Wie die konservative Christin Jana Highholder im Netz für den Glauben wirbt

Nein, Beziehungstipps könne sie nicht geben. Wohl aber Ratschläge, „wie gutes Dating“ gelingen könnte, sagt Jana Highholder lächelnd. Gestenreich untermalen dabei ihre Hände die Worte. „Woher weiß ich, ob er der Richtige ist?“, fragt die junge Influencerin mit funkelnden Augen, um danach ihre Zuschauerinnen und Zuschauer zu einem regen Datingleben zu ermutigen: „Wie sollst du sonst jemanden kennenlernen? Wie sonst willst du herausfinden, welchen Charakter diese Person hat?“ Weiterlesen nach der Anzeige Weiterlesen nach der Anzeige Erschienen ist dieses viertelstündige Video vor wenigen Tagen auf einem christlichen Youtube-Kanal. Und Jana Highholder, die bürgerlich Hochhalter mit Nachnamen heißt, ist eine der einflussreichsten christlichen Influencerinnen im deutschsprachigen Raum. Alleine auf Instagram folgen der 26-jährigen Ärztin rund 71.800 Menschen. Von 2018 bis 2020 war sie als Youtuberin im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) unterwegs. Sie ist zudem Autorin mehrerer Bücher und hat einen reichweitenstarken Podcast. „Meine Stärke ist es, zu artikulieren, was Menschen empfinden oder denken, selbst aber nicht ausdrücken können“, beschreibt die gebürtige Koblenzerin selbstbewusst in einem Video-Interview mit unserer Redaktion, was sie tut. „Ich will eine Stimme sein, die aus einer christlich-konservativen Perspektive heraus Antworten auf die Fragen unserer Zeit gibt.“ Pfarrerin: Fundamentalisten haben zu einfache Antworten Dazu zählen auch Fragen wie die nach dem guten Dating, und Highholder macht glasklar, welche Eigenschaften sie sich von einem Partner erwartet: „Es ist entscheidend, was diese Person glaubt, auf welchem Fundament diese Person steht, was er von Ehe hält, wie er Kinder erziehen will.“ Doch sie skizziert in dem Video nicht nur in prägnanten Worten ein traditionelles Familienbild, sie erteilt auch Sex vor der Ehe eine eindeutige Absage: „Ich frage mich, ich frage dich, was genau hat Körperlichkeit zu tun in einem Kennenlernen? Was genau hat Verbindung auf körperlicher Ebene zu suchen, ohne eine dementsprechende Verbindlichkeit?“ Weiterlesen nach der Anzeige Weiterlesen nach der Anzeige Von Theresa Brückner wären solche Sätze auf ihren Social-Media-Kanälen sicher nicht zu hören – auch wenn die Berliner Theologin über ganz ähnliche Themen spricht. Die 38-Jährige ist Deutschlands erste offizielle Digitalpfarrerin in Vollzeit, sie hat rund 22.500 Follower auf Instagram, und sie vertritt sehr viel liberalere Positionen als Highholder. Ihr Hauptanliegen ist, im Internet eine Kirche zu repräsentieren, die für die Menschen und ihre alltäglichen Probleme da ist. Mit Lösungen, die sehr individuell sein könnten, sagt Brückner: „In der evangelischen Kirche gibt es immer eine Bandbreite von Antworten. Bei fundamentalistischen Influencerinnen gibt es dagegen einfache Antworten auf jede noch so fragliche Situation.“ Gott hat den Menschen geschaffen als Gottes Ebenbild, als etwas Wunderbares. Wenn ein Mensch einem anderen genau das abspricht, dann ist das für mich nichts, was christlicher Glaube bedeutet. Theresa Brückner, Berliner Pfarrerin Und Highholder, die sei solch eine christliche Fundamentalistin. Besonders stört sich Brückner daran, dass das erzkonservative Weltbild evangelikaler „Christfluencer” über viele Lebensentwürfe oder gesellschaftliche Realitäten, von denen die Bibel noch nichts wisse, vernichtende Urteile fälle. Scheidung oder Homosexualität werde da kurzerhand zur Sünde erklärt. „Menschen in dieser Form zu diskriminieren und herabzuwürdigen, ist menschenverachtend und furchtbar“, hält die Pfarrerin fest. „Gott hat den Menschen geschaffen als Gottes Ebenbild, als etwas Wunderbares. Wenn ein Mensch einem anderen genau das abspricht, dann ist das für mich nichts, was christlicher Glaube bedeutet.“ Highholder: Evangelische Kirche predigt nicht mehr das Evangelium Highholders Blick darauf ist ein anderer: Sie erzählt im Interview viel von der Sehnsucht junger Menschen nach „Echtheit und Authentizität“, und von biblischen Wahrheiten, die unveränderlich seien und „Orientierung in einer unübersichtlich gewordenen Welt“ bieten könnten. Sie jedenfalls glaube nicht, dass der Mensch alles so machen könne, wie er wolle, und Gott dann seinen Segen dazu gebe. Sie glaube vielmehr, dass es zwei Geschlechter gebe und dass die Ehe ein untrennbarer, lebenslanger Bund zwischen Mann und Frau sei. Weiterlesen nach der Anzeige Weiterlesen nach der Anzeige Die evangelischen Landeskirchen hätten sich davon längst entfernt – und predigten daher gar nicht mehr das eigentliche Evangelium, betont sie: „Die auffälligsten Beispiele dafür sind definitiv die ganze Debatte rund um Familienbilder und Identitäten, da denke ich zum Beispiel an die Rede eines Pfarrers auf dem letzten Kirchentag, der sagte, Gott ist queer.“ Die Kirche versuche, sich selbst neu zu erfinden, „um vermeintlich relevant zu bleiben“. Doch damit werde sie scheitern, ist Highholder überzeugt. Erfolg werde sich vielmehr bei einer Rückbesinnung auf die Bibel einstellen. Unbequeme Meinungen, weil sie zum Beispiel zu konservativ sind, werden heutzutage schnell als rechts oder gar als radikal betitelt. Jana Highholder, eine der einflussreichsten christlichen Influencerinnen Thesen wie diese vertritt Highholder auch in dem Podcast „In Zeiten wie diesen“, den sie zusammen mit einer anderen, überaus einflussreichen, aber auch höchst umstrittenen „Christfluencerin“ aufnimmt: Jasmin Neubauer. Diese arbeitet eng mit dem rechten Youtuber Leonard Jäger („Ketzer der Neuzeit“) zusammen. Martin Fritz von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW), der den gemeinsamen Podcast der beiden jungen Frauen genauer analysiert hat, spricht mit Blick auf Neubauer von einer „Vermählung von Rechtspopulismus und evangelikalem Christentum“. Neubauer ließ bis zur Veröffentlichung dieses Artikels eine Anfrage unserer Redaktion unbeantwortet. Highholder sieht in der Zusammenarbeit mit Neubauer kein Problem. Im Gegenteil: „Unbequeme Meinungen, weil sie zum Beispiel zu konservativ sind, werden heutzutage schnell als rechts oder gar als radikal betitelt“, findet sie. Und sie schiebt hinterher: „Damit wird den Menschen, die diese Meinungen vertreten, direkt das Rederecht genommen.“ Sie spricht davon, dass die AfD bei der Bundeswahl jede fünfte Stimme bekommen habe, und dass man die nicht alle „mundtot“ machen könne. „Ich glaube, dass eine Gesellschaft, die sich als plural versteht, andere Meinungen aushalten muss.“ Religionssoziologe hält Argumente für wenig stichhaltig Auch sie selbst werde mitunter als „rechtskonservative“ oder „rechtsevangelikale Christin“ bezeichnet. „Mit diesen Wortschöpfungen schließt man die Tür zum Diskurs, bevor man sich mit dem anderen überhaupt auseinandergesetzt hat“, bemängelt Highholder. Dabei teile in Wahrheit die Mehrheit der Menschen aber ihr konservatives Verständnis von Geschlechtern, Geschlechterrollen und Familienbildern: „Die meisten Menschen sind heterosexuell und wollen ein Leben lang geliebt werden und bevorzugen, nicht geschieden zu werden“, hält sie fest. „Das ist keine Position vom absolut wahnsinnigen, gesellschaftlichen Rand, der extremistische Ideen vertritt. Das ist die Meinung der Mehrheit.“ Weiterlesen nach der Anzeige Weiterlesen nach der Anzeige Für Prof. Gert Pickel von der Universität Leipzig ist diese Argumentation keineswegs stichhaltig. Denn der Gegensatz zwischen einer Mehr- und einer Minderheit sei konstruiert, sagt der Religionssoziologe etwa mit Blick auf die hohen Scheidungszahlen. Diese Statistiken würden von fundamentalistischen Christinnen und Christen wie Highholder jedoch geflissentlich ignoriert. „Dass so eine Position nur begrenzt mit einer pluralen Demokratie korrespondiert, muss dann schon einmal gesagt werden dürfen“, sagt der Leipziger Religions- und Kirchensoziologe Prof. Gert Pickel. Quelle: privat Generell attestiert Pickel dieser radikalen Gruppe von Gläubigen ein rückwärtsgewandtes und einer Modernisierung entgegenstehendes Bibelverständnis – das im Grunde keine Pluralität zulässt. Die eigenen Überzeugungen stünden somit in einem eklatanten Widerspruch zur Forderung, als legitime Stimme in einem vielstimmigen gesellschaftlichen Diskurs wahrgenommen zu werden. „Dass so eine Position nur begrenzt mit einer pluralen Demokratie korrespondiert, muss dann schon einmal gesagt werden dürfen“, findet der Wissenschaftler. Kritiker wirft Highholder „religiöse Aggressivität“ vor Highholder verteidigt ihre erzkonservativen Haltungen gleichwohl mit Verve. „Wo ist die Gefahr, wenn ein Mann eine Frau heiratet und die beiden eine Familie gründen? Wo ist da die Bedrohung für die gesellschaftlichen Strukturen?“, fragt sie. „Das ist vielleicht alles gar nicht so dramatisch, wie manche das darzustellen versuchen. Dieses Konservative ist doch auch nur ein Lebenskonzept, das gut funktioniert und Frieden im Leben bringt“, beteuert sie ihre Überzeugung. Der Konservativismus selbst sei auch gar nicht das Problem, hebt Martin Fritz von der EZW hervor. Problematisch werde er erst, wenn er im Zuge der allgemeinen Polarisierung, gerade in den Sozialen Medien, aggressiv zugespitzt werde. „Sie bespucken meinen Jesus“, hat Highholder über liberale Theologinnen und Theologen wie die Berliner Pfarrerin Brückner im Podcast mit Neubauer einmal gesagt. Eine derartige religiöse Aggressivität würde man, so Fritz, bei gemäßigten Konservativen oder Evangelikalen nicht finden. Weiterlesen nach der Anzeige Weiterlesen nach der Anzeige Evangelikale – wofür sie stehen und warum ihre Gemeinden so stark wachsen Evangelikale Kirchen stecken viel Kraft in die Mission – und sind damit äußerst erfolgreich: Weltweit wächst die Zahl der Christen zu einem guten Teil gerade deshalb, weil sich die konservative Strömung in sozialen Medien stark vertreten ist und sich eine enorme Reichweite aufgebaut hat. Jetzt lesen Genau deshalb brauche man zur Charakterisierung des Christentums von Highholder oder Neubauer eine eigene Kategorie. Und weil hier eine ähnliche Verschärfung konservativer Positionen zu beobachten sei wie im Rechtspopulismus, dränge sich dafür der Begriff „rechtsevangelikal“ fast schon auf, argumentiert Fritz. Auch Pickel hebt hervor, dass sich die radikal wörtliche Auslegung der Bibel und die Ideologie rechter Parteien an vielen Stellen nahekommen – insbesondere „in ihrer vehementen Ablehnung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt“. Und Berührungspunkte gibt es seiner Einschätzung nach auch im „Verweis auf das eigene Märtyrertum“: „Wie sich trotz hoher Medienpräsenz Vertreter der AfD immer wieder unterdrückt und benachteiligt sehen, verweist auch Frau Highholder auf ‚das Nehmen des Rederechts’“, führt er aus. In beiden Fällen entspreche das jedoch nicht der Wahrheit. Highholder beteuert ihre Dialogbereitschaft In Hinblick auf die Glaubensverkündigung im Netz war Highholder einst eine Pionierin, längst ist sie Vollprofi. Sämtliche Gesetzmäßigkeiten des Business scheint sie aus dem Effeff zu beherrschen, und doch spricht sie von einer immensen Unberechenbarkeit: „Persönlich finde ich es schwierig in der Influencer-Welt, wie schnell man aus der Gunst fallen kann“, sagt sie. „Du kannst fünf oder zehn Jahre für jemanden ein richtig gutes Vorbild sein. Und dann vertrittst du eine Haltung, die dem anderen nicht passt, und dann hat alles, was du jemals gemacht und gesagt hast, keine Bedeutung, kein Gewicht mehr.“ Weiterlesen nach der Anzeige Weiterlesen nach der Anzeige Entsprechend sagt sie auch Rückblick auf ihre Zeit als Youtuberin im EKD-Auftrag etwas scherzhaft: „Die Kirche hat sich ein Pferd vorgespannt, das gut zieht, aber nicht in die Richtungen, die sie wollten.“ Sie selbst sei immer zum Dialog bereit, beteuert sie. Auch zum Deutschen Evangelischen Kirchentag, der vom 30. April bis 4. Mai in Hannover stattfindet, würde sie kommen und mitdiskutieren. Eingeladen habe sie aber niemand.