Dreht sich das Universum? Theorie sorgt für Diskussionen – Nobelpreisträger ist skeptisch Von: Tanja Banner Drucken Teilen Wie schnell dehnt sich das Universum eigentlich aus? Diese Frage kann derzeit niemand eindeutig beantworten. Auf dem Bild zu sehen ist der Serpens-Nebel. (Archivbild) © IMAGO/Cover-Images Eine unerwartete Theorie will das Rätsel der „Hubble-Spannung“ lösen. Doch ein Nobelpreisträger ist nicht ganz davon überzeugt. München – Seit Jahren sorgt die „Hubble-Spannung“ für Kopfzerbrechen in der Astrophysik: Zwei unterschiedliche Methoden zur Messung der Ausdehnungsgeschwindigkeit des Universums liefern widersprüchliche Ergebnisse. Während die eine Methode, basierend auf Supernovae, eine Geschwindigkeit von etwa 74 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec ergibt, liefert die andere, gestützt auf den kosmischen Mikrowellenhintergrund, nur 67,4 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec. Beide Werte gelten als präzise, Messfehler wurden ausgeschlossen – wie kann es also sein, dass die Werte so stark voneinander abweichen? „Hubble-Spannung“ ist das größte Rätsel des Universums – Forschungsteam will Lösung gefunden haben Ein Forschungsteam unter der Leitung von István Szapudi von der University of Hawaii hat nun eine neue Erklärung ins Spiel gebracht: Das Universum könnte sich um sich selbst drehen. Diese Rotation, so die Theorie, könnte die widersprüchlichen Messungen erklären. In einem mathematischen Modell ergänzten die Forschenden eine minimale Rotation des Universums – und tatsächlich löste sich das Paradoxon in ihren Berechnungen auf. Und zwar, „ohne den aktuellen astronomischen Messungen zu widersprechen“, betont Szapudi. „Besser noch, es ist kompatibel mit anderen Modellen, die von einer Rotation ausgehen. Vielleicht dreht sich wirklich alles“, kommentiert der Forscher die Ergebnisse. Die Forschungsergebnisse, die im Fachjournal Monthly Notices of the Royal Astronomical Society veröffentlicht wurden, deuten an, dass das Universum etwa alle 500 Milliarden Jahre eine Umdrehung vollzieht. Diese Rotation wäre zu langsam, um einfach messbar zu sein, könnte aber dennoch die Expansion des Universums beeinflussen. Nobelpreisträger ist skeptisch: Neue Theorie zur „Hubble-Spannung“ ist „kreativ“ Doch nicht alle sind von der neuen Theorie überzeugt. Der Astrophysiker Adam Riess (Johns Hopkins University) hat 2011 gemeinsam mit zwei anderen Forschern den Physik-Nobelpreis für die Entdeckung der Expansion des Universums erhalten. Er forscht auch heute noch zu diesem Thema und der „Hubble-Spannung“ und äußert sich auf Anfrage von IPPEN.MEDIA eher skeptisch: „Es ist eine kreative Idee, aber die Berechnungen sind noch nicht abgeschlossen.“ Blick in die Tiefen des Universums – So sieht „Hubble“ das Weltall Fotostrecke ansehen Riess bemängelt, dass das Modell auf Newtons Physik basiert statt auf Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie und dadurch wichtige Faktoren wie die dunkle Energie nicht berücksichtigt. Er bezeichnet es als „Spielzeugmodell“, das zwar interessante Ansätze liefert, aber noch weit von einer endgültigen Lösung entfernt ist. Forschungsteam will Rotation des Universums beobachten Unabhängig davon, was Fachmann Riess zu der Studie sagt, plant das Forschungsteam um Szapudi, das Modell weiterzuentwickeln und Wege zu finden, die Rotation des Universums womöglich zu beobachten. Bis dahin bleibt die Frage offen: Dreht sich wirklich das gesamte Universum – oder braucht es doch eine ganz andere Erklärung für die seltsame „Hubble-Spannung“? (tab)