Auch nach 113 Jahren übt der Untergang der Titanic noch Faszination aus. Vor zwei Jahren hat das britische Unternehmen Magellan ein hochaufgelöstes 3D-Modell des Wracks veröffentlicht. Für eine Dokumentation wurde es eingehend analysiert. Dabei wurden Details entdeckt, die bisher nur aus Berichten von Augenzeugen bekannt waren. Anzeige Der Scan ist aus 700.000 Einzelbildern montiert und wurde 2023 von der BBC veröffentlicht. Der Scan zeigt erstmals ein vollständiges Bild des Wracks und ermöglicht es, Details aufzuspüren, die auf früheren Bildern nicht zu sehen sind. Empfohlener redaktioneller Inhalt Mit Ihrer Zustimmung wird hier ein externes YouTube-Video (Google Ireland Limited) geladen. YouTube-Video immer laden YouTube-Video jetzt laden Der Bug der Titanic So zeigt der Scan beispielsweise ein Bullauge, dessen Glas zerbrochen ist. Es wurde mutmaßlich bei der Kollision mit dem Eisberg von diesem zerstört. Bislang waren nur Berichte Überlebender bekannt, die erzählt haben, dass in einigen Kabinen Eis gefunden wurde. Zu sehen sind auch Gegenstände aus dem Besitz der Passagiere, die auf dem Meeresgrund verstreut sind. Grabsteine für Titanic-Opfer in Halifax, Neuschottland, Kanada. Dutzende jener Leichen, die geborgen werden konnten, sind bis heute nicht identifiziert. (Bild: Daniel AJ Sokolov) "Es ist wie an einem Tatort: Man muss die Beweise in dem Kontext würdigen, in dem sie sich befinden", sagte Parks Stephenson, der an dem neuen Projekt beteiligt war, der BBC. "Und einen umfassenden Blick auf das Wrack in seiner Gesamtheit zu haben, ist der Schlüssel, zu verstehen, was hier passiert ist." Die Kessel standen bis zum Schluss unter Dampf Die Auswertung konnte einen weiteren Augenzeugenbericht verifizieren: Überlebende haben erzählt, dass bis zu dem Moment, in dem das Schiff versunken ist, die Lichter an Bord brannten. Der Scan zeigt den Maschinenraum, der sich an jener Stelle befindet, wo das Schiff beim Untergehen auseinander gebrochen ist. Einige der Kessel sind konkav, woraus die Analysten schließen, dass sie in Betrieb waren, als das Schiff sank. Auf dem Heck wurde zudem ein geöffnetes Ventil gefunden, was darauf hindeutet, dass der Generator noch mit Dampf versorgt wurde. Empfohlener redaktioneller Inhalt Mit Ihrer Zustimmung wird hier ein externes YouTube-Video (Google Ireland Limited) geladen. YouTube-Video immer laden YouTube-Video jetzt laden Das Heck der Titanic Einige Männer der Crew schaufelten bis zum Ende Kohle in den Kessel und sorgten so dafür, dass die Lichter an Bord nicht ausgingen. Dadurch war das Deck beleuchtet, und die Rettungsboote mussten nicht in kompletter Dunkelheit zu Wasser gelassen werden. "Sie hielten das Chaos so lange wie möglich in Schach, und all das wird durch dieses offene Dampfventil symbolisiert, das einfach am Heck des Schiffes stand", erzählt Stephenson. Die Arbeiter seien ums Leben gekommen, hätten aber durch ihr heroisches Handeln vielen das Leben gerettet. Anzeige Für die Dokumentation hat sich ein Team um Jeom-Kee Paik noch einmal intensiv mit der Unglücksursache befasst. "Wir haben fortschrittliche numerische Algorithmen, computergestützte Modellierung und Supercomputer eingesetzt, um den Untergang der Titanic zu rekonstruieren", sagte der Wissenschaftler vom University College London der BBC. Die Simulation zeigt, dass das Schiff den Eisberg nur gestreift hat. Das hat eine Reihe vergleichsweise kleiner Löcher in den Rumpf gerissen. Das Schiff war so konstruiert, dass es selbst dann noch schwimmen konnte, wenn vier Kammern des Rumpfes mit Wasser voll liefen. Laut den Erkenntnissen des Londoner Teams wurden jedoch sechs Kammern beschädigt. Löcher nicht groß, aber zu zahlreich "Den Unterschied zwischen dem Untergang der Titanic und dem Nichtuntergang machen Löcher von der Größe eines Blatt Papiers", sagte Simon Benson, Schiffsbauer an der Universität Newcastle. "Das Problem ist, dass sich diese kleinen Löcher über einen großen Teil des Rumpfes erstrecken, sodass das Wasser langsam aber sicher durch die Lecks eindringt." Der Schaden ist nicht zu sehen, da der untere Teil des Bugs im Meeresgrund verborgen ist. Die Titanic war zu ihrer Zeit das weltgrößte Schiff zu Wasser und für den Liniendienst zwischen Southampton und New York vorgesehen. Auf ihrer ersten Fahrt über den Atlantik kollidierte sie mit einem Eisberg und sank am 15. April 1912 etwa 650 Kilometer vor der kanadischen Küste. Dabei zerbarst sie in zwei Teile, die etwa 600 Meter voneinander entfernt in einer Tiefe von 3.800 Metern liegen. Von den geschätzt 2.224 Personen ab Bord kamen mehr als 1.500 um. Damit ist die Titanic bis heute das schwerwiegendste Schiffsunglück in Friedenszeiten. Während die Hälfte der Kinder und drei Viertel der Frauen überlebten, starben 80 Prozent der Männer. Reisende der 1. Klasse sowie weibliche Besatzungsmitglieder hatten die höchsten Überlebensquoten. Hilfe für die Titanic kam 1912 insbesondere aus der neuschottischen Hauptstadt Halifax. Angesichts der vielen Leichen mussten die Kanadier ein System zu deren Verwaltung erfinden. Seither werden zur Identifikation Zettel an Leichenzehen befestigt. In Halifax gibt es auch die meisten Titanic-Gräber. Das Schiffswrack selbst wurde erst 1985 gefunden. Die Dokumentation Titanic: The Digital Resurrection wurde von National Geographic und Atlantic Productions produziert und soll am 13. April im US-Programm von National Geographic ausgestrahlt werden. In Köln ist derzeit die Ausstellung Titanic: Eine immersive Reise zu sehen. In Hamburg eröffnet sie am 17. April. "Die Titanic ist der letzte überlebende Augenzeuge der Katastrophe, und sie hat noch immer etwas zu erzählen", meint Stephenson. "Sie gibt von ihren Geschichten immer nur ein Stück preis. Jedes Mal lässt sie uns mit dem Wunsch nach mehr zurück." (wpl)