LG: Smart-TVs sollen Emotionen der Zuschauer überwachen und per KI auswerten

LG, einer der weltweit größten Hersteller von Smart-TV-Geräten, will die persönlichen Überzeugungen, Glaubenseinstellungen, Werte und Emotionen der Zuschauer besser verstehen und diese Erkenntnisse mithilfe von personalisierter Werbung in bare Münze umsetzen. Der südkoreanische Konzern hat dafür über seine Werbetochter LG Ad Solutions einen mehrjährigen Lizenzvertrag mit Zenapse abgeschlossen. Dieser Ausrüster mit Sitz in den USA beschreibt sich selbst als Software-as-a-Service-Marketingplattform, die Umsätze von Werbetreibenden "mit KI-gestützter emotionaler Intelligenz" und "psychografischem Targeting" steigern können soll. Anzeige Die Zusammenarbeit werde die Entwicklung neuer Werbeprodukte auf der Basis der Zenapse-Plattform für Connected TV (CTV) vorantreiben, teilten beide Unternehmen in dieser Woche mit. Über solches vernetztes Fernsehen lassen sich Inhalte über Streaming-Services, Internet-Browser und Social Media übertragen. Die neue Technik für gezielte Reklame werde in Bälde "auf über 200 Millionen LG-Smart-TVs weltweit aussagekräftigere und messbarere Markenerlebnisse" bieten. Die Kombination der KI-Funktionen und der psychografischen Daten von Zenapse "mit unserer proprietären Technologie ist eine Win-Win-Situation", freut sich David Rudnick, Chief Technology Officer (CTO) bei LG Ad Solutions. Dies werde die Fähigkeit verbessern, "Inhalte zu verstehen, die Personalisierung voranzutreiben und das Targeting zu verbessern". Letztlich helfe dieser Ansatz den Werbetreibenden, "eine engere Verbindung zu den Zuschauern aufzubauen, die Kampagnenleistung zu maximieren und die Anzeigenrelevanz in vernetzten Umgebungen zu erhöhen". Psychologische Faktoren erhalten tragende Rolle Die anvisierte Technik soll sich von anderen Formen persönlicher Werbung im Smart-TV-Sektor wie kontextbezogenem Targeting unterscheiden, das auf der Abstimmung mit Themen oder anderen Inhalte-basierten Aspekten beruht. LG und Zenapse wollen den Fokus darauf legen, zielgerichtete, emotional ansprechende Werbebotschaften zu erstellen und zu übermitteln, die auf den allgemeinen Denkweisen, Werten und Motivationen der einzelnen Personen basieren – und nicht nur auf dem, was diese gerade sehen. Jenseits breit verfügbarer demografischer Daten wie Standort, Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Familienstand und Einkommen sollen psychologische Faktoren eine tragende Rolle spielen. Zenapses Werbelösung ZenVision werde mit dem Merkmal vermarktet, die Art der Emotionen interpretieren zu können, die in den angeschauten Inhalten zum Ausdruck kommen, erläutert das Portal StreamTV Insider. Dafür werte die Firma teils öffentlich verfügbare Informationen über das Drehbuch und die Handlung der Sendung oder des Films aus. ZenVision analysiere zusätzlich das Zuschauerverhalten und unterteile das Publikum auf Grundlage ihrer Konsummuster in diverse Zielgruppen wie "zielstrebige Leistungsträger", "soziale Vernetzer" oder "emotional engagierte Planer". Zenapse nennt als weitere potenzielle Marktsegmente etwa "Digital Adopters", "Wellness-Suchende", "positive Auswirkungen und Umwelt" und "Geldangelegenheiten". Im Rahmen der neuen Partnerschaft kann ZenVision dem Bericht zufolge nun auch Daten verwenden, die LG mit der automatischen Inhaltserkennungssoftware auf seinen vernetzten Fernsehgeräten gesammelt hat. Dahinter steckt Automatic Content Recognition (ACR), auf die Forscher im Oktober aufmerksam machten. Die Technik macht sich zunutze, dass Smart-TVs regelmäßig Hashes aus den sicht- und teils hörbaren Inhalten erstellen. Diese "Fingerabdrücke" werden verschlüsselt in die Hersteller-Clouds geladen und serverseitig mit einer Datenbank aus vorrangig Filmen, Serien und Spielen abgeglichen. Bei einem Treffer weiß der Hersteller, was der Nutzer gerade schaut oder spielt. So kann er umfassende Profile generieren und passend dazu Reklame servieren, was auch "HDMI-Spionage" ermöglicht. Large Emotion Model entschlüsselt den Zuschauer Anzeige Zenapse hat nach eigenen Angaben für die Verfeinerung dieser Mechanismen zum Generieren des gläsernen Zuschauers zusätzlich ein proprietäres Large Emotion Model (LEM) entwickelt. Dieses soll ähnlich funktionieren wie ein Large Language Model (LLM), das generative KI-Systeme wie ChatGPT, Gemini oder Claude antreibt. Ein LEM soll im Gegensatz darauf ausgelegt sein, emotionale und psychologische Antriebskräfte mithilfe Künstlicher Intelligenz zu verstehen. Ein LG-Sprecher führte gegenüber StreamTV Insider aus: "Es hilft dabei, die Denkweise eines Zuschauers zu entschlüsseln – was ihn motiviert, was ankommt –, sodass Marken relevantere und überzeugendere Marketingbotschaften vermitteln können." Smart-TV-Hersteller, Plattform-Entwickler rund ums Fernsehen wie Roku oder Vizio sowie Streaming-Anbieter setzen für Einnahmen generell zunehmend auf gezielte Werbung. Der Wandel hin zu reklamefinanzierten Medien findet in der gesamten TV-Landschaft statt. Kritiker sehen dahinter ein Geflecht von Datenkraken entstehen. Nutzer könnten damit die Grenzen ihrer Komfortzone und Privatsphäre überschritten sehen. In der EU untersagt die KI-Verordnung gewisse Überwachungstechniken wie die Erkennung von Emotionen aus der Ferne oder Social Scoring. (nie)