Tennistalent Mariella Thamm: Vielversprechende Perspektiven

Die Zukunft des deutschen Tennis liegt manchmal im Verborgenen. Zum Beispiel im Wald von Offenbach, ganz weit hinten auf der Anlage des Tennisclubs Waldschwimmbad, auf den Plätzen 6, 7 und 8. Dort spielen nebeneinander drei junge Frauen, die Hoffnung machen: Ida Wobker, 14 Jahre jung und kürzlich im Halbfinale eines ITF-Turniers in Antalya. Eva Bennemann, 17 Jahre alt und seit dem Juniorinnen-Wettbewerb bei den Australian Open im Januar mit Grand-Slam-Erfahrung. Und zu guter Letzt Mariella Thamm, die mit ihren 15 Jahren die jüngste Spielerin unter den Top 800 der WTA-Weltrangliste ist. Eine nach der anderen sind die drei deutschen Teenager ins Achtelfinale des ITF-Turniers der weltbesten Nachwuchsspieler eingezogen. Eine Runde weiter schafften es ihre 16 Jahre alten Landsfrauen Julia Stusek und Sonja Zhenikhova sowie Wobker. Wie es scheint, ist es ums deutsche Damentennis nicht so schlecht bestellt, wie so mancher Schwarzmaler vermutet. „Wir haben Talente, die viel mitbringen“ Torben Beltz sieht als Damen-Bundestrainer vor allem das Gute. Vom Leistungsvermögen der deutschen Teenager zeigt sich der langjährige Erfolgscoach von Angelique Kerber überzeugt. „Wir haben Talente, die viel mitbringen“, sagte Beltz. „Sie haben auf jeden Fall die Chance, vorne mitzumischen. Das ist aber ein langer Weg, auf dem sie sich noch entwickeln müssen.“ Geduld zu haben, gilt auch für die Tennisfans, die sich nach den fetten Jahren der Generation Angelique Kerber, Andrea Petkovic, Julia Görges und Sabine Lisicki nach neuen Erfolgen sehnen. Derzeit stehen nur drei deutsche Damen unter den besten 100, die Hamburgerin Eva Lys ist auf Platz 68 die am höchsten eingestufte. Dahinter stehen Tatjana Maria (Platz 80) und Laura Siegemund (95) mit ihren 37 Jahren im Herbst ihrer Tenniskarriere. Spiele verloren, Erfahrung gewonnen Wie gut, dass die übernächste Generation den Ehrgeiz hat, nicht nur Gleichaltrige zu schlagen, sondern die WTA-Welt zu erobern. Mariella Thamm, gewöhnlich auf der ITF-Turnierserie unterwegs, durfte vor zwei Wochen beim Porsche Tennis Grand Prix schon mal WTA-Höhenluft schnuppern. Ausgestattet mit einer Wildcard des Deutschen Tennis Bunds (DTB), traf die Nummer 712 der Damen-Weltrangliste auf die Russin Erika Andrejewa (Rang 97). Thamm verlor 3:6, 4:6, hat aus Stuttgart aber „viel Erfahrung mitgenommen“. Zum Beispiel erlebte sie, dass sie mit einer fünf Jahre älteren Top-100-Spielerin durchaus mithalten kann. Auch wenn sie gemerkt hat, dass ihr Andrejewa in puncto Matchpraxis einiges voraushat. „Solche Gegnerinnen nutzen jede deiner Schwächen aus. Nach fünf Ballwechseln wissen die, wohin sie die Bälle spielen müssen.“ „Sie hat das ganze Paket“ Was Zuschauer und Gegnerinnen bei Mariella Thamm schnell merken: dass sie einen wuchtigen Aufschlag hat, der ihr viele freie Punkte bescheren kann, und dass sie von der Grundlinie durchweg aggressiv spielt und versucht, ein Match zu dominieren. Er sei „sofort beeindruckt gewesen“, sagte Torben Beltz gegenüber der F.A.Z.: „Sie hat das ganze Paket.“ Die Wildcard in Stuttgart sei vom DTB als eine Art Weiterbildungsmaßnahme gedacht gewesen: „Mariella konnte sehen, wie die Topspielerinnen spielen, wie sie trainieren und was sie im Fitnessbereich machen.“ Die Erfahrung half ihr in Offenbach nur bedingt. An Position zwölf gesetzt, unterlag Thamm im Achtelfinale doch am Donnerstag der an sechs gesetzten Tschechin Julie Paštiková 5:7, 3:6. Ihr Tennisleben organisiert Mariella Thamm mit ihrer Mutter fast wie ein Profi. Sie reist um die halbe Welt, hat in diesem Jahr in Schweden gespielt, in San José (Costa Rica) ein Hartplatzturnier gewonnen, in Barranquilla (Kolumbien) das Halbfinale erreicht und Anfang April auf den französischen Sandplätzen von Cap-d’Ail ihren zweiten ITF-Titel 2025 gewonnen. „Ich bin nur unterwegs. Wenn ich mal zu Hause bin, gehe ich in die Schule“, sagt Mariella Thamm. Aber was heißt schon Zuhause für einen Tennisprofi? Die 15 Jahre alte Badenerin spielt für den Heidelberger TC, geht aber in Frankfurt zur Schule – und zwar einmal pro Woche. Den Rest der Zeit lernt sie online oder trainiert in Leimen oder Stuttgart oder kämpft auf Turnieren um Weltranglistenpunkte. Abwarten und schauen, wie weit sie es mit ihren Fähigkeiten bringt, ist nicht Thamms Art.