FK Bodö/Glimt könnte als erstes Team aus Norwegen in ein Europacupfinale einziehen. Der Gegner im Halbfinale hat es allerdings in sich. Zumindest von der Papierform her. Das Erfolgsgeheimnis der Norweger? Eine besondere Philosophie, der Trainer und ein Ex-Kampfpilot. Ulrik Saltnes weiß noch genau, wie alles anfing. "2016 war ich eigentlich fertig mit Fußball", sagte der Kapitän des FK Bodö/Glimt, der damals in die 2. Liga abgestiegen war. Saltnes war 24 und wollte in Kopenhagen Wirtschaft studieren - knapp neun Jahre später könnte Bodö mit dem Mittelfeldmann als erster norwegischer Klub in ein Europacupfinale einziehen. Selbst CNN berichtet begeistert über die "arctic minnows", die "kleinen Fische" von jenseits des nördlichen Polarkreises. Der heimische Rundfunk NRK fühlt sich an das Märchen vom "Aschenputtel" erinnert, und die BBC fragt vor dem Halbfinal-Hinspiel der Europa League am Donnerstag (21 Uhr/RTL+ und im Liveticker bei ntv.de) bei den in der Liga heftig kriselnden Tottenham Hotspur verblüfft: "Wer ist Bodö/Glimt?" "Beste Rolle, die du im Fußball haben kannst" Saltnes klärt auf: "Wir sind Außenseiter - und das ist die beste Rolle, die du im Fußball haben kannst." Weil keiner etwas erwartet - und das perfekt zur Klubphilosophie passt. Die lautet, keine Ziele wie Titel, Platzierungen oder eine Anzahl an Siegen auszugeben. Ähnlich wie einst beim berühmt-berüchtigten Versprechen von Jürgen Klinsmann beim FC Bayern, geht es einzig und allein darum, jeden Tag ein bisschen besser zu werden. Oder, wie Co-Kapitän Patrick Berg es nennt: Um den Prozess. Der sei in Bodö "das Allerwichtigste". Eingeführt haben sie die Leitidee 2019, im Jahr darauf feierte Bodö die erste von nun vier Meisterschaften. Entscheidend mitgeprägt hat den Ansatz der frühere Kampfpilot Björn Mannsverk, der inzwischen als Mentaltrainer arbeitet. Der Mann, der von sich sagt, er habe nur "minimal" Ahnung vom Fußball, hat Saltnes 2016 überzeugt, es noch einmal mit dem Kicken zu versuchen. "Es geht um mehr als Meditation", erklärte Teammanager Havard Sakariassen den Ansatz. Der frühere Torjäger sprach von einer "Kultur, die alle mitzieht". Die Spieler seien nie zufrieden, es gebe immer Details zu verbessern. "Vorbild für alle andere Mannschaften" Und dann ist da noch Kjetil Knutsen, den Saltnes ein "Trainergenie" und NRK einen "Maestro" nennt. Er kam 2016 als Assistent und wurde im Jahr darauf Chef, die Profis rühmen seine Menschenkenntnis. "Ich hoffe", sagte Knutsen nach dem Viertelfinal-Coup gegen Lazio Rom, "wir sind ein Vorbild für alle andere Mannschaften. Wenn wir es können, können es andere auch." Ganz Bodö mit seinen 50.000 Einwohnern passt ins 62.000 Zuschauer fassende Spurs-Stadium. "Es wird völlig krank!", sagte Rechtsaußen Ole Didrik Blomberg. Das heimische Aspmyra fasst nur 8200, zum Rückspiel haben sich Kronprinzessin Mette-Marit und Prinz Sverre Magnus angekündigt. "Wir werden alles tun", sagte Vorstandschef Inge Henning Andersen, "damit sie ein schönes Erlebnis haben." Und ein Märchen sehen? "Ich glaube nicht an Wunder", sagte Knutsen, "ich glaube an unsere Reise." Die soll - Verletzungen hin, Sperren her - erst am 21. Mai in Bilbao enden.