Verharmlosung des Holocausts? AfD-Politiker attackiert Museum wegen Correctiv-Recherche

Die Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannseekonferenz in Berlin-Wannsee weist Vorwürfe der Falschdarstellung auf ihren Infotafeln entschieden zurück. Das Museum reagiert damit auf Kritik des AfD-Bundestagsabgeordneten Ronald Gläser. Der hatte in einem Video auf die Tafeln hingewiesen und behauptet, sie enthielten Fehler, die auf Correctiv-Recherchen zurückzuführen seien. Das Medienhaus Correctiv hatte Anfang 2024 unter dem Titel „Geheimplan gegen Deutschland“ über ein Treffen konservativer und rechtsradikaler Kreise am Potsdamer Lehnitzsee berichtet. Dabei soll auch über einen „Masterplan zur Ausweisung von deutschen Staatsbürgern“ gesprochen worden sein. Anschließend machte schnell der Begriff der Remigration von Menschen mit ausländischen Wurzeln die Runde. Nach dem Bericht demonstrierten bundesweit Hunderttausende gegen die AfD und gegen mögliche Remigrationspläne. @ronaldglaeser Verfälscht der Staat hier Geschichte? Am historischen Haus der Wannseekonferenz , einer staatlich finanzierten Gedenkstätte, werden fragwürdige und falsche Dinge behauptet. Obwohl Correctiv eine Reihe von gerichtsfesten Niederlagen erleiden musste, werden deren Fakenews woanders weiter verbreitet. Auf Kosten der Steuerzahler. Wir gehen dagegen vor. Abonniert meinen Kanal, wenn ihr wissen wollt, wie es weitergeht. ♬ Originalton - ronaldglaeser TikTok-Video vor dem Haus der Wannseekonferenz Gläser ließ sich kürzlich vor dem Haus der Wannseekonferenz filmen. Im Video zeigte er auf die Tafeln, die Bezug auf die Correctiv-Recherche nehmen. Tatsächlich heißt es darauf: Mitglieder von CDU, AfD und den Identitären hätten die millionenfache Vertreibung von Personen aus unserem Land vorbereitet. Das sei erstens „sachlich falsch, teilweise auch gerichtsfest festgestellt, dass es so nicht stimmt“, erklärte Gläser. Darüber hinaus handele es sich bei der Beschreibung um eine „Verharmlosung des Holocausts“, wenn ein privates Treffen in eine Reihe gestellt würde mit der Wannseekonferenz von 1942. Pressesprecher Eike Stegen erläutert die Zusammenhänge auch in den Ausstellungsräumen. Benjamin Pritzkuleit/Berliner Zeitung Auf den Infotafeln steht: „Im Januar 2024 veröffentlichte das Netzwerk Correctiv seine Recherchen über ein Treffen der neuen Rechten in einer Villa in Potsdam. (...) Schnell kursierte der Begriff ‚Wannsee 2.0‘.“ Als gesichert gilt: Die Kernaussagen aus dem Correctiv-Bericht über das Treffen in Potsdam, bei dem Rechtsextreme einen „Masterplan zur Ausweisung von deutschen Staatsbürgern“ besprochen haben sollen, ließen sich laut Zeugen in der von Correctiv beschriebenen Darstellung nicht bestätigen. Dies berichtete die Zeit. Die Berliner Zeitung hatte zuvor vielfach über mutmaßliche Fehler in der Correctiv-Recherche berichtet. Gläser hat angekündigt, Rechtsanwälte zu beauftragen, die gegen das Museum vorgehen sollen. Darüber hinaus will er auch die Bundesregierung befragen, die das Haus der Wannseekonferenz gemeinsam mit dem Land Berlin finanziert. Rechtsstreit: Abschiebung von Menschen mit deutschem Pass? Klar ist: Gegen ZDF und NDR wurden Unterlassungserklärungen erwirkt, und die Sender verloren den Rechtsstreit. Der Grund: In der Anmoderation eines Beitrags sprach die Moderatorin Marietta Slomka unter anderem davon, dass laut dem Correctiv-Bericht „die Deportation von Millionen Menschen, auch solcher mit deutscher Staatsbürgerschaft“, geplant sei. Im anschließenden Beitrag hieß es dann, es sei auf dem Treffen um die Idee gegangen, auch Menschen mit deutschem Pass abzuschieben. Das Haus der Wannseekonferenz ist immer wieder Ziel antisemitischer Angriffe. Benjamin Pritzkuleit/Berliner Zeitung Laut dem Landgericht Hamburg ist es damit nicht statthaft, davon zu sprechen, dass in Potsdam die Rede war von Ausweisung, Abschiebung und Deportation. „Und tatsächlich tun wir das nicht“, sagt Eike Stegen, Sprecher der Gedenkstätte Haus der Wannseekonferenz, der Berliner Zeitung. „Wir nehmen bewusst diese Sprache nicht auf“, verteidigt Stegen sein Museum gegen die Vorwürfe. Die Gedenkstätte benutzt auf den Infotafeln das Wort Vertreibung – nicht Deportation. „Jetzt kann man sagen, das ist Wortklauberei, aber so ist es nun mal, Sachen konkret zu benennen“, erklärt der Sprecher. Auch sei auf den Infotafeln von Menschen die Rede, nicht von deutschen Staatsbürgern. „Tatsächlich geht es in vielfachen AfD-Äußerungen immer wieder um eine millionenfache Vertreibung, also darum, dass Millionen remigriert werden müssten.“ Stegen räumt aber ein, dass es sich bei Vertreibung um eine Zuspitzung handelt, einen „flexibleren“ Begriff. Tatsächlich hat das Gericht das Wort Vertreibung nicht beanstandet. Auf Infotafeln werden Kontroversen um die Gedenkstätte dargestellt. Benjamin Pritzkuleit/Berliner Zeitung Bezüglich des Begriffs Wannsee 2.0., den der AfD-Politiker ebenfalls in seinem Video kritisiert, hält Stegen fest, dass es sich bei dem Wort in seinem Kontext um eine Beschreibung handele, die man sich nicht zu eigen mache. Lange Gedanken habe man sich im Museum über den polemischen Begriff „völkische Deportationsfantasien“ gemacht. Stegen: „Das ist eine Fantasie, die wir Leuten unterstellen.“ Auf einer anderen Tafel des Museums steht – zwar nicht explizit, aber so erklärt es der Pressesprecher –, dass Massenmord nicht das Ziel des Potsdamer Treffens vom November 2024 war.