Klaas Heufer-Umlauf: „Ich habe einfach Lust auf Neues“

Herr Heufer-Umlauf, Sie präsentieren vom 22. April an das Verbrauchermagazin „Experte für alles“ auf Pro Sieben. Ich habe kürzlich eine Push-Mitteilung von einem Onlinehändler erhalten: „Wir dachten, Ihnen würde unsere Auswahl an Schleifscheiben gefallen.“ Ich habe keine Ahnung von Schleifscheiben. Können Sie mir helfen? Das Gute ist, dass ich davon noch keine Ahnung haben muss, deswegen habe ich diese Sendung. Es ist die einzige Möglichkeit, mich einer Institution zu verpflichten, die mich bildet. Für Leute, die einen etwas geradlinigeren Lebensweg haben, gibt es Universitäten, aber Grenzfälle wie ich fliegen aus dem System. Ich bin nach der Friseurausbildung in den Zivildienst geraten und danach direkt bei Viva gelandet, so wurde ich vom Bildungssystem komplett vergessen. Sollte sich herausstellen, dass Schleifscheiben trotz ihrer trockenen Bezeichnung irre witzig sind, könnten sie es vielleicht in die Sendung schaffen. Ich glaube aber nicht daran, denn die Redaktion sucht Themen aus, die mir einerseits neue Erkenntnisse bringen, andererseits aber auch lustig sein sollen. Bei Ihrer Konkurrenz heißt es zum Beispiel: „Schon nach ein paar Wanderungen waren die neuen Lederstiefel von Dirk Schulz kaputt. Der Onlinehändler reagiert nicht auf seine Reklamation – und er wendet sich an das BR-Verbraucherteam.“ Wie würden Sie da vorgehen? Da könnte man schauen: Wo wollte Dirk Schulz hin, was war sein Ziel? Könnte er dieses Ziel vielleicht auch auf anderem Wege erreichen, als durch die Gegend zu wandern und sich dann über die Schuhe zu beschweren? Oder: Kann man sich Wanderschuhe selbst machen aus dem, was die Katze ins Haus trägt? Sie haben Anfang des Jahres nach sieben Jahren Ihre Sendung „Late Night Berlin“ beendet. Das haben Sie auch damit begründet, dass die Zeit von Late-Night-Shows grundsätzlich vorbei sei. Machen Sie es sich da nicht zu leicht, dem ganzen Genre die Schuld zu geben, wenn bei Ihnen die Luft raus ist? Zumindest die Art und Weise, wie wir Late Night verstanden haben, ist von neuen Erzählweisen und Möglichkeiten überholt worden – diese Kombination aus dem Aufarbeiten der Tagesgeschehnisse und Unterhaltung. Man könnte das bestimmt noch aktualisieren und sich dem reinen Aufarbeiten von bestimmten Vorgängen verschreiben. Das ist aber mehr Journalismus als Unterhaltung. Mir ist in allererster Linie Unterhaltung wichtig. Externer Inhalt von Youtube Um externe Inhalte anzuzeigen, ist Ihre widerrufliche Zustimmung nötig. Dabei können personenbezogene Daten von Drittplattformen (ggf. USA) verarbeitet werden. Weitere Informationen . Externe Inhalte aktivieren Zu Ihrem Abschied haben Sie beschrieben, dass jedes Ereignis mittlerweile live auf X und Tiktok zu Witzen verarbeitet werde, deswegen warte niemand mehr auf die Witze einer Late-Night-Show. Aber man kann solche Plattformen doch auch nutzen, um die besten Gag-Autoren zu finden oder Witze auszuprobieren. So haben wir das ja lange gemacht, und das hat total Spaß gemacht. Aber jetzt habe ich auch einfach Lust auf etwas Neues. Und die Autorinnen und Autoren haben die Chance, für eine neue Sendung mit anderen kreativen Leitplanken zu schreiben. Ich will diese Berechenbarkeit des Formats Late-Night-Show verlassen, das habe ich jetzt einfach sehr lange gemacht. Eine Stärke Ihrer Formate waren immer die zeitlosen Einspieler, die auch auf Youtube sehr gut funktionieren. Führt das eigentlich zu Konflikten mit Pro Sieben, die gerne ihren Streaminganbieter Joyn groß machen wollen? Ich glaube, den Erfolg von Joyn kann man nicht durch das Verhindern von gelebter Kultur erreichen, also indem man Sachen abmeldet, die sich ihren Weg bahnen. Aber so ist das doch zum Beispiel mit den Youtubern von „World Wide Wohnzimmer“ gemacht worden, die auch über Ihre Produktionsfirma Florida TV den Weg zu Pro Sieben gefunden haben, jetzt größtenteils exklusiv auf Joyn laufen und dafür seit vergangenem Sommer von ihrer Community beschimpft werden. Das war eine andere Idee, weil eben das gesamte Produkt zu Joyn geholt worden ist. Bei uns läuft es in erster Linie im Fernsehen und wird dann über Joyn und Youtube weiterverbreitet. Das ist bei einer Online-Solo-Show etwas anderes. Bei mir wussten viele gar nicht, dass es einmal die Woche eine Zusammenfassung meiner Videos gab und das „Late Night Berlin“ hieß. Die kannten nur einzelne, kurze Beiträge aus den sozialen Medien. Und so soll das auch bei der neuen Sendung sein, dass die Story hoffentlich Spaß macht, wenn man das eine ganze Stunde guckt, aber eben auch kleine geschlossene Ideen häppchenweise funktionieren. Ihr Podcast „Baywatch Berlin“ mit Ihren Kollegen Jakob Lundt und Thomas Schmitt, genannt Power-Schmitt, gehört zu den erfolgreichsten Deutschlands. Fühlt es sich komisch an, dass man mit einem spontan gestalteten Laberpodcast mehr Leute erreicht als mit wochenlang vorbereiteten Samstagabendshows? Wenn es jetzt nur andere erfolgreiche Podcasts gäbe, würde sich das komisch anfühlen. Aber dadurch, dass es mein eigener ist, komme ich damit gut zurecht. Diesen allgemeinen Erfolg von Podcasts finde ich so befriedigend, weil er endlich mal diese völlig unbegründete Argumentation widerlegt, die ich mir seit 20 Jahren anhören muss: dass die Leute keine Lust mehr haben zuzuhören. Diese Behauptung hat das Radio kaputtgemacht. Das wird zugeballert mit Trailern und kleinen Impulsen, weil es heißt: Wer soll sich das denn anhören, wenn da einer eine Stunde nur redet? Jetzt wird auch im Radio wieder mehr geredet. Und gleichzeitig findet auf Tiktok das Gegenteil statt. Diese beiden Informationen muss man zusammenkriegen. Mich freut es, dass Podcasts in der gleichen Zeit erfolgreich sind wie Tiktok. „Frank Elstner bewundere ich mit am meisten von allen“, sagt Klaas Heufer-Umlauf. dpa Sie entwickeln mit Ihrer Fernsehproduktionsgesellschaft Florida Entertainment immer wieder neue Formate für Sie und Joko Winterscheidt, anstatt einfach Formate zu produzieren, die im Ausland erfolgreich laufen. Warum ist Ihnen das wichtig? Es macht einfach Spaß. Wir sind im Kern ein Team, das seit vielen Jahren zusammenarbeitet. Und man muss es sich hart erarbeiten, dass man kurz mal diese Meetings hat, in denen Fernsehen so ist, wie man sich das immer vorgestellt hat: Man trifft sich in einem Raum, in dem jeder sagen kann, was er gut findet. Vor einer neuen Show gibt es diesen Moment. Man weiß, dass alles, was man sagt, noch 20 Mal weggeschmissen wird. Aber der Weg macht riesigen Spaß. Und welche Rolle spielt Ihr Podcast-Partner Power-Schmitt in diesen Meetings? Er ist ja schon seit Viva-Zeiten an Ihrer Seite und hat als geschäftsführender Gesellschafter Ihrer Firma heute wahrscheinlich viel zu sagen. Uns will er leider seit Jahren kein Interview geben. Meistens ist es so, dass wir fünf Stunden lang Ideen durch die Gegend werfen, während Power-Schmitt mit versteinerter Miene in der Ecke sitzt und völlig unergründlich für uns ist. Und ganz am Ende sagt er: Machen wir so. Oder: Lassen wir. Und dann ist das Meeting beendet. Bei beiden Aussagen hat er exakt denselben Gesichtsausdruck. „Da würde ich dann ähnlich begeistert stehen wie Angela Merkel beim Karneval“, sagt Heufer-Umlauf über das Moderieren von Sendungen, die ihm selbst nicht gefallen. REUTERS Als sich auf X mal viele Nutzer über die guten Quoten von „Wer stiehlt mir die Show?“ von Joko Winterscheidt freuten, schrieb Moderator Frank Buschmann sinngemäß: Die Quoten von „Ninja Warrior“ auf RTL seien doch viel besser. Gibt es in der Branche Respekt dafür, wenn man Sendungen erfindet, oder zählen am Ende nur die Quoten? Mit der Branche haben wir nicht viel zu tun. Aber jede Show, die man mit Freude macht, hat ihre Berechtigung, auch „Ninja Warrior“. Buschmann und Jan Köppen machen das super. Mir persönlich macht der Prozess des Selberausdenkens einfach großen Spaß. Aber es gibt auch Menschen, die moderieren einfach sehr gern. Die größten TV-Legenden haben nicht zwangsläufig den Anspruch, sich Sendungen auszudenken. Frank Elstner hat das immer gemacht und so das Privatfernsehen miterfunden, den bewundere ich mit am meisten von allen. Aber dann kam Thomas Gottschalk und hat die Herzen im Sturm erobert. Er hat sich nichts ausgedacht, sondern ist mit dem goldenen Hubschrauber auf dem Dach der Stadthalle Böblingen gelandet. Dann ging die Sonne auf. Das war doch herrlich. Man muss einfach das machen, was einem Spaß macht – und nicht das, von dem man glaubt, dass die Leute es sehen wollen. Sonst kommt da nur Scheiße bei raus. Sie sind mit „Joko und Klaas gegen ProSieben“ kürzlich zum ersten Mal auf demselben Sendeplatz wie Stefan Raab auf RTL gelaufen und hatten bessere Quoten. Wie sehr freut man sich da?