Wahlen in Kanada: Rettet Trumps Politik Kanadas Liberale? Von: Gerd Braune Drucken Teilen Die kanadische Regierungspartei war so gut wie abgewählt, dann zogen Republikaner ins Weiße Haus ein. Das könnte auch die Wahl am Montag beeinflussen. Bei der Parlamentswahl am Montag entscheidet Kanada, wer das Land in den kommenden vier Jahren im Konflikt mit der aggressiven US-Regierung führen soll. Es könnte ein knappes Rennen werden: Laut der vom Rundfunksender CBC zusammengefassten und gewichteten Umfrage liegen die Liberalen bei etwas über 42 Prozent, die Konservativen bei 38 Prozent. Beide Parteien rechnen sich Chancen auf einen Sieg aus. Die Liberalen, die politisch links von den Konservativen und für eine liberale Wirtschaftspolitik stehen, treten mit ihrem neuen Vorsitzenden, an, Premierminister Mark Carney. Die Konservativen von Pierre Poilievre, die den Umfragen nach lange den Sieg schon in der Tasche zu haben schienen, hoffen weiter darauf, die seit neun Jahren regierenden Liberalen in die Opposition schicken zu können. US-Präsident Donald Trump hat mit seinen Fantasien, Kanada zu annektieren und notfalls mit ökonomischem Zwang zum 51. Bundesstaat zu machen, die Stimmung in der kanadischen Bevölkerung verändert. Viele fragen sich, wer am besten Kanadas Interessen gegenüber dem zunehmend als feindselig angesehenen Nachbarn verteidigen könne. Der plötzlich aufgeflammte Nationalstolz kommt vor allem den Liberalen zugute, die als ein klares Gegenbild zur Politik Trumps gesehen werden. Carney (l.): Klare Kante gegen den großen Nachbarn USA. © IMAGO/Artur Widak Wahlen in Kanada: Das Trudeau-Makel scheint überwunden Unter Carneys Vorgänger, dem von 2015 bis März dieses Jahres amtierenden Premierminister Justin Trudeau, standen die Liberalen in den Umfragen lange schlecht da: Die Konservativen hatten in Umfragen einen Vorsprung bis zu 25 Prozent vor den Liberalen. Eine parteiinterne Revolte zwang Trudeau Anfang des Jahres, seinen Rückzug als Parteivorsitzender und Regierungschef anzukündigen. Seitdem gingen die Umfragewerte der Liberalen zunächst langsam, dann mit den zunehmenden Attacken und Beleidigungen Trumps rascher in die Höhe. Mark Carney, der ehemalige Chef der kanadischen und danach der englischen Notenbank, wurde an die Spitze der Partei katapultiert. Seitdem führen die noch vor einem Vierteljahr totgeglaubten Liberalen in den Umfragen. Die Konservativen, die ihre Wahlkampfplanung komplett auf das Feindbild Trudeau und dessen Politik zugeschnitten hatten, verloren an Zuspruch. Weiterlesen DIe Grenzen der Freundschaft zwischen den USA und Kanada „Gebrochen“ oder „stark“: Knappes Rennen zwischen Liberalen und Konservativen in Kanada „Diese Wahlen kommen in einer Zeit der Krise. Präsident Trump zerrüttet die globalen Märkte und verändert das internationale Handelssystem fundamental. Gegenüber Kanada ist er noch direkter und aggressiver: Er will uns brechen, so dass Amerika uns übernehmen kann“, sagt Carney, der Mitte März die Nachfolge von Trudeau als Parteivorsitzender und Premierminister angetreten hatte. Seine Regierung werde „stark“ gegen Trumps Strafzölle handeln, sich für gut bezahlte Jobs einsetzen, Steuern reduzieren und die „am schnellsten wachsende Volkswirtschaft der G7“ schaffen. Auch Poilievre spricht in seinem „Canada First“-Plan davon, Kanada zu einer „ökonomischen Festung“ zu machen, damit das Land Trump „aus einer Position der Stärke“ entgegentreten könne. Er verspricht Steuersenkungen und ein Ende der seiner Ansicht nach bestehenden Missstände nach einem „verlorenen liberalen Jahrzehnt“. Während die Konservativen Kanada als „broken“ (gebrochen, kaputt) beschreiben, folgen laut Umfragen nur rund 16 Prozent der Wählerschaft dieser Einschätzung. 33 Prozent halten Kanada für großartig, 51 Prozent nennen es „ein gutes Land“, das aber Verbesserungen nötig habe. Der Slogan der Liberalen, „Canada strong“, sprach vielen in Kanada aus der Seele. Annähernd 29 Millionen Wahlberechtigte sind aufgerufen, das neue Parlament zu bestimmen. Ungewöhnlich viele Kanadierinnen und Kanadier haben von der Möglichkeit Gebrauch, vorzeitig zu wählen. 7,3 Millionen haben an vier Tagen Mitte April, an denen Wahlbüros geöffnet waren, ihre Stimme abgegeben, hinzu kommen noch die Briefwähler:innen. Carney gegen Poilievre: Unterschiedliche Kandidaten bei der Wahl in Kanada Gewählt wird nach einem strikten Mehrheitswahlrecht, in jedem der 343 Wahlkreise jeweils ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete. Entscheidend ist also nicht der prozentuale Stimmenanteil auf Bundesebene, sondern wer die meisten Wahlkreise gewinnt. Mit der Regierungsbildung wird traditionell der Vorsitzende oder die Vorsitzende der stärksten Parlamentsfraktion beauftragt. Der 60-jährige Seiteneinsteiger Carney gilt als krisenerprobt; als Notenbanker hat er unter anderem Kanadas Geldpolitik durch das Krisenjahr 2008 gesteuert. In Umfragen erzielt er persönlich deutlich bessere Werte als der 45-jährige Berufspolitiker Pierre Poilievre, der 2004 als 24-Jähriger erstmals ins Parlament gewählt worden war und als Abgeordneter und dann als Minister vor allem durch scharfe und oft verletzende Attacken von sich reden machte. Sein Stil wird manchmal mit dem Auftreten Donald Trumps in den USA verglichen. Neue Kooperationen für Kanada: Europa überholt die rüden USA Wenn Trump Kanada drohte und herabwürdigte, stiegen die Werte der Liberalen in Umfragen. Carneys Bestrebungen, die Beziehungen zu den USA zu lockern und „verlässliche Partner“ in Europa zu finden, kamen bei der Bevölkerung gut an. Der Fokus auf innenpolitische Themen wie Wohnraummangel und die gestiegenen Lebenshaltungskosten kam hingegen den Konservativen zugute. Zwischen den beiden großen Parteien gehen kleinere Bewerber unter. Die sozialdemokratisch orientierte New Democratic Partei (NDP), die Grünen und der nur in Quebec antretende und für die Souveränität Quebecs kämpfende Bloc Québécois haben viele Wähler:innen verloren. Heftig umkämpft sind die mit vielen Sitzen im Parlament vertretenen Provinzen Ontario und Quebec, wo die Liberalen vorne zu liegen scheinen. Aber alles bleibt offen: Auch geringfügige Verschiebungen können im Mehrheitswahlrecht entscheidende Folgen haben. (Gerd Braune)