Inhaltsverzeichnis Photonen statt Elektronen: Erste Licht-Prozessoren betreiben effizient KI Photonisches Computing Lightmatter Lightelligence Die zunehmende Komplexität von künstlicher Intelligenz fordert herkömmliche elektronische Computer heraus und frisst immer mehr Energie. Photonik, die Licht anstelle von Elektrizität zur Datenverarbeitung nutzt, bietet eine vielversprechende Alternative. Anzeige Zwei unabhängige Forschungsteams haben photonische Prozessoren vorgestellt, welche die Rechenleistung steigern und den Energieverbrauch senken sollen. Zuvor gelangen auf photonischen Prozessoren nur einfache Demonstrationen wie Benchmarks, aber fortschrittliche KI-Modelle liefen damit nicht. Die Arbeiten sind im Fachmagazin Nature erschienen. Photonisches Computing Bei klassischen Prozessoren und GPU-Beschleunigern kosten Datenbewegungen viel Energie. Das ist wegen der Stromkosten für den Betrieb nicht nur teuer, sondern auch aufwendig zu kühlen – sämtliche Energie muss in Form von Abwärme wieder abgeführt werden, was selbst weitere Energie kostet. Beim photonischen oder optischen Computing entsteht weniger Abwärme; die Effizienz steigt potenziell. Gleichzeitig entstehen andere Herausforderungen. Statt der binären Werte 0 und 1 nutzen photonische Computer ein kontinuierliches Spektrum möglicher Werte. Sie erfordern also ein grundlegendes Umdenken. Unter anderem Intel und Nvidia verfolgen daher ein Mischansatz: CPUs und GPUs rechnen intern wie gehabt, tauschen untereinander aber Daten optisch aus. "Photonische Computer werden seit Jahrzehnten entwickelt, aber diese Demonstrationen könnten bedeuten, dass wir endlich das Potenzial von Licht nutzen können, um leistungsfähigere und energieeffizientere Computersysteme zu bauen", schreibt der Forscher Anthony Rizzo vom Dartmouth College in einem begleitenden Kommentar in Nature. Lightmatter Anzeige Das Team von Lightmatter um Nicholas Harris aus Kalifornien hat einen Photonik-Prozessor entwickelt, der KI-Modelle effizient und mit hoher Genauigkeit implementiert. "Zum ersten Mal in der Computergeschichte haben wir eine nicht auf Transistoren basierende Technologie demonstriert, die komplexe, realitätsnahe Aufgaben ähnlich präzise erledigen kann wie existierende elektronische Systeme", erklärt Nicholas Harris, CEO von Lightmatter. Die Autoren zeigen, dass ihr photonischer Prozessor fortschrittliche KI-Modelle wie BERT und ResNet mit einer Genauigkeit ausführen kann, die mit elektronischen Prozessoren vergleichbar ist. Außerdem könne er eine Reihe von Anwendungen ausführen: Er erstellt etwa Shakespeare-ähnliche Texte, klassifiziert Filmkritiken und spielt "Pac-Man". Wie gut der Prozessor die gestellten Aufgaben bewältigt, hängt vom Typ ab: Bei Bildklassifikationen erreicht er 90 Prozent der Genauigkeit eines herkömmlichen Prozessors, bei Fragen in natürlicher Sprache nur knapp 30 Prozent. Mario Chemnitz, Juniorprofessor für intelligente photonische Systeme der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der nicht an der Studie beteiligt war, sagt: "Die Menge an elektronischen und optischen Komponenten, die auf einer einzelnen, direkt in eine konventionelle Computerarchitektur einsteckbaren Rechenkarte funktional zusammenwirkt, ist einzigartig und markiert einen signifikanten technologischen Schritt für das Feld des photonischen Computings." Er rechnet durch: Der neue Photonik-Prozessor sei dreimal schneller und zehnmal energieeffizienter als ein A100-GPU-Beschleuniger aus Nvidias vorletzter Ampere-Generation, die Performance sei vergleichbar mit dem Nachfolger H100 aus der vergangenen Hopper-Generation. Er bemerkt jedoch, dass das Start-up ihr System nicht vollständig offenlege und die Publikation daher nicht die notwendige Informationstiefe umfasse, um die Technologie abschließend zu bewerten. Ein fundamentales Problem sieht er auch in der noch unzulänglichen Genauigkeit und der Diskrepanz zwischen analoger (also optischer) Hardware inmitten digitaler Infrastruktur. Lightelligence Unabhängig davon hat das Team von Lightelligence um Bo Peng aus Singapur einen photonischen Beschleuniger namens PACE entwickelt. Dieser soll komplexe kombinatorische Optimierungsprobleme effizient lösen. In Tests zeigte PACE eine drastisch verringerte Latenz im Vergleich zu herkömmlichen GPUs von Nvidia. Eine niedrige Latenz ist besonders relevant, um Daten in Echtzeit zu verarbeiten. PACE besteht aus mehr als 16.000 photonische Komponenten, ermöglicht Hochgeschwindigkeitsberechnungen mit bis zu 1 GHz und zeigt eine bis zu 500-mal geringere minimale Latenzzeit im Vergleich zu kleinen Schaltkreisen oder einzelnen photonischen Komponenten. Beide Teams weisen darauf hin, dass ihre Systeme skalierbar sind, jedoch weitere Optimierungen benötigen, um die Vorteile der optischen Datenverarbeitung auszuschöpfen. (spa)