Combat Air System (FCAS) ist eines der ambitioniertesten Verteidigungsprojekte Europas. Unternehmen aus Deutschland, Frankreich und Spanien arbeiten daran, ein vollständig vernetztes Luftkampfsystem der sechsten Generation zu entwickeln – bestehend aus einem hochmodernen Mehrzweckkampfflugzeug, sogenannten Remote Carrier (autonomen Drohnen) und einer digitalen Infrastruktur für Waffensysteme und Kommunikation. Future Combat Air System soll Europas Kampfjet der Zukunft werden Ab etwa 2040 soll FCAS bei der deutschen Luftwaffe den Eurofighter Typhoon und langfristig auch die umstrittene F-35 ablösen, bei den französischen Streitkräften die Rafale ersetzen. Die beteiligten Unternehmen – Airbus Defence and Space, Dassault Aviation und der spanische IT-Spezialist Indra Sistemas – haben große Pläne, dazu ein enges Zeitfenster. Denn die militärische Konkurrenz schläft nicht: Die USA entwickeln einen Kampfjet der Zukunft, Großbritannien und Italien haben sich mit Japan verbündet. Russland und China arbeiten an eigenen Systemen und möglicherweise auch zusammen. Europa Militär droht ins Hintertreffen zu geraten, wenn es dem FCAS nicht gelingt, zügig vom Konzept zum Prototypen zu werden. Airbus-Manager Michael Schöllhorn erklärte kürzlich: „Wir müssen in Europa jetzt auf die sechste Generation der Kampfflugzeuge springen.“ Drei Schlüsselbereiche entscheiden dabei über den Erfolg des Militärprojekts: Antrieb, Drohnenintegration und Datenverarbeitung. Eurofighter-Nachfolger: Airbus und Dassault Aviation planen gemeinsam einen Kampfjet der sechsten Generation (Symbolbild). © Dassault Aviation Triebwerk der Extreme – FCAS braucht mehr als Schubkraft Herzstück eines jeden Jets ist der Antrieb – beim Future Combat Air System eine technische Mammutaufgabe: Die deutsche MTU und das französische Unternehmen Safran gründeten ein eigenes Konsortium, um gemeinsam das Triebwerk „New Generation Fighter Engine“ (NGFE) zu entwickeln. „Wir brauchen ein Triebwerk, das alles kann: Höchstleistungen für den Luftkampf und Überschallflug“, erklärte MTU-Vorstand Michael Schreyögg dem Handelsblatt. Besonders anspruchsvoll ist u. a. die Reduktion der Infrarotsignatur – also heißer Abgase –, um für gegnerische Sensoren unsichtbar zu bleiben. Dafür werden neuartige Materialien benötigt, die extremen Temperaturen und dem Druck standhalten. Während zivile Triebwerke auf Effizienz und Gleichlauf getrimmt sind, soll das FCAS-Antriebssystem extreme Flexibilität ermöglichen: Höchste Schubkraft beim Start, maximale Reichweite im Gleitflug. Der Antrieb des futuristischen Kampfjets wird zum Gradmesser für Europas industrielle Leistungsfähigkeit. Der Wingman kommt – Drohnen als Kampfpartner der Zukunft Drohnen spielen bei FCAS eine zentrale Rolle – aber nicht als bloßes Beiwerk: Die sogenannten „Remote Carrier“ sollen in Echtzeit mit dem bemannten Kampfjet kommunizieren, Missionen übernehmen und das Risiko für den Piloten senken. Airbus präsentierte ein erstes Modell auf der letztjährigen ILA: den „Wingman“. Mit 16 Metern Spannweite erreicht die Drohne die Größe eines Eurofighters und soll ähnlich bewaffnet werden. Der Wingman fliegt autonom, kommuniziert mit dem Piloten – und kann bei Bedarf geopfert werden. Auf der Luftfahrtausstellung ILA in Berlin hat Airbus 2024 die bewaffnete Drohne „Wingman“ vorgestellt. © Björn Trotzki/Imago Bis zur Fertigstellung des bemannten FCAS-Jagdfliegers will Airbus nach eigenen Angaben erste Wingman-Drohnen in die bestehenden Eurofighter-Verbände integrieren. Der Schwarm aus Mensch und Maschine wird damit Realität – allerdings unter aktuell strengen ethischen Vorgaben. In der Bundeswehr gilt: Keine Künstliche Intelligenz darf eigenständig über Leben und Tod entscheiden. „Wir werden diese Innovation ‚Made in Germany‘ weiter vorantreiben und verfeinern, um der deutschen Luftwaffe letztendlich eine kostengünstige Lösung mit der nötigen Leistung anbieten zu können“, verspricht Airbus-CEO Schöllhorn. Digitale Lufthoheit für Europas Militär: FCAS-Kampfjet in Echtzeit vernetzt So futuristisch der Tarnkappenbomber auch sein mag – seine volle Wirksamkeit entfaltet FCAS durch digitale Vernetzung. Die sogenannte „Combat Cloud“ soll alle Einheiten – Flugzeuge, Drohnen, Satelliten, Bodenstationen – in einem digitalen Gefechtsverbund zusammenführen. Ziel ist ein dauerhaft aktuelles Lagebild auf dem Bildschirm des Piloten. „Ein Kampfflugzeug der sechsten Generation wird zur Kommandozentrale für Drohnen“, zitiert das Handelsblatt Michael Santo, Ex-Luftwaffenoffizier und heute Geschäftsführer der Unternehmensberatung H&Z. „Da FCAS aber erst im kommenden Jahrzehnt fliegt, muss das System sehr aufnahmefähig für künftige technische Entwicklungen sein.“ Eurofighter-Kampfjets: Das sind die Wunderwaffen der Lüfte Fotostrecke ansehen Airbus, Dassault, Indra, Thales sowie die deutschen Elektronikfirmen Hensoldt und Helsing arbeiten dem Bericht zufolge an der Plattform. Es handelt sich um die Schaltzentrale eines Luftkampfsystems der neuesten Generation („Next Generation Weapon System/NGWS“), worüber auch die Bundeswehr aufklärt. Europa betritt damit Neuland, insbesondere im Bereich sicherer und schneller Datenübertragung auf dem Gefechtsfeld. Europas Luftwaffenprojekt FCAS benötigt Führung statt Flickenteppich Obwohl FCAS mit Milliarden gefördert wird, droht das Projekt derzeit an politischem Zögern und nationalem Eigeninteresse zu scheitern. Die Geschichte gemeinsamer Rüstungsprojekte zwischen Deutschland und Frankreich ist wechselhaft – Streitigkeiten über Rollenverteilung, Exportrechte und Industrieanteile sind keine Seltenheit. Doch der geopolitische Druck wächst: Die USA setzen mit der F-35 aktuell den Standard, während aus China Aufnahmen einer imposanten Kampfjet-Neuheit auftauchen. Airbus-Chef Schöllhorn fordert daher mehr strategisches Denken zur Realisierung: „Wenn FCAS nicht zur Fata Morgana werden soll, braucht das Projekt Führung – und Tempo.“ Denn klar ist: FCAS könnte ein Eckpfeiler auf dem Weg zur europäischen Souveränität sein – oder ein Eingeständnis ihres Scheiterns. (PF)