„Die Aussichten für ein AfD-Verbot sind gestiegen“

„Die Aussichten für ein AfD-Verbot sind gestiegen“ Von: Florian Weber Drucken Teilen Das letzte Wort spricht in der Sache das Bundesverfassungsgericht. © Uli Deck/dpa Die Neueinschätzung der extrem rechten AfD bringt die Debatte über ein Verbot wieder ins Rollen. Das Gutachten wurde häufig als die letzte Hürde bezeichnet, die einem neuen Anlauf für ein AfD-Verbotsverfahren noch im Weg steht. Diese Hürde ist nun weggeräumt und die Einschätzung glasklar: Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) schätzt die AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ ein. Was bedeutet das für die AfD – und ein mögliches Verbot dieser Partei? Bei den Initiator:innen des fraktionsübergreifenden Antrags, der es vor der Neuwahl nicht mehr zur Abstimmung geschafft hatte, löst die Einschätzung des BfV Zuversicht aus. Laut Till Steffen (Die Grünen) muss nun schnell gehandelt und ein AfD-Verbotsantrag auf den Weg gebracht werden. „Worauf wollen wir denn jetzt noch warten?“, sagte er im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau. „Dieses Verfahren des Bundesverfassungsschutzes mit der mehrstufigen Einordnung von extremistischen Parteien in Prüffall, dann Beobachtungsfall und schlussendlich gesichert rechtsextremistisch ist doch genau dafür da, Taten folgen zu lassen. Sonst könnten wir uns das ganze Verfahren auch sparen.“ Einen Antrag auf ein Parteiverbot können nur drei Verfassungsorgane stellen: die Bundesregierung, der Bundesrat oder eben der Bundestag. Ein solcher Antrag würde das Bundesverfassungsgericht dann auffordern, die Verfassungsmäßigkeit der AfD zu überprüfen und sie womöglich zu verbieten. Weiterlesen Wo die Brandmauer mit wehenden Fahnen untergeht Laut Steffen ist die Debatte unter den möglichen Verfassungsorganen innerhalb des Bundestags am weitesten fortgeschritten. Daher sieht er das Parlament in der Pflicht. „Die Abgeordneten, die bisher unentschieden waren, sind nun gefordert, sich nun dazu zu entscheiden, den Antrag zu unterstützen“, sagt er. Dazu sei er bereits mit vielen Abgeordneten im Gespräch. Um das Bundesverfassungsgericht aufzufordern, bedarf es im Bundestag einer einfachen Mehrheit. Das Führungsduo der Linken, Heidi Reichinnek und Jan van Aken, hat im Laufe des Montags bereits seine Zustimmung zu einem AfD-Verbotsverfahren signalisiert. Auch wichtige Stimmen in der Grünen-Fraktion sprachen sich bereits dafür aus. „Wann wäre der Moment, wenn nicht jetzt“, sagte beispielsweise die frühere Grünen-Parteivorsitzende Ricarda Lang beim Kirchentag in Hannover. Es bräuchte allerdings auch die Zustimmung von Union und SPD. Die SPD kündigte eine Beratung mit dem künftigen Koalitionspartner Union an. „Für mich bestätigt sich einmal mehr, dass Vertreter der AfD im Bundestag für Ämter nicht wählbar sind und Demokratinnen und Demokraten nicht repräsentieren können“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast und forderte eine „gemeinsame Antwort des Rechtsstaates“. In der Union sind die Reaktionen gemischt. Gewichtige Stimmen wie der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, forderten am Freitagmittag ein Verbotsverfahren gegen die AfD. „Der Bund muss jetzt zügig ein Verbotsverfahren einleiten, um unsere Demokratie zu schützen“, sagte der CDU-Politiker dem „Spiegel“. Auch ein Flügel der Unionsfraktion äußerte sich bereits in diese Richtung. Der geschäftsführende Bundesvorstand der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA) sagte dem „Stern“: „Die CDA Deutschlands spricht sich daher für ein sofortiges Verbotsverfahren der AfD aus.“ Aus der konservativen Strömung der Unionsfraktion ist am Freitag Gegenteiliges zu hören. Ein Verbotsverfahren sei nicht die richtige Lösung. Es zahle auf die Opfererzählung der AfD ein. Statt sie zu verbieten, müsse man die AfD politisch stellen. So oder so ähnlich lautet häufig die Argumentation. Ob sich Mehrheit für einen AfD-Verbotsantrag findet, ist noch offen Für Steffen ist das etwas, was sich nicht ausschließt. „Von denen, die das Verbot unterstützen, höre ich immer, dass die AfD politisch gestellt werden müsste“, sagt er. „Es ist keine Entweder-Oder-Frage. Wir wollen aber eben beides machen. Ich bin auch für das politisches Stellen.“ Ob sich eine Mehrheit findet, ist also noch offen. Falls es dazu kommt, scheint es aber nach der Entscheidung des BfV immer wahrscheinlicher, dass das Bundesverfassungsgericht für ein AfD-Verbot entscheiden würde, sagt Fabian Wittreck von der Universität Münster. Er gehört zu einer Gruppe von 17 Verfassungsrechtlerinnen und -rechtler:innen, die sich im November vergangenen Jahres in einer rechtswissenschaftlichen Stellungnahme an den Innenausschuss und den Rechtsausschuss des Bundestags gewandt und darin bereits mitgeteilt hatten: Ein AfD-Parteiverbotsverfahren hätte durchaus Aussicht auf Erfolg. „Die Aussichten darauf, dass das Bundesverfassungsgericht für ein AfD-Verbot entscheiden würde, sind nun nochmal gestiegen. Die Entscheidung von heute ist ein wichtiger Mosaikstein, der hinzugekommen ist“, sagt Wittreck im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau. Erst einmal sei es durch die Entscheidung so, dass der Verfassungsschutz jetzt weitere Beobachtungsinstrumente gegen die AfD einsetzen könne. „V-Leute oder Telekommunikationsüberwachung. All das steht ab Montagfrüh zur Verfügung“, sagt Wittreck. Daran ändere auch der Einspruch der AfD gegen die Entscheidung nichts und deren Antrag auf Rechtsschutz. „Da halte ich die Erfolgsaussichten auch für ausgesprochen gering. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat den Rechtsschutzeinspruch der AfD in Bezug auf die Einschätzung der Partei als Verdachtsfall bereits abgelehnt“, sagt Wittreck. „Ich denke, dieser Argumentation werden sie wieder folgen.“ Mit Blick auf eine Entscheidung zu einem möglichen Verbotsantrag sei aber zu beachten, dass ein solches Verfahren einige Zeit dauern würde. Wie lange genau, sei schwierig einzuschätzen. Für den Fall, dass ein entsprechender Antrag des Bundestags beim Gericht eingeht, findet zunächst eine Vorprüfung statt. „Wenn das Verfassungsgericht nach dieser ersten Einsichtnahme in die Akten sagt, da ist was dran und da brennt es wirklich, dann könnte es sowohl die Vorprüfung als auch die Hauptprüfung innerhalb eines Jahres über die Bühne bringen“, sagt Wittreck. „Das halte ich für realistisch.“