Für die meisten Besucher Barcelonas ist sein Werk ein Weltwunder. 4,8 Millionen Eintrittskarten wurden im vergangenen Jahr für die „Sagrada Família“ verkauft. Die Basilika von Antoni Gaudí ist das am häufigsten besuchte Monument in der katalanischen Hafenstadt und in ganz Spanien. An Verehrern mangelt es dem „Architekten Gottes“ nicht, dessen Heiligsprechung näher rückt, während sein Bauwerk immer weiter dem Himmel entgegenstrebt: Noch in diesem Jahr könnte es zur höchsten Kirche der Welt werden – mit gut 172 Metern höher als das Ulmer Münster, das bisher diesen Rekord hält. In einer seiner ersten Amtshandlungen seit seiner langen Krankheitspause erkannte Papst Franziskus in dieser ­Woche den „heroischen Tugendgrad“ des frommen Architekten an. Der ­katholische Katalane darf nun als „ehrwürdiger Diener Gottes“ bezeichnet werden, bisher war er nur ein „Diener Gottes“. Das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Selig- und Heilig­sprechung, um die man sich in Barce­lona schon seit mehr als 20 Jahren ­bemüht. Dafür fehlt jedoch jeweils noch ein Wunder, das der Vatikan anerkennen muss. Gaudí sei es gelungen, „inspiriert vom Eifer seines christlichen Glaubens“, die Basilika „in ein Gotteslob aus Stein zu verwandeln“, sagte Papst Benedikt XVI. 2010, als er den monumentalen Bau weihte und in den Rang einer Basilika erhob. In seiner neuen Gaudí-Biographie betont Armand Puig, dass man den Architekten nicht von seinem tiefen katholischen Glauben getrennt ver­stehen könne: „Er versuchte, die Stadt Barcelona zu christianisieren.“ Die Pandemie zerschlug den ursprünglichen Plan Aber der Architekt und seine Nach­folger brauchten vor allem Demut und Ausdauer. An Gaudís Lebenswerk wird seit 1882 gebaut – zehnmal so lange wie an der großen Pyramide von Gizeh in Ägypten. Weder Bürgerkrieg noch Wirtschaftskrisen konnten es aufhalten. Dann kam die Pandemie, und die Be­sucher blieben aus. Das Projekt wird fast nur durch Eintritts- und Spendengelder finanziert; knapp 134 Millionen Euro waren das im Rekordjahr 2024. Wegen Covid zerschlug sich der ursprüngliche Plan, Gaudís „Unvoll­endete“ bis 2026 fertigzustellen, dem 100. Todesjahr des Architekten. Nun ist in der katholischen Stiftung, die seit Jahrzehnten ohne staatliche Unter­stützung die Basilika baut, von 2032 oder 2033 die Rede. Eigentlich stammt von Gaudí nur die große Idee. Als er starb, stand nur ein Zehntel davon. Seine von Gotik und ­Natur inspirierte Stilmischung war damals schon wieder aus der Mode. Pablo Picasso, der mehrere Jahre in Barcelona lebte, konnte nichts damit anfangen. Architekten wie Le Corbusier, Walter Gropius und Hunderte andere forderten, Gaudís Erbe nichts hinzuzufügen. Aber mehrere Generationen von Architekten und Künstlern bauten weiter und interpretierten seine Vision. Sie soll den höchsten Berg nicht überragen Nicht weniger als 18 Türme wird die Basilika am Ende haben: zwölf für die Apostel, vier für die Evangelisten, jeweils einer für Maria und Jesus, der alle überragen wird. Mit 172,5 Metern wird er die Basilika bis Ende 2025 in das höchste Bauwerk der Stadt und die höchste Kirche der Welt verwandeln. Nach Gaudís Willen soll sie den höchsten Berg Barcelonas, den 173 Meter ­hohen Montjuïc, nicht überragen. Das hielt er für anmaßend, weil der Berg für ihn ein Werk Gottes war. Den Jesus-Turm wird ein begehbares Glaskreuz krönen, das eine bayerische Spezialfirma konstruiert. In seinem Inneren wird sich eine Skulptur befinden, die Christus als Lamm darstellt. Der ­Jesus-Turm könnte am 100. Todestag Gaudís, am 10. Juni 2026, geweiht werden. Am 7. Juni 1926 hatte ihn auf dem Weg zur Baustelle eine Straßenbahn überrollt. Unerkannt brachte man den eher schäbig gekleideten Schwerverletzten zunächst in ein Armenkrankenhaus. Er wurde in der Krypta seiner Basilika bestattet, von der damals nur ein Zehntel stand. Zu seiner Beerdigung in der Krypta kamen 30.000 Menschen.