Lang ist es her: Digg startete 2004 als News-Aggregator, der mit Social Bookmarks funktionierte. Nachdem er weitgehend von der Bildfläche verschwunden war, kaufte unter anderem einer der Gründer nun die Plattform zurück und möchte mit einer Neuauflage durchstarten. Viele dürften sich bei Digg an einen Vorfall aus dem Jahr 2007 erinnern, bei dem die Betreiber vor ihren eigenen Nutzern kapitulierten. Anzeige Das alte Prinzip von Digg geht so: Nutzer konnten dort Links zu Nachrichtenbeiträgen anderer Webseiten als Lesezeichen abspeichern, auf die auch andere Nutzer zugreifen konnten. Jedes Lesezeichen konnte von Nutzern als positiv oder negativ bewertet werden und ließ sich auch kommentieren. Das erinnert stark an Reddit, mit dem Digg in seinen Anfangszeiten in scharfer Konkurrenz stand. Nutzer protestierten gegen Digg Zunächst denken alte Digg-Kenner oft an einen Vorfall aus dem Jahr 2007: Nachdem ein Moderator auf Digg.com Beiträge gelöscht hatte, die den "Processing Key" von HD-DVDs im Klartext enthielten, wurde der Dienst mit Beiträgen zu diesem Thema geradezu überschwemmt. Der Key reichte damals zum Entschlüsseln aller Inhalte von HD-DVDs und Blu-Ray-Discs aus, so ließ sich der Kopierschutz umgehen. Die Digg-Betreiber hatten im Vorfeld offenbar eine einstweilige Verfügung von der Lizenzorganisation Advanced Access Content System Licensing Administrator (AACS LA) erhalten, welche die entsprechenden Beiträge als illegal beurteilte. Doch der Kampf gegen die eigenen Nutzer blieb aussichtslos: Schließlich erklärte Rose öffentlich, dass Digg aufhören würde, die Beiträge zu entfernen. Derweil tauchte der Key auch an zahlreichen anderen Orten im Internet auf, die AACS LA versuchte verzweifelt, dagegen anzukämpfen. Doch schließlich musste sie ihren Kopierschutz erneuern. Weitere juristische Konsequenzen, etwa Strafzahlungen von Diggs an die AACS LA, wurden nicht bekannt. Lesen Sie auch Proteste auf Digg.com als Testfall fürs Web 2.0 Warum sich Digg ausgerechnet jetzt wieder ins Spiel bringen will, sagte Digg-Gründer Kevin Rose dem Portal Techcrunch: Die Landschaft der sozialen Medien sei sehr toxisch, unübersichtlich und voll mit Falschinformationen geworden. Aber mit künstlicher Intelligenz (KI) ließe sich das Problem gut adressieren, glaubt er. Denn in den vergangenen Jahren hätten sich die entsprechenden KI-Lösungen sehr stark weiterentwickelt. Schon im Bruchteil einer Sekunde ließen sich alle kürzeren Nutzerkommentare ausführlich auf Dinge wie Gewalt oder Hatespeech prüfen. Das sei vor einigen Jahren noch nicht möglich gewesen. Die neuen Entwicklungen bei KI würden nun auch erfordern, das eigene Geschäftsmodell von Grund auf neu zu denken. Das sei das Ziel der Komplettüberholung von Digg, die jetzt begonnen hat. Gemeinsam mit Alexis Ohanian, seines Zeichens Mitgründer von Reddit, kaufte Rose Digg kürzlich zurück. Ohanian hat mittlerweile ein weiteres Tech-Startup gegründet, das auf die Investition von Risikokapital spezialisiert ist. Während Reddit heute ein börsennotiertes Unternehmen und eine Plattform mit hunderten Millionen Nutzern ist, liefen die Dinge für Digg nicht so glanzvoll. 2012 wurde Digg für 500.000 US-Dollar an Betaworks verkauft, dem unter anderem auch bit.ly oder Chartbeat gehören. Auch LinkedIn und die Washington Post erwarben Teile von Digg. 2018 übernahm schließlich das Werbeunternehmen BuySellAds die Mehrheit der Digg-Anteile. "Millionen von monatlichen Nutzern" Anzeige Die Zahl der Nutzer ging in den vorigen Jahren wohl stark zurück. Auf der Webseite spricht Digg von "Millionen von monatlichen Nutzern." Was sehr nach einem einstelligen Millionenbetrag klingt, wirkt wie ein starker Rückschritt verglichen mit den rund 40 Millionen Nutzern, die der Dienst zum Höhepunkt seiner Beliebtheit hatte. Digg wollen die beiden Tech-Gründer offenbar eine gründliche Überarbeitung verpassen. Die Vorab-Version ist zurzeit einem geschlossenen Nutzerkreis zugänglich. Und zwar denjenigen, die auf der Webseite ihre E-Mail-Adresse eingeben und im Anschluss eine einmalige Gebühr von fünf US-Dollar bezahlen. Damit sollen laut Digg zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: Unliebsame Bots aus dem sozialen Netzwerk fernhalten und gleichzeitig erste Einnahmen generieren. Zahlungswilligen Nutzern verspricht Digg Zugang zu "Updates, Vorführentwürfen und Experimenten" seiner Neuauflage. Und natürlich Nutzernamen, die sich so frühzeitig sichern lassen. Außerdem würden die zahlenden Nutzer der Vorab-Phase mit einem "Groundbreakers badge" belohnt, einem Abzeichen, welches seinen Träger auf dessen Digg-Profil für alle Zeiten als einen der ersten Nutzer überhaupt – natürlich der neuen Digg-Version – ausweist. Rund 3.000 Nutzer hätten sich bis jetzt (Stand: 10. April) angemeldet, schreibt Techcrunch. Was sich ab jetzt auch außerhalb des erlesenen "Groundbreaker"-Kreises beobachten lässt: Ob das neue Digg es dieses Mal schaffen wird, sich wirksam zwischen Reddit und Co zu positionieren, ob die Nutzerzahlen noch bedeutend ansteigen werden – und ob sich mit KI potenzielle künftige Nutzer-Aufstände niederschlagen lassen. (nen)