Weniger Klicks im Web? EU-Kommission untersucht Googles KI-Übersichten

Die EU-Kommission hat die neue Funktion "Übersicht mit KI" in der Google-Suche im Visier. Die Brüsseler Regierungsinstitution prüfe derzeit, wie "Google AI Overviews" in der Praxis funktioniere und wie die von Künstlicher Intelligenz generierten Fließtexte auf komplexere Suchanfragen mit den EU-Urheberrechtsvorschriften zusammenspiele, erklärte Kommissionssprecher Thomas Regnier gegenüber dem Magazin Euractiv. Auch die verschärften Wettbewerbsvorgaben nach dem Digital Markets Act (DMA) für "Torwächter", die weiteren Plattform-Auflagen nach dem Digital Services Act (DSA) sowie die schon älteren Regeln gegen unlauteren Wettbewerb könnten relevant sein. Anzeige Damit nicht genug: Die Kommission untersucht dem Bericht zufolge auch, ob die KI-Übersichten mit den Auflagen zum Schutz der Medienvielfalt gemäß dem EU-Medienfreiheitsgesetz, dem European Media Freedom Act (EMFA), vereinbar sind. Die Bürger müssen demnach unter anderem "Zugang zu einer Vielzahl redaktionell unabhängiger Medieninhalte haben". Plattformbetreiber sind angehalten, diesen zu gewährleisten. Google hat AI Overviews in Deutschland und anderen europäischen Staaten – mit einiger Verzögerung etwa gegenüber den USA – Ende März eingeführt. Vor allem Verleger und eigenständige kleinere Inhalteproduzenten sehen es dabei als problematisch an, dass sich Nutzer mit den KI-Übersichten oft schon zufriedengeben dürften und nicht mehr auf die Webseite der Quelle für die Information gehen. Mit den Klicks fehlt den Seitenbetreibern so auch die Möglichkeit, mit Werbung auf dem eigenen Angebot Geld zu verdienen. Dieses traditionelle Online-Geschäftsmodell fordern auch die KI-Suchen von ChatGPT, Perplexity oder Microsofts Copilot heraus. Drastischer Traffic-Rückgang bei Verlagsseiten Viele Herausgeber haben nach der Einführung der KI-Funktion einen drastischen Rückgang des Datenverkehrs verzeichnet. Laut dem Finanzdienst Bloomberg hat Google diesen Effekt im Oktober bei einem Treffen mit 20 Webseiten-Erstellern hinter geschlossenen Türen eingeräumt. Die BBC beklagt in einer Eingabe an die britische Regierung, dass KI-Vermittler eine Bedrohung für ihre Marke darstellen. Sie würden den Wert der Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Sender nicht darstellen oder Artikel ungenau zusammenfassen. Entsprechende Halluzinationen sind ein bekanntes Problem von Systemen mit generativer KI. Googles AI Overview ist bereits wiederholt durch sehr fragwürdige Zusammenfassungen aufgefallen. Ein hochrangiger Google-Manager signalisierte laut Euractiv Anfang April, dass die Zahl der Suchanfragen nach der Einführung von AI Overviews gestiegen sei. Dies könnte auch den Verlagen zugutekommen. Klickraten wollte der Insider aber nicht preisgeben, da sich die Zahlen ständig änderten. Nach der EU-Urheberrechtsrichtlinie dürfen geschützte Werke unter einer Ausnahmeregelung für Text- und Data-Mining (TDM) für Forschungszwecke verwendet werden. "KI-generierte Zusammenfassungen, die geschützte Inhalte wiedergeben, können unter die TDM-Ausnahmen fallen", erläuterte Regnier. Das Material müsse dafür aber legal zugänglich sein und keinem Rechtevorbehalt des Rechteinhabers unterliegen. Kein Opt-out aus KI-Übersichten möglich Anzeige Urheber und Verwerter, die TDM bei ihren online verfügbaren Werken verhindern wollen, können sich Nutzungen prinzipiell selbst vorbehalten. Eine solche Ansage ist nur dann wirksam, wenn sie "in maschinenlesbarer Form erfolgt". Also in der Regel in der Datei robots.txt. Allerdings können Rechteinhaber laut Google derzeit nicht die Aufnahme in KI-Zusammenfassungen ausschließen – die Klausel beziehe sich nur aufs KI-Training. Die Trennung zwischen KI-Suche und normaler Suche wird nach Ansicht des US-Konzerns mit der Zeit generell an Bedeutung verlieren. Google gibt an, dass die Ablehnung von KI-Training keinen Einfluss auf die Sichtbarkeit der entsprechenden Webseite in den Suchergebnissen habe. Nachrichtenproduzenten befürchten aber nach wie vor, dass sie bei einem solchen Ausschluss in den Trefferlisten abrutschen, berichtete Renate Schroeder, Direktorin der Europäischen Journalistenföderation, Euractiv. Sie setzt sich für eine hohe Granularität bei der im AI Act vorgeschriebenen Offenlegung "ausreichend detaillierter" Zusammenfassungen von Trainingsdaten ein, damit Rechteinhaber leichter eine Entschädigung für die Nutzung ihrer Inhalte geltend machen könnten. Google plädiert fürs Gegenteil. Gemäß einer Studie, die die Initiative Urheberrecht in Auftrag gegeben hat, stellt die Nachbildung von Werken durch Modelle für generative KI generell eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigung dar und ist damit rechtswidrig. Die Kommission hat in einer Vorentscheidung festgestellt, dass Google gegen den DMA verstoßen hat, weil es seine eigenen Produkte in den Suchmaschinenergebnissen bevorzugt behandelt. Diese vorläufigen Ergebnisse beziehen sich laut Regnier aber nicht speziell auf KI-Übersichten. Diese seien erst nach Veröffentlichung des Beschlusses eingeführt worden. Es gälten jedoch auch dafür die gleichen Grundsätze. Nur eine Woche vor der Einführung der KI-Übersichten in Europa veröffentlichte Google ein Experiment, wonach das Löschen von Inhalten europäischer Nachrichtenverleger aus Suchanfragen "keine messbaren Auswirkungen" auf die Einnahmen des Unternehmens hatte. Diese offensichtliche Machtdemonstration verärgerte die Publisher. Ihnen zufolge profitiert Google von der Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit ihrer Inhalte, auch wenn die direkten Einnahmen im News-Geschäft des Konzerns relativ gering ausfielen. (nen)