"Clair Obscur" entführt die Spieler in eine triste Welt, in der nichts ist, wie es auf den ersten Blick erscheint. In einer alternativen Realität der europäischen Belle Epoque kämpfen sich die Spieler durch allerlei Monster, um ihre Welt vor dem Untergang zu retten. Aber ist das wirklich so? Sandfall Interactive spielt in ihrem Erstlingswerk mit Erzählkonventionen und den Erwartungshaltungen der Fans. Anzeige Die Bewohner von Lumière leben auf geborgte Zeit. Jedes Jahr zeichnet eine geheimnisvolle Malerin eine verfluchte Zahl auf einen Monolithen und tötet dadurch ganze Jahrgänge menschlichen Lebens. Aus purer Verzweiflung heraus entsenden die Stadtbewohner jedes Jahr eine Expedition zum Monolithen, um die Malerin zu töten. Jedes Jahr scheitern sie. Mittlerweile sind 67 Jahre vergangen, und die titelgebende Expedition 33 macht sich auf den Weg. Für eine Person wird es nicht nur eine Reise in eine unerklärliche Welt, sondern auch in die dunkelsten Ecken ihrer eigenen Vergangenheit. Bild 1 von 5 "Clair Obscur" angespielt (5 Bilder) Originell und spannend: "Clair Obscur: Expedition 33" entführt die Spieler in eine der ungewöhnlichsten Spielewelten des Jahres. (Bild: heise online ) Von der ersten Minute an durchzieht eine melancholisch-morbide Stimmung die Geschichte. Die Straßen sind spärlich bevölkert und die Cafés sind leer. Die Gebäude verfallen, jeder erinnert sich wehmütig an seine verschollenen oder getöteten Freunde und Liebhaber. Kurz, es ist ganz anders als die Zeit der "Belle Epoque" – der "schönen Epoche" – die Historiker gewöhnlich mit Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts verbinden. Stattdessen regieren in dieser alternativen Realität Tod, Trauer und Verwüstung. Die ungewöhnliche Ausgangslage sorgt anfangs für Verwirrung. Was machen wir hier eigentlich? Was ist diese geheimnisvolle Gommage, die uns heimsucht? Spannend ist es trotzdem. Durch ein paar Andeutungen lichten sich langsam die Hintergründe der Story. Und die hat es in sich: Schon am Ende des ersten Akts kommt es zu einer überraschenden Wendung und zum Schluss wird die Handlung komplett auf den Kopf gestellt. Rundenbasierte Kämpfe mit Echtzeit-Twist Unser Team kann auf dem Weg zum Monolithen die Welt frei erkunden. Dabei setzt Sandfall visuell auf den Tilt-Shift-Effekt, der unsere Figuren wie Miniaturen aussehen lässt. Erst, wenn wir einzelne labyrinthartige Gebiete über ein Tor betreten, wechselt die Sicht in die Schulterperspektive. Überall wimmelt es dann von Gegnern. Elegante Ritter mit Speeren, kleine fliegende Wollknäuel oder große Steinmonster, die ihr Schild in die Erde rammen, um ein Erdbeben auszulösen – die Gegnervielfalt ist groß und wiederholt sich nur am Ende des Spiels. Treffen wir auf Gegner, wechselt das Spiel von der Echtzeit zu den Genre-typischen Rundenkämpfen. Das Team muss die Schwachstellen der Gegner entdecken und sie geschickt attackieren. Jeder Angriff der Gegner kann gekontert werden – vorausgesetzt wir drücken rechtzeitig den Knopf auf dem Gamepad. Im leichtesten Schwierigkeitsgrad "Story" ist das kein Problem. Wer den höchsten Schwierigkeitsgrad "Experte" wählt, wird so einige Male frustriert das Gamepad an die Wand werfen wollen. Anzeige Empfohlener redaktioneller Inhalt Mit Ihrer Zustimmung wird hier ein externes YouTube-Video (Google Ireland Limited) geladen. YouTube-Video immer laden YouTube-Video jetzt laden Jeder der sechs Charaktere hat einen bestimmten Waffentyp und besondere Kampfeigenschaften. Oft ist die Schlagkraft mit Zusatzfaktoren verbunden. Die Florettmeisterin wechselt zwischen den Kampfhaltungen; die Zauberin sammelt Elementar-Pigmente, die sie entfesselt, und unser Schwertmeister muss mit jedem Schlag und jedem Konter seinen Präzisionsrang steigern. Ein simples Erfolgsrezept gibt es nicht. Oft mussten wir in den Spielstunden Waffen, Fähigkeiten und Teammitglieder wechseln, um hartnäckige Gegner zu knacken. Wie üblich regnet es nach jedem Kampf Erfahrungspunkte, die über Attribute wie Stärke oder Verteidigung verteilt werden. Die Skillpunkte fließen in die Fähigkeiten. Makaber: Der Gestaltwandler lernt durch die Leichenteile seiner Gegner neue Kampftechniken. Später im Spiel treffen wir auf Händler, die wir erst besiegen müssen, um besondere Waren zu bekommen. In unserem Lager können wir später im Spiel Waffen und Ausrüstung verbessern. Dort bleibt auch Zeit für ein bisschen Small Talk inklusiver romantischer Verwicklungen. Mit kleinen Schönheitsfehlern So ausgerüstet kommt es zu spannenden und effektreichen Kämpfen im Stil der letzten "Final Fantasy"-Spiele. Anders als die JRPG-Konkurrenz verzichtet "Clair Obscur" auf übermäßiges Grinding. Wir konnten gut Erfahrungspunkte sammeln, ohne ein und denselben Gegner immer wieder zu töten. Das sorgt trotz des eigenwilligen Szenarios für einen flüssigen Spielverlauf, bei dem die Story nicht in endlosem Open-World-Einerlei in den Hintergrund rückt. Es hakt überall dort, wo das Spiel von diesem Spielprinzip abweicht. Kletterpassagen steuern sich hakelig und schwammig. Kleine Rätsel wirken im Vergleich zum Rest des Spiels lieblos hingeklatscht. Manchmal wiederholen sich die Dialoge und viel zu oft fehlt in der offenen Welt durch den Miniaturenlook die Übersicht. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Sandfall inszeniert ihr Abenteuer in einer detailreichen Abenteuerwelt, die von Steampunk bis Dark Fantasy einiges für Auge und Ohr bietet. Die Figuren wurden teilweise durch bekannte Darsteller wie Charlie Cox, bekannt als MCUs "Daredevil", oder Andy Serkis vertont. Kurz, auch die B-Note stimmt. Hoffentlich bleibt es bei "Clair Obscur: Expedition 33" nicht bei einem einmaligen Abenteuertrip in eine der ungewöhnlichsten Spielwelten des Jahres. Fazit "Clair Obscur: Expedition 33" ist der Stoff, aus dem Kulthits geboren werden. Sandfall Interactive mixt ein originelles Szenario und einen eingängigen Kampfstil zu einem spannenden Rollenspielabenteuer. Auch wenn sich das Entwicklungsstudio deutlich von Hits wie "Persona 5" oder "Final Fantasy" inspirieren ließ, gelingt die schmale Gratwanderung zwischen origineller neuer Spielwelt und Kopie. Das liegt auch an der manchmal tiefgründigen Story und den komplexen Figuren. Ein melancholisch-morbides Albtraumabenteuer, das sich in die Herzen vieler Fans spielen könnte. "Clair Obscur: Expedition 33" erscheint am 24. April für Windows, PS5 und Xbox Series. USK ab 16. Es kostet ca. 50 € und ist im Game Pass enthalten. Für unseren Text haben wir das Spiel auf der PS5-Version durchgespielt. (dahe)