Eine von zwei Geschäftsführern des Zentrums für Digitale Souveränität (ZenDiS), einer bundeseigenen GmbH, ist mit sofortiger Wirkung freigestellt worden. Jutta Horstmann war erst im Oktober 2024 zur Geschäftsführerin des ZenDiS berufen worden, um dort die "Strategie zur Stärkung der Digitalen Souveränität" weiter voranzutreiben. Anzeige Markus Richter, zuständiger Staatssekretär im Bundesministerium des Innern und zugleich Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik, hatte bei der Berufung im Oktober noch gesagt, dass "mit der Ernennung der neuen Geschäftsführung die Leitung des ZenDiS gut aufgestellt" sei. Horstmann war zuvor für verschiedene Unternehmen als CTO, COO und CEO tätig und galt in Branchenkreisen als gute Besetzung für den Posten. Das Bundesinnenministerium begründet den Schritt nun mit einer notwendigen "weiteren Steigerung der Effizienz und Geschwindigkeit bei der Verwaltungsdigitalisierung", so ein Sprecher des Innenministeriums, das Alleingesellschafter des ZenDiS ist. "Hierfür gilt es, Prozesse und Kompetenzen zu bündeln." Digitale Souveränität habe für die Verwaltung weiterhin hohe Priorität. Das BMI habe als einen Schritt dieser geplanten Bündelung Jutta Horstmann abberufen – dies sei vorgestern formal vollzogen worden, offenbar ohne vorherige Ankündigung oder Rücksprache mit der Betroffenen. "Dieser Schritt war jetzt notwendig, da bestimmte Fristen zu beachten waren." Welche Fristen damit gemeint sein könnten, ist unklar – in Geschäftsführerverträgen gibt es in der Regel keine Probezeitvereinbarungen. Der zweite Geschäftsführer Alexander Pockrandt ist bislang zumindest nicht abberufen worden. Offenbar ohne Vorwarnung abserviert Horstmann wurde von der Abberufung offenbar kalt erwischt: Noch vorgestern hielt sie in Essen beim Fachtag der Free Software Foundation Europe eine Keynote zu Strategien einer möglichen Loslösung von proprietären IT-Systemen. Teilnehmer der Veranstaltung berichten, dass dort von einem Abschied keinerlei Rede war. Die Geschäftsführerin hatte zuletzt klare Forderungen in Richtung Politik erhoben, die versprochene Ausstattung des ZenDiS auch sicherzustellen – durch den fehlenden Bundeshaushalt würden der Gesellschaft die versprochenen Mittel in Höhe von 40 Millionen Euro jährlich fehlen. "In Relation zu den rund 16,6 Milliarden Euro an Bundesmitteln, die laut einer aktuellen Berechnung in den letzten vier Jahren in Projekte der Verwaltungsdigitalisierung geflossen sind, wären das nur rund 0,25 Prozent des Budgets", hatte die ZenDiS-Geschäftsführerin zuletzt bei einem Interview mit dem eGovernment-Magazin vorgerechnet. Nur ein Bruchteil davon stehe derzeit zur Verfügung. "Angesichts der derzeitigen politischen Weltlage ist das grob fahrlässig", kritisierte Horstmann die Situation. c't D.digital abonnieren c't D.digital abonnieren Alle News und Debatten zum Thema Digitalisierung: Abonnieren Sie jetzt den kostenlosen c't-Newsletter D.digital. E-Mail-Adresse Jetzt anmelden Ausführliche Informationen zum Versandverfahren und zu Ihren Widerrufsmöglichkeiten erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung. Das ZenDiS entwickelt unter anderem die Open-Source-Verwaltungskollaborationslösung OpenDesk, die im November 2024 in Version 1.0 veröffentlicht wurde. Derzeit hat dieser mehr als 70.000 Nutzer. Zudem betreibt die bundeseigene GmbH mit OpenCode ein Code-Repository für die Bundesverwaltung. Angesichts der Schwierigkeiten in den transatlantischen Beziehungen gilt eine stärkere Loslösung von proprietären Lösungen derzeit politisch als gewünscht. Anzeige Als sehr wahrscheinlich gilt in politischen und Branchenkreisen, dass die ZenDiS-Geschäftsführerin dem geplanten Umbau der Zuständigkeiten in der schwarz-roten Bundesregierung zum Opfer fiel. Mit dem neuen Ministerium für Digitalisierung und Verwaltungsmodernisierung, das CDU-geführt sein soll, dürfte auch ein Umzug und Umbau der nachgeordneten Behörden und der bundeseigenen GmbH-Landschaft verbunden sein. Derzeit wird in Berlin noch abgestimmt, welche Bereiche welcher Ministerien künftig dem Digitalisierungsministerium angehören sollen – festgelegt wird dies am Ende mit dem sogenannten Organisationserlass, der aber erst nach Wahl und Ernennung des Bundeskanzlers vollzogen wird. (nen)