Vorwurf der Linken: Forscher erhalten nur eingeschränkten Zugang zu Akten des NSU-Mordes in Hamburg

Statt eines Untersuchungsausschusses soll ein Forschungsteam die Ermittlungen rund um den Mord am Hamburger Lebensmittelhändler Süleyman Taşköprü durchleuchten. Doch nun beklagen die Linken, dass die Wissenschaftler keinen uneingeschränkten Zugang zu den Akten des NSU-Verbrechens erhalten. Anzeige Zwei Monate nach dem Start der wissenschaftlichen Untersuchung des NSU-Komplexes in Hamburg übt die Linksfraktion in der Bürgerschaft Kritik am Ablauf der Aufarbeitung. Demnach erhalte das von dem Landesparlament beauftragte Forschungsteam keinen uneingeschränkten Zugang zu den Akten der Sicherheitsbehörden. Wie eine Schriftliche Kleine Anfrage der Linksfraktion zeigt, bekommen die Wissenschaftler von der Polizei nur jene Akten, die bereits an die Untersuchungsausschüsse anderer Länder und des Bundes geliefert worden waren. „Für eine wissenschaftliche Aufarbeitung ist vollständige Transparenz zwingend notwendig“, sagt der Innenexperte der Linken, Deniz Celik. Vom Landesamt für Verfassungsschutz erhalten die Forscher weiteren Angaben zufolge lediglich Zugang zu einer vom Verfassungsschutz selbst getroffenen Vorauswahl, die umfassend geschwärzt wurde. So gebe insbesondere der Verfassungsschutz keinerlei Akten darüber frei, ob und inwieweit Vertrauensleute des Hamburger Verfassungsschutzes in Verbindung mit dem NSU oder ihren Helfern standen. Anzeige Lesen Sie auch Weltplus Artikel Rechtsextremismus Jung und gewaltbereit – So mischen neue Neonazi-Gruppen die Szene auf „Solange zentrale Akten unter Verschluss gehalten werden und die Rolle von V-Leuten systematisch im Dunkeln bleibt, kann von echter Aufklärung keine Rede sein“, betont Celik. Eine Vorauswahl durch die Behörden und geschwärzte Akten verhinderten, dass die Hintergründe des NSU-Komplexes ans Licht kämen. Celik und seine Parteifreunde fordern die vollständige Freigabe aller relevanten Dokumente und eine lückenlose Untersuchung staatlicher Verstrickungen: „Nur so kann das Vertrauen der von rassistischer Gewalt Betroffenen und der Öffentlichkeit in die demokratischen Institutionen wiederhergestellt werden.“ Mehr als zwei Jahrzehnte nach den tödlichen Schüssen auf den Hamburger Gemüsehändler Süleyman Taşköprü hatte ein Forscherteam Mitte Februar dieses Jahres mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Mordes begonnen, der auf das Konto des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) geht. Die Geschehnisse und Ermittlungen rund um den Mord sollen durchleuchtet und ein unabhängiges Gutachten erstellt werden, wie Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) vor Monaten ankündigte. Die wissenschaftliche Aufarbeitung solle dazu beitragen, „dass sich rechte Gewalttaten und der NSU-Terror in Hamburg nicht wiederholen“. Anzeige Taşköprü war am 27. Juni 2001 im Lebensmittelgeschäft seines Vaters in Hamburg-Bahrenfeld von den NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt erschossen worden. Er hinterließ seine Frau und eine Tochter. Der 31-Jährige war eines von zehn Mordopfern des rechten Terrornetzes NSU um das Trio Mundlos, Böhnhardt und Beate Zschäpe. In den Jahren zwischen 2000 und 2007 ermordeten sie bundesweit acht türkischstämmige und einen griechischstämmigen Kleinunternehmer sowie eine Polizistin. Die Sicherheitsbehörden hatten den Zusammenhang der Taten lange nicht erkannt und zunächst im Umfeld der Opfer ermittelt. Gutachten soll in drei Jahren vorliegen Das Forscherteam in Hamburg nun setzt sich aus Experten mit zeitgeschichtlicher, strafrechtlicher, verwaltungswissenschaftlicher und polizeisoziologischer Expertise zusammen. Es erhalte vollumfängliche Akteneinsicht, „ganz wie ein Untersuchungsausschuss“, sagte Veit im Februar. Es gehe um Hunderte Aktenordner mit Hunderttausenden Blatt Papier bei Polizei und Verfassungsschutz. Ihr Gutachten möchten die Forscher in drei Jahren vorlegen. In der Antwort von Rot-Grün auf die Anfrage der Linken heißt es: „Der Senat unterstützt nachdrücklich und vorbehaltlos die Aufarbeitung des NSU-Komplexes.“ Die Polizei habe seit 2011 sämtlichen Anfragen aus den inzwischen 16 Untersuchungsausschüssen auf Bundes- und Landesebene sowie weiterer Gremien, etwa der Innenministerkonferenz, vollumfänglich entsprochen. Übergabe von Akten der Polizei seien aus der Erinnerung heraus alleine bei den Untersuchungsausschüssen des Bundestages erfolgt. Überdies „bezogen sich Anfragen aus Ausschüssen der Länder jeweils nur auf Freigaben von bei den jeweiligen Polizeien der Länder in den dortigen Aktenbeständen vorliegenden Unterlagen mit Bezug zur Polizei Hamburg.“ Nach Angaben des Senats sind die „langjährigen, unregelmäßigen, teils umfangreichen, teils kleinste Aktenteile betreffenden Anfragen im Einzelnen nicht mehr zu rekonstruieren“. Ablehnungen der Freigabe polizeilicher Akten oder Vollschwärzungen seien Beteiligten nicht erinnerlich. Lesen Sie auch Weltplus Artikel Zuwanderung „Wenn der nächste Anschlag passiert, was macht Merz dann?“