Jobcenter übernimmt volle Miete nicht mehr: Amt drängt vierfache Mutter mit Bürgergeld zum Umzug Von: Karolin Schaefer Drucken Teilen Die Kosten der Unterkunft einer alleinerziehenden Bürgergeld-Empfängerin sind zu hoch. Jetzt soll die Familie umziehen. Doch wann ist ein Umzug zumutbar? Hamm – Alleinerziehende Mütter und Väter stehen oft vor großen Herausforderungen. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sind sie unter anderem einem erhöhten Armutsrisiko ausgesetzt und müssen häufig auf Sozialleistungen wie das Bürgergeld zurückgreifen. So ergeht es auch einer Mutter mit vier Kindern. Und als wäre das nicht genug, pocht das Jobcenter pocht nun auch noch auf einen Umzug. Dabei gibt es jedoch ein Problem. „Geld, das für Essen und Kleidung fehlt“: Amt zahlt Miete von Bürgergeld-Empfängerin nur noch zum Teil „Das Jobcenter hat sie aufgefordert, in eine günstigere Wohnung zu ziehen, die sie aber nicht findet“, schilderte Helena Steinhaus, Gründerin der Initiative Sanktionsfrei, bei Threads. Die Folge: Das Jobcenter übernehme nur noch einen Teil ihrer Miete. Den Rest muss die Mutter selbst übernehmen, was angesichts des knapp bemessenen Bürgergelds eine große finanzielle Belastung darstellt. „So geht es fast 320.000 Bürgergeld-Haushalten. Im Schnitt müssen die jeden Monat 103 € aus dem Regelsatz für die Wohnkosten abzwacken“, erklärte Steinhaus. „Geld, das dann für Essen und Kleidung fehlt.“ Bereits im Februar hätten Anwälte der Initiative den Fall übernommen. Eine alleinerziehende Mutter mit vier Kindern, die Bürgergeld bezieht, soll jetzt umziehen. Eine Wohnung findet sie aber nicht. (Symbolbild) © Montage: Pond5 Images/imago; SOPA Images/imago Doch wie sieht die rechtliche Situation für Leistungsbezieher aus? Grundsätzlich übernehmen Jobcenter die Kosten für Unterkunft und Heizung, jedoch nur solange diese angemessen sind. Für eine Mutter mit vier Kindern bedeutet das eine Wohnfläche von etwa 95 bis 110 Quadratmetern, so das Branchenportal buergergeld.org. Eine kürzlich veröffentlichte Tabelle zeigte, dass es bei der Höhe des Bürgergeldes für Alleinerziehende große Unterschiede gibt. Jobcenter zahlt Wohnkosten für Bürgergeld-Empfänger: Wann sind diese angemessen? Die zulässige Miethöhe hängt von der jeweiligen Kommune ab. In Städten wie Hamburg sind die Mieten deutlich höher als beispielsweise in Hamm. „Ihr Jobcenter achtet darauf, dass die Mietkosten und die Größe Ihrer Unterkunft bestimmte Richtwerte nicht überschreiten“, erklärt die Bundesagentur für Arbeit. Wird die Wohnung als unangemessen eingestuft, müssen Bürgergeld-Empfänger die Kosten reduzieren. „Das kann zum Beispiel bedeuten, dass Sie in eine günstigere Wohnung umziehen oder ein Zimmer untervermieten.“ Es gibt jedoch eine sogenannte Karenzzeit, in der die Angemessenheit der Unterkunftskosten im ersten Jahr des Bürgergeld-Bezugs nicht überprüft wird. Dies gilt auch für Wohneigentum, wobei die Heizkosten stets nur in angemessener Höhe anerkannt werden. In diesen Fällen darf das Jobcenter einen Umzug beim Bürgergeld verlangen Wenn das Jobcenter ein Kostensenkungsverfahren startet, müssen Betroffene nicht sofort umziehen. Sie haben dann ein halbes Jahr Zeit, um die Kosten zu senken, informiert die Gewerkschaft Verdi auf ihrer Webseite. Wichtig ist, dass alle Bemühungen zur Kostensenkung nachgewiesen werden – etwa durch ein Wohnungssuchprotokoll. Sollte die Kostenübernahme dennoch gesenkt werden, können Betroffene Widerspruch einlegen. Es gibt Fälle, in denen das Jobcenter die tatsächlichen Kosten für die Unterkunft weiterhin zahlen muss, obwohl diese höher sind als angemessen, und ein Umzug unzumutbar ist. Laut Verdi sind das: Fehlendes Wohnungsangebot Unzumutbare Kostensenkung (durch beispielsweise gesundheitliche Probleme, hohes Alter, Schwangerschaft, kurz bevorstehendes Ende der Hilfebedürftigkeit) Unwirksame Aufforderung Wenn jedoch geeignete Wohnungen auf dem Markt verfügbar sind und nichts anderes dagegen spricht, ist ein Umzug mit hoher Wahrscheinlichkeit unvermeidlich. Dagegen sorgen bei einer Bürgergeld-Empfängerin die Mietschulden für Empörung. Bei IPPEN.MEDIA kritisierte Helena Steinhaus bereits die geplante Bürgergeld-Reform. (kas)