Berlin. Der Stromausfall in Spanien und Portugal wirft Fragen nach der Versorgung hier auf. Deutschland hat aber einen wichtigen Vorteil. Am Dienstagmorgen hatten sie fast alle wieder Strom. Nach dem flächendeckenden Blackout seit Montagmittag und fieberhaften Arbeiten, um das Netz wieder aufzubauen, meldete der spanische Netzbetreiber Red Eléctrica am Dienstagvormittag, 99,95 Prozent der Versorgung seien wiederhergestellt. Die Folgen des großen Stromausfalls in Spanien und Portugal aber werden noch lange diskutiert werden – und das weit über die beiden Länder hinaus. Ist ein solcher Ausfall auch in Deutschland denkbar – und was wäre, wenn? Der Überblick. Stromausfall: Was ist in Spanien und Portugal passiert? Red Eléctrica legte am Dienstag vorläufige Erkenntnisse zum Verlauf des Stromausfalls vor. Demnach habe ein erster Verlust von Leistung im Netz noch ausgeglichen werden können, doch ein weiterer Wegfall kurz danach destabilisierte das Netz weiter. Was folgte, war ein Dominoeffekt, durch den in kurzer Zeit in Spanien, Portugal, kurzzeitig auch in Südfrankreich und Marokko die Lichter ausgingen. In einem solchen Fall würden automatische Abschaltvorrichtungen greifen, sagt Veit Hagenmeyer vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) dem Science Media Center. Diese würden Kraftwerke, Verbraucher, aber auch Stromleitungen und Umspannwerke abschalten, um sie vor Schäden zu schützen. „Daraus entsteht eine regelrechte Kaskade von Abschaltungen, die sich durch das Netz ausbreitet und zu einem großflächigen Stromausfall führt.“ Was das ursprüngliche Problem verursacht hat, war auch mehr als einen Tag nach dem Ausfall nicht klar. Die EU-Kommission kündigte eine eingehende Untersuchung an. Die spanische Justiz leitete eine Voruntersuchung ein, um den Verdacht der „Computer-Sabotage“ zu prüfen. Netzbetreiber Red Eléctrica schließt diese Möglichkeit aber aus. Auch interessant Stromausfall in Spanien Historischer Blackout: Autor erlebte den „Alptraum“ in Madrid Von Ralph Schulze Kann es einen solchen Ausfall auch in Deutschland geben? Deutschland hat ein zuverlässiges Stromsystem, einen landesweiten Blackout wie jetzt in Spanien und Portugal gab es nach Angaben des Übertragungsnetzbetreibers Amprion seit mehr als 80 Jahren nicht. Expertinnen und Experten bewerten einen solchen Ausfall auch für die Zukunft als sehr unwahrscheinlich. Die Bundesnetzagentur betont, dass das deutsche Netz redundant ausgelegt sei, also so, dass andere Leitungen einspringen, wenn eine Verbindung ausfällt. Dahinter stehe das n-1-Prinzip, sagt Joana Niggemann von Amprion: Die Netzbetreiber dürften die Leitungen immer nur bis zu einem gewissen Grad auslasten. „Wenn eine Leitung ausfällt, dann ist immer gesichert, dass der Strom einen anderen Weg nehmen kann und das Netz stabil bleibt.“ Verglichen mit der Iberischen Halbinsel hat Deutschland zudem einen geografischen Vorteil: Die Bundesrepublik liegt zentral in Europa, umgeben von Nachbarstaaten. Diese könnten kritischen Netzsituationen über die vielen Grenzkuppelstellen Strom liefern und das Netz stabilisieren, sagt Niggemann. Für Spanien und Portugal heißen weniger Verbindungen ins Ausland auch weniger Möglichkeiten zum Ausgleich. Exklusive Politik-Hintergründe – für Sie recherchiert Wie gut sind die Sicherheitsbehörden auf einen Angriff auf das Stromnetz vorbereitet? Krankenhäuser, Kraftwerke und Landwirtschaftsbetriebe – überall wird digitalisiert. Das vereinfacht Abläufe, beschleunigt Verfahren. Aber es birgt auch Risiken. Seit der Corona-Pandemie, vor allem aber mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat die deutsche Cyberabwehr hochgerüstet. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) betreibt das nationale Lagezentrum. Der Verfassungsschutz bekämpft Sabotageaktionen in Deutschland, die Bundeswehr hat das Cyberkommando aufgebaut. Doch Fachleute sagen: Schutz vor Cyberangriffen auf die Infrastruktur muss besonders vor Ort aufgebaut werden, in den Gemeinden, in den Kraftwerken und Klinken. Seit 2015 richten Kommunen sogenannte „Katastrophenschutz-Leuchttürme“ ein – Orte, an denen im Ernstfall Wasser und Essen vorrätig ist. Räume, die im Winter beheizt werden. Dort gibt es zudem Informationen aus den Lagezentren. Diese „Leuchttürme“ werden oft von Feuerwehrwachen betrieben, sie gelten als das Herzstück der Notfallversorgung im Katastrophenfall. „Zugleich hat auch der deutsche Katastrophenschutz Schwächen“, sagt Dietrich Läpke unserer Redaktion. Er war lange Leiter Akademie für Krisenmanagement und berät heute Kommunen beim Katastrophenschutz. Feuerwehr, Polizei und Rettungskräfte nutzen heute Digitalfunk. „Hier ist aber die dauerhafte Notstromversorgung etwa für die Verbindungsmasten ein Risikofaktor“, sagt Läpke. Auch interessant Millionen ohne Strom Massiver Blackout in Spanien: Wie sollte man sich verhalten? Von Ferdinand Heimbach Wie gut funktioniert die Versorgung von Kranken und Alten? Per Verordnung ist in Deutschland geregelt, was zur sogenannten Kritischen Infrastruktur, kurz Kritis, gehört: Kraftwerke, Krankenhäuser, auch Medien. Vor allem Kliniken sind verpflichtet, sich für mindestens 24 Stunden mit Notstrom zu versorgen. Lebenswichtige Operationen können Ärzte weiter fortsetzen. Dies können zum Beispiel dieselbetriebene Generatoren, aber auch Batterieanlagen sein, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, dieser Redaktion. „Aufgabe dieser Aggregate ist es, lebenswichtige Prozesse aufrechtzuerhalten. OPs sollen im Fall eines Stromausfalls zu Ende geführt oder lebenserhaltende Geräte weiter betrieben werden können“, so Gaß. Laut Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, kurz BBK, soll die Notstromversorgung bei Kritis-Betreibern mindestens 72 Stunden, ohne Nachbetankung von außen, betrieben werden können. Krisenmanager Läpke weist auf eine Schwachstelle hin: die Versorgung von älteren Menschen. Denn Altenheime und Pflegeheime fallen nicht unter die Kritische Infrastruktur. „Ältere Menschen in den Heimen sind bei längerfristigen Stromausfällen einem Risiko ausgesetzt, dass wichtige Versorgung mit Wasser und medizinischen Geräten etwa zur Dialyse nicht mehr funktionieren. Hier müssen sich Betreiber, Kommunen und andere Gedanken machen“, sagt Läpke. Fahren bei einem Blackout die Züge noch? Wer am Montagnachmittag in Spanien im Zug saß, steckte erst einmal fest – ohne Strom herrschte Stillstand auf den Schienen. Das wäre auch in Deutschland bei einem Blackout nicht anders, sagt der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn, Karl-Peter Naumann: „Es würde kein Zug mehr fahren.“ Es gebe kein eigenes flächendeckendes Notfallnetz bei der Deutschen Bahn, über das der Betrieb fortgesetzt werden könnte. Auch Signale und Funk dürften dann nicht funktionieren. Die Deutsche Bahn wollte sich nicht konkret zu den Folgen äußern, verweist aber auf einen hohen Vernetzungsgrad: „DB Energie hat mit Abstand (99,9%) die höchste Versorgungssicherheit aller Stromnetzbetreiber in Europa“, heißt es auf Anfrage. Wie können sich Bürgerinnen und Bürger vorbereiten? Die Katastrophenschützer raten dazu, für den Notfall alternative Lichtquellen bereitzuhalten: Taschenlampen, Kerzen und Streichhölzer oder Feuerzeuge, Camping- oder Outdoorlampen. Außerdem solle man darauf achten, dass Telefone und Laptops geladen sind oder gegebenenfalls Ersatzakkus bereit haben. Auch solarbetriebene Powerbanks könnten nützlich sein. Außerdem rät das BBK, ein batteriebetriebenes Radio oder Kurbelradio zu Hause zu haben, um bei einem längeren Ausfall Mitteilungen der Behörden empfange zu können.