Gareth Evans („The Raid“) legt den nächsten Action-Kracher hin: Ab sofort kann man „Havoc“ bei Netflix streamen. Wenige zeitgenössische, populäre Filmemacher verstehen es so gut, ihre Form mit der Gewalt zu verbinden, die sie zum Gegenstand hat. Gareth Evans ist ein Meister des Chaos. Das hat er vor allem in seinen zwei kultig verehrten „The Raid“-Filmen gezeigt, in der Serie „Gangs of London“ und nun erneut in „Havoc“. Gleich die erste große Actionsequenz am Beginn hat es in sich. Die Kamera ist auf eine Straße gerichtet. Fahrzeuge ziehen vorbe. Dann wird sie nach rechts gerissen und rast plötzlich selbst die Straße entlang. Sie fliegt und kreist um die Autos und Transporter. Man ist mittendrin in der winterlichen, grobkörnig fotografierten Verfolgungsjagd, die sich dort abspielt, als würde einen jemand am Kragen packen und mit übermenschlicher Geschwindigkeit durch diese Welt zerren. Oder wahlweise mit einer Kette an die Fahrzeuge fesseln, ehe man hilflos und mit aller Brutalität durch die Luft geschleudert wird. Später dann, wenn die Prügeleien und Stechereien mit Baseballschlägern, Messern und Hackebeil beginnen, für die Evans‘ Filme berüchtigt sind, dann zuckt man immer wieder innerlich zusammen. Plötzliche Zooms und Schwenks auf grässliche, blutspritzende Wunden. Eine Arm wird gegen die Wand gedonnert. Die Kamera fährt nach oben, als sei sie eine Verlängerung des Körperteils. Der Film selbst stellt sich als dieser Körper aus, der malträtiert, geschändet, zerschossen und zerhackt wird. Abrupte Bewegungen zerreißen und sprengen die Bilder wie reißende Haut und splitternde Knochen. Wenn jemand das Maschinengewehr auspackt, dann vibrieren und wackeln die Bilder mit jedem Schuss. Menschen fliehen und die entfesselte Handkamera taumelt hinterher, dreht sich erschrocken um und setzt dann immer wieder zu verblüffenden Choreographien an, mit denen sie Räume erkundet und Blickwinkel wechselt. Tom Hardy kennt keine Gnade. Foto: Netflix „Havoc“ zeigt beeindruckende, extrem brutale Action Die Actionsequenzen in „Havoc“ sind wieder höchst immersiv gelungen. Ja, sie waren schon virtuoser und kreativer inszeniert; das kann man als Kritik durchaus anmerken. Die Höhepunkte der „The Raid“-Filme oder auch die Atemlosigkeit einer bestimmten Belagerungsfolge in „Gangs of London“ erreicht „Havoc“ zu keinem Zeitpunkt. Dafür hat man die inszenatorischen Tricks von Evans vielleicht doch schon ein paar Mal zu oft gesehen. Und vielleicht verliert sich das dieses Mal etwas im monotonen, unübersichtlichen Gewackel und Taumel der Kamera. Nichtsdestotrotz ist auch die ultrabrutale Action von „Havoc“ einem Gros des heutigen Genre-Kinos überlegen. Wer sich nur ansatzweise dafür interessiert, muss diesen Film unbedingt sehen, der seit dem 25. April endlich bei Netflix verfügbar ist. Die rohe Brutalität, die Evans beschwören kann, der heftige Phantomschmerz und die Wucht, die seine Kämpfe verströmen; das kann man selten in einer solchen filmischen Intensität und drastischen Konsequenz erleben. Wenngleich dieses neue Werk des Regisseurs, das sich um mehrere Jahre verzögert hatte und eine gefühlte Ewigkeit in der (Post-)Produktion feststeckte, hin und wieder arg zerfasert und labernd anmutet. In der Unterwelt tobt ein Bandenkrieg. Foto: 2025 Netflix, Inc. Tom Hardy im Kampf gegen die Unterwelt Blutrache, Familientragödien, korrupte Cops und Politiker, Generationenkonflikte zwischen den Weltfluchtgedanken der jüngeren und der Gewalt der älteren Generation: Da wird Schlagwort um Schlagwort aufgefahren. Eine knappe Stunde muss man sich gedulden, bis es so richtig zur Sache geht. Verhandelt wird davon allerdings recht wenig. Das alles mutet nur wie das wacklig konstruierte Vehikel an, um die zwei bis drei großen Action-Feuerwerke abzubrennen, auf die die Fans des Regisseurs vermutlich am ehesten gewartet haben. Im Kern ist in „Havoc“ sowieso alles ganz klassisch und traditionsbewusst gestrickt. „Havoc“ fühlt sich wohl in den vertrauten Elementen des Gangsterfilms und Film Noir, wenn er Tom Hardy als gebrochenen Polizisten und Antihelden nach einem geplatzten Drogendeal durch die kriminelle Unterwelt schickt. Neonlichter, Dampf steigt in den engen, schmutzigen Gassen auf. Raues Wetter, Düsternis – Man kennt solche Bilder zuhauf. Und bei allem Generationenkonflikt und aller Tragik, die hier in Blut getaucht wird, schlummert darin vielleicht doch ein recht muffiger Konservatismus, der nicht vom Glauben an solche raubeinigen, moralisch flexiblen Gestalten abrücken kann. Am Ende sind sie es, die mit ihren unorthodoxen Methoden den Tag im Chaos der Gegenwart retten sollen. Auch wenn ihre Mission einem Selbstmordkommando gleicht. „Havoc“ ist seit dem 25. April 2025 bei Netflix verfügbar. „Havoc | Offizieller Trailer | Netflix“ von YouTube anzeigen Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen. Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube. Inhalt von YouTube immer anzeigen Hinweis: Bei einigen Verlinkungen handelt es sich um Affiliate-Links. Mit einem Kauf über diesen Link erhält DIGITAL FERNSEHEN eine kleine Provision. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.