Anschlag in Magdeburg: Streit um Opferrechte nach Weihnachtsmarkt-Amokfahrt
Vor dem Prozess zum Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt ist ein Grundsatzstreit über Opferrechte im deutschen Strafrecht entbrannt. Nach Einschätzung der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft Naumburg droht ein Mammutprozess mit Hunderten Nebenklägern. Der Täter war am 20. Dezember 2024 mit einem Auto in den Weihnachtsmarkt gerast, hatte sechs Menschen getötet und fast 300 verletzt. Alle Angehörigen der Getöteten sowie die Verletzten können sich nun theoretisch Anwälte nehmen und sich am Prozess beteiligen. In Sachsen-Anhalt gebe es allerdings keinen Gerichtssaal, in dem so viele Nebenkläger Platz finden, sagte Oberstaatsanwalt Klaus Tewes vergangene Woche dem Spiegel. Bisher hätten sich rund 80 Betroffene als Nebenkläger gemeldet, täglich kämen weitere hinzu. Notfalls, sagte Tewes, müsse der Weihnachtsmarktprozess in ein anderes Bundesland verlegt werden. "Da ist der Bundesgesetzgeber, der es sicher gut gemeint hat, wohl übers Ziel hinausgeschossen", sagte er über das gesetzliche Recht auf Nebenklage. Dieser Einschätzung widerspricht nun der Opferanwalt Thomas Klaus. Er vertritt aktuell 30 Opfer des Anschlags. Der Staat schulde ihnen eine Beteiligung an der Justizaufarbeitung, sagt er der ZEIT. Dafür müssten die Bedingungen geschaffen werden. "Ich habe in 25 Jahren noch keinen Mandanten gehabt, der sich freute, Nebenkläger zu sein", sagt Klaus. Niemand wolle Opfer werden, niemand nehme leichtfertig an einem Strafverfahren teil. "Die Gesellschaft hat zu vertreten, dass sie Opfer geworden sind." © Lea Dohle Newsletter Was jetzt? – Der tägliche Morgenüberblick Starten Sie mit unserem kurzen Nachrichten-Newsletter in den Tag. Erhalten Sie zudem freitags den US-Sonderletter "Was jetzt, America?" sowie das digitale Magazin ZEIT am Wochenende. Registrieren Mit Ihrer Registrierung nehmen Sie die Datenschutzerklärung zur Kenntnis. Vielen Dank! Wir haben Ihnen eine E-Mail geschickt. Prüfen Sie Ihr Postfach und bestätigen Sie das Newsletter-Abonnement. Diese E-Mail-Adresse ist bereits registriert. Bitte geben Sie auf der folgenden Seite Ihr Passwort ein. Falls Sie nicht weitergeleitet werden, klicken Sie bitte hier . Der Staat trage das Gewaltmonopol, er sichere Recht und Sicherheit nicht nur durch Prävention, sondern auch durch wirksame Strafverfolgung. In dieser Hinsicht würden sich Staats- und Opferinteressen überschneiden. "Nebenklage ist keine Gegenklage", sagt Klaus. Beide, Staatsanwaltschaft wie Geschädigte, zielten in der Regel auf Aufklärung und Sühne ab. Der Gesetzgeber sei aus seiner Sicht beim Opferschutz keinesfalls über das Ziel hinausgeschossen. Vielmehr seien die Rechte der Opfer trotz mehrerer Reformen nach wie vor die schwächsten im Verfahren. Das werde schon bei der Finanzierung deutlich: "Die Kosten der Opfervertretung betragen nur einen Bruchteil dessen, was die Gesellschaft für die Versorgung der Täter bereitstellt", sagt Klaus. Der mutmaßliche Todesfahrer Taleb al-Abdulmohsen, ein 50-jähriger Arzt aus Saudi-Arabien, sitzt seit dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Untersuchungshaft. Seit Februar soll in Sachsen-Anhalt auch ein Untersuchungsausschuss des Landtags die Hintergründe der Tat aufklären.