Kommentar: Wofür private Messenger NICHT gedacht sind

Mitten in die Arbeit am Messengertest in der aktuellen Ausgabe von c’t platzte "Signalgate": Ranghohe Mitglieder der US-Regierung hatten unabsichtlich Informationen über militärische Operationen an Jeffrey Goldberg weitergegeben, den Chefredakteur des Magazins The Atlantic. Goldberg war offenbar aus Versehen in eine Signal-Gruppe mit solchen Inhalten eingeladen worden. Anzeige Ein Kommentar von Sylvester Tremmel Sylvester Tremmel hat Informatik und Philosophie studiert und als Entwickler und Administrator gearbeitet. Jetzt schreibt er für c't und heise online, unter anderem über IT-Sicherheit, Linux, Netzpolitik und Datenschutz. Dass die US-Regierung Signal nutzt, wäre nur dann ein Prädikat für den Messenger, wenn man den beteiligten Politikern Kompetenz in der IT-Sicherheit zuschriebe. In der Folge wurde jedenfalls viel über die Sicherheit des von der US-Regierung für solche Zwecke nicht zugelassenen Messengers diskutiert. Doch auch das sicherste Kommunikationsmittel der Welt hilft nicht, wenn man ohne Kontrolle irgendwelche Leute in geheim zu haltende Chats einlädt. Völlig unangebracht Zudem ist es völlig unangebracht, wenn Politiker sich in Signal-Chats über militärische Operationen austauschen. Der Messenger richtet sich an Privatnutzer und soll das geschriebene Wort ähnlich gut schützen wie ein klassisches Gespräch. Dazu gehört Vertraulichkeit, aber auch das Vergessen von Gesagtem und Getippten sowie die Unmöglichkeit zu beweisen, dass etwas geäußert wurde. Tatsächlich hat die Chatgruppe mit "selbstlöschenden" Nachrichten gearbeitet. Der Messenger verwirft dann ältere Nachrichten allmählich. Und Jeffrey Goldberg kann das Geschriebene zumindest nicht kryptografisch beweisen, weil gute Messenger wie Signal "Abstreitbarkeit" bieten; ihre Nutzer können also kryptografisch unwiderlegbar behaupten, bestimmte Dinge nicht übermittelt zu haben. Solche Features dienen dazu, die Privatsphäre und andere persönliche Freiheitsbereiche zu schützen. Damit sollen Bürger Abwehrrechte gegenüber dem Staat in der Hand behalten. Pflicht zur Rechenschaft Anzeige In einer Demokratie haben der Staat, seine Organe und Repräsentanten solche Rechte nicht. Im Gegenteil, sie haben eine Pflicht zur Rechenschaft! Messenger mit viel Privatsphärenschutz sind daher das völlig falsche Mittel, um politische Entscheidungen voranzutreiben. Solche Diskussionen gehören nicht automatisch gelöscht, sondern dokumentiert, archiviert und – wenn möglich – publiziert. Politiker, die Chatverläufe geheim halten wollen, an denen sie aufgrund ihres Amtes beteiligt waren, haben ihre Aufgabe in einem Rechtsstaat nicht verstanden. Auch diesseits des großen Teichs kommt das leider immer wieder vor. In eigener Sache: c't bei WhatsApp Ihr könnt die c't auch bei WhatsApp abonnieren: Wir schicken werktäglich Einordnungen zu aktuellen Themen und Einblicke in den Redaktionsalltag. (syt)