Von Trumps Gnaden: «Little Marco» wird langsam ein Grosser Der amerikanische Aussenminister Marco Rubio stand zunächst im Schatten anderer Protagonisten. Nach dem Abgang von Mike Waltz leitet er nun aber gleich vier Institutionen. Seine Strategie zahlt sich aus: Loyalitätsbekundungen gegenüber Trump haben erste Priorität. Im Februar war Marco Rubio in Saudiarabien zu Besuch. Evelyn Hockstein / Reuters Ein russisches Sprichwort lautet: «Auf leisen Sohlen kommst du weiter.» Das Rezept scheint für den amerikanischen Aussenminister Marco Rubio ebenfalls zu funktionieren. Seit Donnerstag ist er auch der Berater für nationale Sicherheit des Präsidenten. Zudem leitet er die Reorganisation der Behörde für Entwicklungszusammenarbeit (USAID) und ist seit Februar der interimistische Chef des Nationalarchivs. Eine solche Ämterkumulation gab es seit Henry Kissinger vor fünfzig Jahren nicht mehr. Die «New York Times» nannte Rubio am Freitag «Minister für alles». Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan. Bitte passen Sie die Einstellungen an. Bisher wurde Rubio in der gegenwärtigen Regierung als Leichtgewicht betrachtet. Ursprünglich galt der gestandene Senator und ehemalige Präsidentschaftsbewerber zwar als Mitfavorit für das Amt des Vizepräsidenten. Doch der politisch unerfahrene, aber talentierte Trump-Loyalist J. D. Vance bekam den Vorzug. Im Schatten von Witkoff Als Rubio im November von Trump zum Chefdiplomaten ernannt wurde, ging ein Raunen durch die «America first»-Bewegung des Präsidenten. Der Sohn kubanischer Einwanderer galt vielen als aussenpolitischer Falke der alten republikanischen Schule. Sie sahen in ihm einen «Neokonservativen» und zogen Rubios Loyalität gegenüber Trump in Zweifel. Seine Bestätigung im Senat bestärkte ihr Misstrauen: Auch alle Demokraten stimmten für Rubio. Im Präsidentschaftswahlkampf 2016 schimpfte Rubio den heutigen Präsidenten noch einen «Hochstapler». Trump wiederum verhöhnte seinen Aussenminister als «little Marco». In den vergangenen Wochen und Monaten schien es, als traue ihm Trump immer noch wenig zu – als habe er Rubio den Posten in seiner neuen Regierung nur gegeben, um die moderaten Republikaner im Kongress zu beruhigen. Mit den wichtigsten aussenpolitischen Verhandlungen betraute der Präsident den Immobilieninvestor und Freund Steve Witkoff. Er führt die Vermittlungen im Ukraine-Krieg, im Nahostkonflikt und nun auch die Gespräche mit Iran. Als Trump gemeinsam mit Elon Musk die Behörde für Entwicklungszusammenarbeit (USAID) im Eilzugstempo zerlegte, war Rubio nicht involviert. Und auch über Trumps Plan, die Palästinenser aus dem Gazastreifen umzusiedeln, war der Aussenminister angeblich nicht informiert. Als Trump und Vance den ukrainischen Präsidenten im Oval Office vor laufenden Kameras beschimpften, biss Rubio auf die Lippen und machte sich mit versteinerter Mine auf dem Sofa möglichst klein. Sollte er sich in seinem Stolz gekränkt gefühlt haben oder inhaltlich anderer Meinung gewesen sein, behielt Rubio dies stets für sich. Wenn er etwas vor laufenden Kameras sagte, dann verteidigte und lobte er stets die Politik des Präsidenten. Beim kürzlichen Besuch des norwegischen Ministerpräsidenten wurde Trump von einem Journalisten gefragt, ob Russland nicht das Hindernis für einen Frieden im Ukraine-Krieg sei. Kiew und Moskau wollten Frieden, antwortete Trump und fragte dann Rubio nach seiner Meinung. «Beide Seiten» müssten einem Ende der Gewalt zustimmen, erklärte dieser und fügte an: «Alle sollten dem Präsidenten dafür danken, dass er ein Friedensstifter ist und versucht, Leben zu retten.» Nach der russischen Annexion der Ukraine 2014 sagte Rubio noch: «Das Wichtigste, was wir tun sollten, ist: Wir sollten dem ukrainischen Volk und der Übergangsregierung helfen, die Souveränität ihrer Nation und ihre Transition zu einer vollständigen Demokratie zu schützen.» Bei einer öffentlichen Kabinettssitzung verteidigte Rubio diese Woche nun Trumps nationalistische Aussenpolitik, die internationale Beziehungen als Nullsummenspiel versteht. Früher seien die USA in ihrer Aussenpolitik von der Frage ausgegangen: «Was ist gut für die Welt?», erklärte Rubio. «Unter Trump gehen wir nun davon aus, was gut für Amerika ist.» Drei Fragen stünden bei der Aussenpolitik im Vordergrund: «Macht sie Amerika stärker? Macht sie Amerika sicherer? Macht sie Amerika reicher?» Ein loyaler «Fussabtreter» – oder doch mehr? Mit seiner Strategie konnte Rubio offensichtlich Trumps Vertrauen in ihn stärken. Am Donnerstag entliess der Präsident seinen Berater für nationale Sicherheit Mike Waltz und übertrug auch dieses Amt zumindest interimistisch seinem Aussenminister. Es ist gut vorstellbar, dass dies zu einer Dauerlösung werden könnte. Während er Waltz feuerte, lobte er Rubio am gleichen Tag: «Marco ist unglaublich. Wenn ich ein Problem habe, rufe ich Marco an. Er löst es.» Waltz stolperte über die «Signal-Affäre». Aus Versehen lud er den Journalisten Jeffrey Goldberg zu einem vertraulichen Chat ein, in dem er einen geheimen Angriff auf Jemen koordinierte. In der Chat-Gruppe befand sich auch Rubio. Doch dieser zeichnete sich auch in jener Situation durch Zurückhaltung aus. Während Waltz, der Verteidigungsminister Hegseth oder auch der Vizepräsident Vance über die Vor- und Nachteile der Operation gegen die Huthi-Miliz diskutierten, schwieg der Aussenminister. Waltz eckte im Weissen Haus aber auch aus anderen Gründen an. Trumps einflussreiche Stabschefin Susie Wiles soll er mit zu wenig Respekt behandelt haben. Gleichzeitig stand der Falke im Umgang mit Iran militärischen Optionen offener gegenüber als etwa Vance oder Witkoff. Rubio gelang es derweil nicht nur, Trump von sich zu überzeugen. Er versuchte auch die Basisbewegung des Präsidenten für sich zu gewinnen. Am Abend nach der Amtseinsetzung besuchte er etwa den Ball der konservativen Jugendorganisation Turning Point USA, im April war er zu Gast im Podcast von Trumps ältestem Sohn Donald junior, und in Washington frequentiert er regelmässig ein bei Trump-Loyalisten beliebtes Restaurant. Während Trump am Donnerstag Waltz aus dem Zentrum der Macht entfernte und ihn für den Posten des Uno-Botschafters nominierte, konnte Rubio seine Position festigen. Trotz seinen vielen Rollen ist jedoch fraglich, wie viel Einfluss der Aussenminister wirklich besitzt. Der Vergleich mit dem mächtigen Kissinger scheint wenig hilfreich zu sein. Rubio sei «ein loyaler, weltenbummelnder Fusssoldat», schrieb die «New York Times» am Freitag. Mit der Mehrfachbelastung habe er nun noch weniger Zeit, um zu reisen. Damit erhalte Witkoff noch mehr Raum, um die wichtigsten Verhandlungen zu führen. Trump habe Rubio womöglich mit so vielen Aufgaben betraut, weil dieser derart gehorsam sei, analysiert «Politico». «Es könnte heissen, dass Trump ihn als Fussabtreter sieht, über den er hinweggehen kann.» Vielleicht schwimmt der amerikanische Chefdiplomat aber auch bewusst mit dem Strom, um auf den richtigen Moment zu warten. Witkoff verfolgt etwa beim Ukraine-Krieg zurzeit die vom Präsidenten bevorzugte prorussische Herangehensweise. Viel hat er dabei bisher nicht erreicht. Sollte er scheitern, könnte Rubio auch in dieser Frage mehr Verantwortung übernehmen.