Von Retinol bis Vitamin C: Welche Pflegeprodukte eignen sich für Schwangere? Und welche nicht?

Wie lassen sich Dehnungsstreifen verhindern? Und müssen gleich alle Produkte ein Bio-Siegel tragen? Wie Dermatologen und Hebammen über Retinol, Vitamin C und den berühmten „Glow“ während der Schwangerschaft denken. Anzeige Die wichtigste „Botschaft“ möchte Peter Weisenseel gleich vorwegschicken: „Weniger bedeutet beim Thema Pflege in der Schwangerschaft auf jeden Fall mehr“, erklärt der Facharzt für Dermatologie und Leiter der Klinischen Forschung am Dermatologikum Hamburg. Zunächst zum wachsenden Bauch: Auch wenn die Versuchung naheliegt, ihm so viel Aufmerksamkeit wie möglich zu schenken – und ihn beispielsweise zweimal am Tag einzucremen –, empfiehlt Weisenseel Frauen, sich bei der Verwendung von Lotionen, Ölen und anderen denkbaren Produkten eher zurückzuhalten. Anzeige Doch was genau gilt es insgesamt zu beachten, auch bei Gesicht- und Haarpflege? Acht Fragen und Antworten von Peter Weisenseel und Hebamme Kareen Dannhauer. Lesen Sie auch Weltplus Artikel Hebamme Eva Placzek „Ich könnte in der Klinik nicht nach meiner Ethik arbeiten“ Was hat es mit dem berühmten „Glow“ auf sich? „Durch die Hormonumstellung kann der Glow tatsächlich eintreten, auch wenn wir ihn nicht bei jeder Schwangerschaft sehen“, erklärt Peter Weisenseel. Etwa ab der 9. Schwangerschaftswoche wirkt die Haut wegen des gestiegenen Östrogen-Levels mitunter rosiger. Die erhöhte Blutzirkulation und Flüssigkeitseinlagerungen im Bindegewebe sorgen bei vielen Frauen wiederum für ein glatteres Hautbild. Anzeige Hebamme Kareen Dannhauer, die auch als Autorin und Podcasterin („Der Hebammensalon“) arbeitet, weist darauf hin, dass die Haut aber auch empfindlicher auf Wärme oder Kälte oder auch auf bislang als angenehm wahrgenommene Pflegerituale wie Peelings reagieren könne. „Neurodermitis kann sowohl viel besser werden als auch schlimmer. Pickel oder Unreinheiten ebenfalls.“ Welche klassischen Pflegeprodukte dürfen Schwangere benutzen? Wirkstoffe, die der Haut Feuchtigkeit verleihen, also beispielsweise Urea, Glycerin und Ceramide, könnten Frauen während ihrer Schwangerschaft uneingeschränkt nutzen, erklärt Facharzt Weisenseel. Spezielle Bio-Produkte brauche es nicht zwingend. Und auf welche verzichtet man besser? „In der Schwangerschaft sind viele rezeptpflichtige Wirkstoffe zum Beispiel zur Akne-Behandlung nicht zugelassen beziehungsweise kontraindiziert, also nicht empfohlen“, betont Dermatologe Weisenseel. „Aber auch bestimmte rezeptfreie Wirkstoffe sollten aus meiner Sicht gemieden werden.“ Dazu zählt er jegliche Vitamin-A-Derivate wie Retinol, die als Anti-Aging-Mittel dienen sollen. Die Substanzen gelangen über die Blutbahn auch zum ungeborenen Kind und können dort für eine sogenannte embryotoxische Wirkung sorgen, also etwa das Wachstum des Fötus beeinträchtigen. Alternativ infrage kommen Produkte mit Vitamin C, E oder dem Coenzym Q10. Kareen Dannhauer warnt ebenfalls vor verschreibungspflichtigen Retinoiden. Sie sollten schon in der Kinderwunschphase abgesetzt werden. Wer unter starken Hautunreinheiten leide, benutze besser eine Creme mit Azelainsäure. Wie sieht's aus mit Sonnencreme? Die Hebamme rät zudem, unbedingt auf Sonnencreme zu setzen, schließlich bildet der Körper in der Schwangerschaft mehr Melatonin, weswegen nicht nur Bräune schneller entsteht, sondern sich auch Pigmentflecken bilden können – die meist auch nach der Geburt nicht ganz verschwinden, sondern höchstens verblassen. Gleichzeitig warnt sie vor einem Sonnenschutz, der Oxybenzon enthält: „Der chemische UV-Filter gelangt über die Haut in den Blutkreislauf und kann auch in der Muttermilch bei stillenden Frauen nachgewiesen werden.“ Dermatologe Weisenseel ergänzt: „Da hellbraune, fleckige Verfärbungen – in der Fachsprache Chloasma oder Melasma gravidarum genannt – im Gesicht gehäuft in der Schwangerschaft auftreten, ist ein spezieller Lichtschutz sinnvoll: Neben UV-Schutz sollte auch das hochenergetische sichtbare blaue Licht (high energy visible) gefiltert werden.“ Cremes mit entsprechendem HEV-Filter gibt es in der Apotheke. Lesen Sie auch Weltplus Artikel Geburtsklinik „Der Begleitperson muss klar sein, dass sie nicht im Fokus steht“ Und was tun gegen Dehnungsstreifen? Bei der Vorbeugung von Dehnungsstreifen, die mitunter auch erst wenige Tage vor der Geburt auftreten, helfen Öle und Cremes, allerdings nur „etwas“, schränkt Weisenseel ein. Denn ob sich Dehnungsstreifen bilden, hängt auch mit der genetischen Veranlagung zusammen. Kommen Öle zum Einsatz, dann im Idealfall solche aus Mandeln, Argan oder Walnuss; Produkte mit etwa Anis, Rosmarin, Zimt oder Eisenkraut wirken sich womöglich hormonell regulierend aus und können gar vorzeitige Wehen auslösen. Die bei vielen Frauen auftretende „Linea fusca“, also jene dunkle Linie in der Mitte des Bauches, geht auf Pigmenteinlagerungen zurück Quelle : Getty Images/Jackal Pan Dannhauer schreibt in „Guter Hoffnung – Hebammenwissen für Mama und Baby“ (Kösel Verlag): „Wirklich gravierende (also auch für andere Menschen als die Frau sichtbare) Schwangerschaftsstreifen bekommen nur etwa 20 Prozent aller Frauen.“ Tatsächlich sind jüngere Schwangere „anfälliger“ für Dehnungsstreifen als ältere: „Kollagene Fasern, die in späteren Jahren nicht mehr in der Vielzahl vorhanden sind, können nicht in gleichem Maße auseinanderweichen und sichtbare Streifen verursachen.“ „Wirklich gravierende Schwangerschaftsstreifen bekommen nur etwa 20 Prozent aller Frauen.“ Die bei vielen Frauen auftretende „Linea fusca“, also jene dunkle Linie in der Mitte des Bauches, die sich oft vom Bauchnabel bis zum Schambein zieht, geht auf Pigmenteinlagerungen zurück. Sie verschwindet nach der Geburt in der Regel nach einigen Monaten wieder. Welche professionellen Anwendungen sollten in der Schwangerschaft ausbleiben? Die allermeisten innerlichen Wirkstoffe in Tabletten- oder Kapselform oder als Injektion sollten Frauen vermeiden – Botoxbehandlungen beispielsweise. Die Deutsche Gesellschaft für Ästhetische Botulinumtoxin-Therapie etwa rät von einer Behandlung in Schwangerschaft und Stillzeit ab. „Gegen eine Ausreinigung zum Beispiel mit warmem Wasserdampf oder ein sanftes Peeling spricht dagegen nichts“, meint Weisenseel. Bei letztgenannter Anwendung sollte allerdings keine hochprozentige Saliclysäure – auch bekannt als Beta-Hydroxycarbonsäure (BHA) – mit mehr als zwei Prozent zum Einsatz kommen (Sie findet sich häufig auch in Anti-Schuppen-Shampoos). Stattdessen empfiehlt sich die auch während der Schwangerschaft sanft reinigende und deswegen unbedenkliche Alpha-Hydroxysäure (AHA).