Jan Ullrich: „Ich bin viele Jahre im Selbstmitleid hängen geblieben“

Jan Ullrich ist wieder in der Mitte der Radsport-Welt angekommen. Mit Lance Armstrong verwirklicht er nun ein Projekt im Schwarzwald – und gerät mit Blick auf die menschlichen Qualitäten des einstigen Tour-Dominators ins Schwärmen. Anzeige Ein großes Wochenende für Jan Ullrich steht bevor. Am 17./18. Mai steigt in Bad Dürrheim/Baden-Württemberg – wo der einstige Rad-Profi mittlerweile auch ein eigenes Museum hat – erstmals das „Jan Ullrich Cycling Festival“. Kein offizielles Rennen, sondern ein Volksfest mit vielen Veranstaltungen und der Gelegenheit, zusammen mit dem 51 Jahre alten Ullrich und weiteren Ex-Weltstars ein paar Runden durch den Schwarzwald zu drehen. Frage: Ihr Gefühl mit Blick auf das Radspektakel? Anzeige Jan Ullrich: Ich bin stolz und freue mich wahnsinnig. Wir wollen die Fans mit den Legenden zusammenbringen, Werbung für den Radsport machen, etwas für die Allgemeinheit und den Nachwuchs tun. Deshalb dürfen Kinder bis 15 Jahre auch kostenlos mitfahren. Wenn es gut angenommen wird, kann es eine langfristige Sache werden. Frage: Neben Ihnen als Gastgeber treten große Namen wie Sir Bradley Wiggins, Mario Cipollini, Andreas Klöden oder Udo Bölts an – das Highlight ist aber natürlich der Start von Lance Armstrong. Werden Sie auch diesmal auf ihn warten, falls es ihn wie bei der Tour 2003 vom Sattel reißt? Anzeige Ullrich: Ich dachte, das große Highlight bin ich?! Und keine Sorge bei uns stürzt keiner. Frage: Ihre Verbindung mit Armstrong ist eng, die Vita ähnlich. Was ist das Wichtigste, was Sie von ihm als Mensch gelernt haben? Lesen Sie auch Weltplus Artikel Doktor Wolfgang Feil Diese zehn Sport-Übungen empfiehlt Deutschlands führender Arthrose-Experte Ullrich: Ich bin viele Jahre im Selbstmitleid hängen geblieben. Er ist ein ganz anderer Typ. Lance prescht nach vorn, er ist sehr diszipliniert in seinem Leben, hat eine Struktur. Da hat er mir sehr geholfen: nie aufgeben, immer weiter machen, Probleme gleich angehen! Das Wichtigste ist aber eigentlich, dass ich das Gefühl habe: Da ist jemand, der mag dich wirklich als Freund. Der zu mir sagt: Ich bin gerne mit dir zusammen, ich helfe dir, wenn du etwas brauchst. Das ist ein Geschenk. Lesen Sie auch Weltplus Artikel Profi-Coach Dan Lorang Ausführlicher Trainingsplan - So schaffen Sie 100 km auf dem Rennrad Frage: Die Festival-Nachfrage ist groß, Ihr Museum brummt, Sie werden von Firmen mittlerweile als Motivations-Redner gebucht. Ganz ehrlich: Hätten Sie damit gerechnet, dass die Resonanz nach Ihrem Großreinemachen mit der Vergangenheit so positiv ist? Ullrich: Ich habe eigentlich mit gar nichts gerechnet. Ich habe es für mich gemacht, weil ich eine Verarbeitung wollte. Die Hoffnung war natürlich groß, dass die Leute mich verstehen. Und Hand aufs Herz: Ich kann mich an kein negatives Feedback erinnern. Dass es so gekommen ist, dass ich noch eine Chance bekommen habe – das ist wunderschön. Vor allem, dass ich meine Identität zurück habe. Die hatte ich viele, viele Jahre verloren. Jetzt bin ich wieder da unterwegs, wo ich mich wohlfühle – im Radsport. Lesen Sie auch Weltplus Artikel Lebensbeichte von Jan Ullrich Und dann kam der Moment, als auch Til Schweigers Lachen gefror Frage: Sie sagten kürzlich über Ihre Söhne Toni (12) und Benno (14), die großes Talent auf dem Rad haben, mit Blick auf einen möglichen Tour-de-France-Start: „Ein paar Jahre noch, dann schlägt’s ein.“ Haben Sie aber Bammel davor, dass der Stempel „Die Ullrich-Söhne“ zu einem großen Rucksack für die beiden werden können? Ullrich: Eins vorweg: Ich habe das mit einem Augenzwinkern gesagt. Aber das ist ein ganz wichtiges Thema! Natürlich haben sie einen großen Namen, das kann Vor- und Nachteile haben. Doch sie müssen und wollen ihren Weg selbst finden. Und dabei sollten wir als Eltern sie unterstützen – und nicht etwas anderes pushen. Ich persönlich finde eine Sportler-Karriere natürlich gut. Ob die Kinder diesen Weg auch mal einschlagen – mal sehen. Im Moment haben sie jedenfalls wahnsinnig Spaß am Radfahren, aber auch am Fußball und am Skifahren. Ich werde mich als Papa Jan Ullrich da zurückhalten.