Ronen Bar: Netanjahus bisher stärkster Gegner
Als Chef des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet ist Ronen Bar geübt in Diskretion. Seine Vorwürfe gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu machte Bar nicht in einem Fernsehinterview oder einem Post in den sozialen Medien bekannt, sondern in einer eidesstattlichen Erklärung. Zwar veröffentlichte die zuständige Generalstaatsanwaltschaft nur einen kleinen Teil des 31 Seiten langen Schreibens. Die darin geschilderten Vorgänge zeigen aber, dass Netanjahu sich mit Bar seinen bisher stärksten Gegner geschaffen hat. Israels Premier Benjamin Netanjahu (rechts) und Ronen Bar, Chef des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, vor einem Jahr in Tel Aviv © Kobi Gideon/dpa Wie es in der Erklärung heißt, soll Netanjahu vom Schin Bet verlangt haben, politische Gegner zu überwachen. Außerdem sollte Bar im Falle einer Verfassungskrise dem Regierungschef und nicht dem Obersten Gerichtshof folgen. Bar hat es demnach auch abgelehnt, Maßnahmen zu ergreifen, die zu Verzögerungen in einem gegen Netanjahu laufenden Korruptionsprozess geführt hätten. Insgesamt lesen sich die Anschuldigungen wie eine Liste von Versuchen Netanjahus, persönlichen Einfluss zu nehmen auf eine der wichtigsten Institutionen Israels − und auf einen der am höchsten angesehenen Beamten des Landes. Ronen Bar war über Monate leitend bei den indirekten Gesprächen mit der Hamas über eine Waffenruhe in Gaza und die Freilassung israelischer Geiseln, er gilt als verlässlicher Verhandler. Mittlerweile hat Netanjahu Bar abgezogen von dem Verhandlungsteam. Ende März erklärte er zudem, den Geheimdienstchef zu entlassen, weil er das Vertrauen verloren habe in Bar. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass der Schin Bet Untersuchungen im sogenannten Katargate eingeleitet hat. Zwei enge Berater von Netanjahu sollen Bestechungsgeld aus Katar erhalten haben. Katar stellt Unterhändler bei den indirekten Gesprächen mit der Hamas und gilt gleichzeitig als Unterstützer der Terrororganisation. Vergangenes Jahr soll zudem ein Ex-Sprecher Netanjahus geheime Armeedokumente an Medien durchgestochen haben. Netanjahu muss sich auch um seinen Prozess kümmern Die eidesstattliche Erklärung Bars kam zustande, weil sich die Justiz eilig schützend vor den Geheimdienstchef stellte und ihrerseits Untersuchungen einleitete. Der Oberste Gerichtshof setzte Bars Entlassung bis zum 8. April aus und erließ eine einstweilige Verfügung, welche die Entlassung Bars bis zu einer "späteren Entscheidung" in dem Fall blockiert. Die Idee dahinter ist offenbar, dass Netanjahu Bar theoretisch so lange nicht entlassen kann, bis die Vorwürfe der versuchten Einflussnahme geklärt sind. Eine zentrale Rolle spielt bei den Ermittlungen Israels Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara. Auch gegen sie versuchen Netanjahu und seine teils rechtsextreme Regierung seit ihrer Amtsübernahme vor mehr als zwei Jahren vorzugehen. Eine Demonstrantin mit dem Bild der israelischen Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara während eines Protestes gegen die Pläne der israelischen Regierung, diese zusammen mit dem Leiter der Behörde für Innere Sicherheit, Ronen Bar, zu entlassen (Tel Aviv, 27. März 2025). © Jack Guez/AFP/Getty Images Ähnlich wie im britischen Recht hat die Generalstaatsanwältin in Israel die Interessen der Exekutive zu vertreten. Baharav-Miara aber, die erste Frau in diesem Amt in Israels 77-jähriger Geschichte, bricht damit und wehrt sich anhaltend gegen die Pläne der Netanjahu-Koalition, die Justiz umzubauen und damit den Rechtsstaat zu schwächen. Im Sommer 2023, als die Parlamentsentscheidungen dazu vor dem obersten Gericht verhandelt wurden, übte sie offen Kritik: Die Pläne seien "ein dramatischer Prozess", durch den die antiliberale Koalition von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und gleichzeitig rechteste Regierung in Israels Geschichte an "uneingeschränkte Macht" gelange. © AFP/Getty Images Newsletter Wofür leben wir? – Der Sinn-Newsletter Jeden Freitag bekommen Sie alle Texte rund um Sinnfragen, Lebensentscheidungen und Wendepunkte. Registrieren Mit Ihrer Registrierung nehmen Sie die Datenschutzerklärung zur Kenntnis. Vielen Dank! Wir haben Ihnen eine E-Mail geschickt. Prüfen Sie Ihr Postfach und bestätigen Sie das Newsletter-Abonnement. Diese E-Mail-Adresse ist bereits registriert. Bitte geben Sie auf der folgenden Seite Ihr Passwort ein. Falls Sie nicht weitergeleitet werden, klicken Sie bitte hier . Seitdem gilt Baharav-Miara als angezählt. Unterbrochen wurde der Kampf Netanjahus gegen die Justiz und namentlich gegen die Generalstaatsanwältin durch den brutalen Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023. Anderthalb Jahre später flammt der Konflikt wieder auf. Neben den Problemen um Katargate und geheime Armeeunterlagen muss sich der Premier mittlerweile auch noch in seinem eigenen Korruptionsprozess um Vergünstigungen und Luxusgeschenke vor Gericht verantworten.