Daniel Cohn-Bendit 80 Jahre: Politik bleibt seine Leidenschaft

Dany le Rouge – der rote Dany. So wird Daniel Cohn-Bendit in Frankreich genannt, seit er im Pariser Mai 1968 als Wortführer die Revolte befeuerte, die damals das ganze Land erfasste. Die roten Haare, deretwegen er den Spitznamen „der Rote“ bekam, sind längst grau, und auch seine politische Gesinnung hat schon lange von rot zu grün gewechselt. Ein durch und durch politischer Mensch ist er geblieben. Doch ein politisches Amt übt er nicht mehr aus. „80 ist genug“, sagt Cohn-Bendit, der an diesem Freitag im Théâtre du Soleil seiner Freundin Ariane Mnouchkine in Paris seinen 80. Geburtstag feiert. Die Politik hält ihn aber weiterhin gefangen; mit Büchern und Stellungnahmen in Medien versucht er, sie von außen zu beeinflussen. Nur kämpft er nicht mehr wie 1968 für den Ausbruch aus versteinerten Verhältnissen, sondern für die Rettung der parlamentarischen Demokratie vor Populisten, Trumpisten und Putin-Freunden. In seinem gerade erschienenen Buch „Zurück zur Wirklichkeit“, das er zusammen mit dem Politologen Claus Leggewie verfasst hat, wirbt Cohn-Bendit trotz der widrigen Entwicklung des Weltgeschehens dafür, nach vorne zu blicken und nicht aufzugeben. Das ist überhaupt eine der größten Stärken dieses immer noch leidenschaftlichen Zeitgenossen: dass er selbst in schwierigsten Situationen nie den Kopf in den Sand gesteckt, sondern immer nach Auswegen gesucht hat. Wie er das tat, können die Franzosen seit dieser Woche in dem Buch „Erinnerungen eines Staatenlosen“ lesen, das er am Dienstag in Paris vorgestellt hat. Damals noch der „rote Dany“, heute eher grün oder grau: Daniel Cohn-Bendit (Mitte) während einer Protestveranstaltung. dpa Tatsächlich war Cohn-Bendit, der in den letzten Kriegstagen in Montauban als zweiter Sohn geflüchteter deutscher Juden zur Welt kam, als Jugendlicher ein Staatenloser. Mit 16 Jahren entschied er sich für den deutschen Pass, weil er als Jude in der Bundesrepublik keinen Wehrdienst leisten musste. Weil er kein französischer Staatsbürger war, konnte ihm 1968 der französische Innenminister die Aufenthaltserlaubnis entziehen. Weltbürger mit Wohnsitz in Frankfurt Es erscheint als eine Ironie des Schicksals, dass Cohn-Bendit ein knappes halbes Jahrhundert später in allen Ehren in die französische Volksgemeinschaft aufgenommen wurde und bald danach zu einem Berater von Präsident Macron avancierte. Cohn-Bendit war es, der später als Ko-Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Europaparlament bei Macron ein gutes Wort für Ursula von der Leyen einlegte, worauf dieser die Wahl der CDU-Politikerin zur Präsidentin der EU-Kommission unterstützte. Cohn-Bendit ist ein Weltbürger mit Wohnsitz in Frankfurt. Dort mischte er einst als einer der Anführer der linksradikalen Spontis im sogenannten Häuserkampf und anderen revolutionären Aktionen und im Stadtmagazin „Pflasterstrand“, dem heutigen „Journal Frankfurt“, an führender Stelle mit – und darf unter anderem das Verdienst in Anspruch nehmen, das massenhafte Abgleiten von Aktivisten dieser Szene in den Terrorismus mit verhindert zu haben. Entscheidend für Cohn-Bendits politische Karriere war sein Eintritt bei den Grünen. Bald wurde er enger Berater von Joschka Fischer, der hessischer Umweltminister geworden war. Sein erstes politisches Amt erwarb Cohn-Bendit 1989 als ehrenamtlicher Stadtrat und Leiter des Amtes für multikulturelle Angelegenheiten. Frankfurt verdankt es nicht zuletzt ihm, dass die aus Menschen vieler Nationen bestehende Einwohnerschaft bis heute überraschend friedlich miteinander auskommt. Den Grünen wiederum half er beim Hineinwachsen ins parlamentarische System, das sie Verantwortung in vielen Regierungen übernehmen ließ.