Merz, der glaubwürdige Schuldner: Ich zahle Kredit zurück Von: Mike Schier Drucken Teilen Friedrich Merz schwört seine CDU beim Kleinen Parteitag auf die neue Regierung ein. Die Partei stellt sich hinter ihn. Doch Euphorie kommt keine auf. Von den teils überraschenden Personalentscheidungen sind nicht alle begeistert. Er steht ganz kurz vor dem Ziel. Mehr als zwei Jahrzehnte hat Friedrich Merz daran gearbeitet, Bundeskanzler zu werden. Dafür ist er am Montagmittag, eine gute Woche vor seiner Wahl, bemerkenswert ruhig, als er beim Kleinen Parteitag in Berlin vor seine CDU tritt. Er hat der Partei zuletzt einiges abverlangt: eine massive Neuverschuldung, die die Union immer abgelehnt hatte. Einen Koalitionsvertrag mit der SPD, den nicht alle in der CDU bejubeln. Und eine Ministerriege, in der die Bundestagsfraktion eher die zweite Geige spielt. „Ich habe damit einen Kredit in Anspruch genommen“, sagt Merz an seine Partei gerichtet. „Und einen Kredit muss man – jedenfalls wenn man ein glaubwürdiger Schuldner sein will – auch wieder zurückzahlen.“ Will heißen: Er will liefern. Er will der Union – er will Deutschland – das geben, was sich so viele wünschen. Eine bessere Regulierung der Migration, eine Modernisierung der Wirtschaft, eine schlagkräftige Landesverteidigung. Man werde große Teile der Versprechen aus dem Wahlkampf einhalten können. Merz spricht sehr ruhig. Ernste Zeiten brauchen einen ernsten Ton. Die Wahlkampfzeiten sind vorbei. Das gilt vor allem in Richtung SPD. „Wir haben jeder dafür gekämpft, gerade nicht mit dem anderen regieren zu müssen“, erinnert er an die hitzigen Redeschlachten. Woher solle da nun Euphorie kommen? Nein: „Wir bilden eine Arbeitskoalition.“ Er könne die gemachten Kompromisse aber „mit gutem Gewissen“ zur Abstimmung stellen. Minister der Union unter Kanzler Merz: Finale Liste da – das Kabinett in Bildern Fotostrecke ansehen Merz will „mehr Eigenverantwortung und höhere Effizienzen“ Merz versucht, die Kritik in den eigenen Reihen aufzunehmen. Vor allem die Jungen hatten bemängelt, es stehe zu wenig über die Zukunft der Sozialsysteme im Koalitionsvertrag. Er nehme das sehr ernst, sagt Merz. Nur mit mehr Geld lasse sich die Schieflage nicht auffangen. Man müsse aus der Spirale höherer Beiträge und Steuerzuschüsse raus. „Wir brauchen mehr Eigenverantwortung und höhere Effizienzen im System.“ Mit seinen Personalien hat Merz die CDU durchaus überrascht. Digitalisierung und Modernisierung seien zentrale Aufgaben der neuen Regierung. Deshalb setzt der 69-Jährige, der selbst einen längeren Ausflug in die Privatwirtschaft gemacht hat, auf Quereinsteiger: Katherina Reiche, zuletzt Energiemanagerin, für Wirtschaft und Karsten Wildberger, bislang Chef von MediaMarkt und Saturn, fürs Digitale. Das Land habe viele Ressourcen – man müsse sie nutzen. Da geht‘s lang: CDU-Chef Friedrich Merz mit seinem Generalsekretär Carsten Linnemann gestern beim Kleinen Parteitag. © John MacDougall/AFP Nicht alle in der CDU sind mit Merz‘ Kabinett einverstanden Doch eine Partei wäre keine Partei, gäbe es nicht die Unzufriedenen. Nicht nur der Arbeitnehmerflügel hadert mit der Ministerriege. Der CDA-Chef Dennis Radtke nennt es in der SZ „befremdlich und falsch, dass kein Vertreter der christlich-sozialen Wurzel unserer Partei Teil des Kabinetts ist – das hat es von Adenauer bis Merkel nie gegeben“. Einseitigkeit helfe nicht, wenn „die öffentliche Wahrnehmung der CDU an vielen Stellen kaltherzig und unsozial ist“. Gegrummel gibt es auch aus Niedersachsen, weil man keinen Minister stellt, die Landesverbände in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein dagegen zwei. Auch in der Fraktion fühlt sich mancher übergangen. So wird schon deutlich, was Carsten Linnemann dem künftigen Kanzler mit auf den Weg gibt: „Die CDU Deutschlands wird nicht die Außenstelle 1a des Bundeskanzleramtes werden“, sagt der Generalsekretär. „Sie wird auch nicht sowas wie eine Begleitband sein.“ Immerhin: Gestern bekommt Merz Beifall. Nicht euphorischen. Aber lange und ernst.