Trauer in Rom: Auf dem Petersplatz ist die Trauer noch nicht angekommen
Wenn ein Papst stirbt, steht die Welt für einen Moment still – das möchte man meinen. Aber dem ist nicht so. Ja, nicht einmal in Rom steht sie still. Die Stadt brummt, braust und brüllt am gestrigen Montag wie eh und je, nur Ostern dämpft den Motorenlärm auf ein halbwegs erträgliches Maß. Selbst in der Via della Conciliazione, die auf den Petersdom zuläuft, geht es auch ein paar Stunden nach dem Tod von Papst Franziskus sehr geschäftig zu. Pilger wie Besucher strömen zur Basilika hin, die Läden zu beiden Seiten der Straße stehen offen. Auch in den Petersdom selbst kommen die Menschen wie an jedem anderen Tag; und wie an jedem anderen Tag fotografieren sie mit ihren Handys alles, was ihnen in diesem prächtigen Gebäude interessant vorkommt – und das ist ziemlich viel. Papst Franziskus würde all das Gewusel und Gewimmel gefallen haben, in Maßen jedenfalls, denn er war ein ausgesprochener Menschenfreund. Er liebte das Menschenbad so sehr, dass er sich noch am Ostersonntag, schon schwer gezeichnet, mit dem Auto am Petersplatz an der jubelnden Menschenmenge vorbeifahren ließ. Cathrin ist aus South Carolina. Sie war gerade in der Kirche, als sie die Nachricht von Papst Franziskus' Tod bekam. Am Tag zuvor hatte sie ihn noch im Vatikan gesehen. Franziskus war für sie ein Papst, der sich für Inklusion eingesetzt hat. Diese Tatsache werde sie nie vergessen. © Caimi & Piccinni für DIE ZEIT Magnetschilder mit Bildern von Papst Franziskus © Caimi & Piccinni für DIE ZEIT Schwester Smita aus Kerala, Indien, will auf dem Petersplatz nicht vom Schmerz sprechen. "Ich glaube, er hatte einen gesegneten Tod. Er starb an einem Ostermontag. Er hatte ein erfülltes Leben." Sie lächelt dabei. Schwester Smita ist vor 23 Jahren Nonne geworden, jetzt studiert sie in Rom Psychologie und wird nach Ende des Studiums zurück in ihre Heimat gehen, um den Menschen zu dienen, wie sie sagt. "Dieser Papst war für uns, die wir weit weg von Rom leben, sehr, sehr wichtig!" Besucherinnen und Besucher im Vatikan am Montagnachmittag © Caimi & Piccinni für DIE ZEIT Franziskus war der Papst vom anderen Ende der Welt. Die Argentinierin Maria Boero, die sich mit ihrem Mann gerade in den Petersdom aufmacht, findet aber, er habe ein seltsames Verhältnis zu seinem Heimatland gehabt. "Er ist seit seiner Wahl 2013 nie mehr in seine Heimat zurückgekehrt. Das hat viele in Argentinien doch tief getroffen!" Maria Boero ist mit ihrem Mann nach Rom gekommen, das erste Mal in ihrem Leben, und ausgerechnet da stirbt der Papst aus Argentinien. Ihr Mann sagt, Franziskus habe "die Kirche politisiert". Er habe doch ein zu nahes Verhältnis zum Peronismus gehabt, der argentinischen Spielart des Linkspopulismus. Trotzdem kommt das Ehepaar, bevor es in den Dom eintritt, alles in allem zu einem positiven Urteil über den Papst. Er sei ein "Mann des Volkes" gewesen, und das sei eine sehr gute Sache. © AFP/Getty Images Newsletter Wofür leben wir? – Der Sinn-Newsletter Jeden Freitag bekommen Sie alle Texte rund um Sinnfragen, Lebensentscheidungen und Wendepunkte. Registrieren Mit Ihrer Registrierung nehmen Sie die Datenschutzerklärung zur Kenntnis. Vielen Dank! Wir haben Ihnen eine E-Mail geschickt. Prüfen Sie Ihr Postfach und bestätigen Sie das Newsletter-Abonnement. Diese E-Mail-Adresse ist bereits registriert. Bitte geben Sie auf der folgenden Seite Ihr Passwort ein. Falls Sie nicht weitergeleitet werden, klicken Sie bitte hier . Das Urteil kommt vor der Trauer, so ist es manchmal. Padre Francangelo sagt: "Er war für die Armen, für die Schwachen, für den Dialog, und er lehrte vor allem eines: Barmherzigkeit. Dagegen hat es auch Widerstand in der Kirche gegeben." "Er war ein Mann des Friedens." Filippini und Graciela aus Thier sind auf einer Pilgerreise in Rom. © Caimi & Piccinni für DIE ZEIT "Er hat sich sehr für uns gewöhnliche Leute eingesetzt", sagt Tiffany Jones aus Texas. © Caimi & Piccinni für DIE ZEIT Das aber, findet der 28-jährige Padre aus Brasilien, sei in einer Familie normal. "Wichtig ist nur, dass die Kirche am Ende ihrem Oberhirten folgt!" Trauer empfinde er nicht, denn "der Papst ist jetzt beim Herrn!" Außerdem habe er etwas hinterlassen, das nicht mehr rückgängig zu machen ist. So geschäftig, so menschlich, so nachdenklich und ja, auch fröhlich, geht es auf dem Petersplatz und in der Basilika wenige Stunden nach dem Tod des Papstes zu. Der Tod von Franziskus hat allerdings noch etwas Unwirkliches, noch so präsent sind die Bilder, wie er vom Balkon aus den Segen Urbi et Orbi verteilt, wie er mit seinem Auto an der Menschenmenge vorbeifährt. Die 70-jährige Peruanerin Teresa García sagt: "Ich war gestern noch da, ich habe ihn gesehen, und jetzt soll er weg sein? Das ist kaum zu glauben. Aber so ist wohl das Leben!" Dann nimmt sie ihr Handy aus der Tasche und zeigt ein Bild, auf dem der Papst ihrem fünfjährigen Neffen über den Kopf streicht. "Das wird bleiben!", sagt sie. Der Petersdom bei sonnigem Wetter © Caimi & Piccinni für DIE ZEIT Pilger ziehen mit Kruzifix auf den Petersplatz. © Caimi & Piccinni für DIE ZEIT Am Abend dann wird der Rosenkranz gebetet. Die erste offizielle Gelegenheit, um den Papst zu betrauern. In den nächsten Tagen werden viele weitere folgen.