„Das ist ein unfreundlicher Akt“

Blick vom Versorger „Mosel“ der Deutschen Marine auf ein Minensuchgeschwader der NATO auf Kurs nach Danzig Die russische Marine späht nachts mit Drohnen einen Flottenverband der NATO aus, der nach Danzig fährt. Der gegenseitige Umgang in der Ostsee wird schwieriger. Anzeige Flottenbewegungen und speziell auch die Suche in der Ostsee nach Minen und Altmunition aus den beiden Weltkriegen waren und sind für die Deutsche Marine und die befreundeten Verbände in der NATO Kernaufgaben. Doch seit Russlands Krieg gegen die Ukraine wächst auch das gegenseitige Misstrauen der Marinen in Europas dicht befahrenem Randmeer. Ein Minensuchverband der NATO unter Führung der Deutschen Marine mit elf Booten wurde in der Nacht von Donnerstag auf Freitag in internationalen Gewässern vor der polnischen Küste offenbar von russischen Drohnen ausspioniert. Auch das Satelliten-Ortungssystem GPS funktionierte nachts zeitweise nur eingeschränkt. Der Verband lief das polnische Gdansk (Danzig) am Freitagmorgen im Rahmen des aktuellen, von der Deutschen Marine organisierten Manövers an, das noch bis Ende der kommenden Woche andauert. Anzeige Auf Kriegsschiffen, die „Boote“ genannt werden, etwa Minenjäger, Korvetten oder kleinere Versorger (Tender), sind die Besatzungen kleiner als etwa auf Fregatten. Die Ränge des Führungspersonals auf Booten sind in der Regel entsprechend niedriger als auf Schiffen und damit auch der Umfang von deren Disziplinargewalt. „Ich gehe davon aus, dass diese Drohnen dazu da waren, um uns auszuspähen und auch aus der Reserve zu locken“, sagte Fregattenkapitän Mario Bewert am Freitagmorgen an Bord des Versorgers „Mosel“ mitfahrenden Journalisten, darunter WELT. Die „Mosel“ dient während des laufenden Manövers auch als Führungsschiff des koordinierenden Stabes. Bewert führt den Verband als Commander Task Group. Anzeige Von der „Mosel“ aus wurden die Drohnen mit einer elektronischen Impulswaffe gestört und abgewehrt. „Wir wollen nicht überflogen werden, das ist ein unfreundlicher Akt, und das lassen wir uns nicht gefallen“, sagte Bewert. Registriert habe man in der Nacht auch zwei russische Marineschiffe wenige Seemeilen vom NATO-Verband entfernt. Die russische Marine übt derzeit vor der russischen Exklave Kaliningrad nahe Danzig. Fregattenkapitän Mario Bewert, Kommandeur des aktuellen NATO-Manövers in der Ostsee, an Bord des Versorgungsschiffes „Mosel“ der Deutschen Marine Quelle : Olaf Preuß Einheiten der russischen Ostseeflotte durchqueren die Ostsee regulär und üben dort auch regelmäßig, ebenso wie die NATO. Die Deutsche Marine legt aber Wert darauf, „dass wir deeskalierend wirken“, sagte Bewert. Man habe mit der elektronischen Abwehr der Drohnen „das mildeste Mittel eingesetzt“. Der Verband seinerseits habe die russischen Kriegsschiffe nicht ausgespäht. „Durch russische Drohnen ausgespäht zu werden, das ist leider Teil der neuen Normalität“, sagte Bewert. Auf den Booten des Verbandes wurde nachts erhöhte Einsatzbereitschaft im Rahmen der Stufe „Air Warning Yellow, Surface Warning Yellow“ befohlen, das ist die Warnung vor einer möglichen Bedrohung aus der Luft und durch Überwasser-Kräfte. Auf dem Versorger „Mosel“ wurde dafür nachts das Wachsystem umgestellt, um mehr Soldatinnen und Soldaten mit der nötigen Ausrüstung auf die Stationen zu bekommen. „Kriegsmarsch“ heißt dieser Status. Verbandschef Bewert sagte, trotz der – vermutlich absichtlich herbeigeführten – Störung der GPS-Navigation konnten die NATO-Boote „sicher zur See fahren“, man habe „redundante Informationen“ genutzt. Zum NATO-Verband zählen Boote aus Lettland, Litauen, Belgien, Schweden Norwegen und Deutschland. Ein zuvor ebenfalls beteiligtes niederländisches Versorgungsschiff war am Donnerstag aus der Formation ausgeschert. Die Deutsche Marine führt das aktuelle Manöver in Kooperation mit dem in der Ostsee ständig stehenden Minenjagdverband der NATO durch, dem Verband „SNMCMG 1“. In der Nacht zu Freitag hatten die NATO-Boote die kritische Infrastruktur am Meeresgrund vor der polnischen Küste untersucht, etwa den Zustand von Pipelines und Datenleitungen. Das dient der Verfeinerung des Unterwasser-Lagebildes in der Ostsee. Im Rahmen der hybriden Kriegführung hatten Schiffe unter der Flagge verschiedener Länder seit dem Beginn des Ukrainekrieges im Februar 2022 immer wieder mit treibendem Anker Strom- und Datenleitungen von EU-Mitgliedstaaten an der Ostsee beschädigt – mutmaßlich im Auftrag und Interesse Russlands. Im Spätommer 2022 hatten – vermutlich ukrainische – Täter die Erdgas-Pipeline Nord Stream vor der dänischen Insel Bornholm gesprengt. Die Leitung verläuft von Russland nach Deutschland.