Das Tegernseer Bräustüberl und sein ewiger Stammtisch

Eine Institution feiert Geburtstag: Das Tegernseer Bräustüberl und sein ewiger Stammtisch Von: Cornelia Schramm Drucken Teilen Der Gmunder Stammtisch trifft sich hier seit den 1950er-Jahren. © THOMAS PLETTENBERG Das Bräustüberl am Tegernsee feiert in diesem Jahr sein 350-jähriges Bestehen. Seit 75 Jahren trifft sich dort immer dienstags eine lustige Herren-Runde. Ein Besuch am ewigen Stammtisch. Austern im Bräustüberl Tegernsee? Keine Schickimicki-Idee, sondern Geschichte. Sigi Schredinger stemmt seinen Arm in die Luft, als balanciere er ein Silbertablett. „Wir haben hier wilde Sachen veranstaltet“, erzählt der 74-Jährige. „Ein befreundeter Chefkoch hat uns mal Austern geliefert.“ Frei Haus – an den Gmunder Stammtisch. Auch Schweinsbraten hat der lustige Männerhaufen aus fremden Küchen herbestellt. Damals, als in ihrer Lieblingswirtschaft noch keine warmen Gerichte auf der Karte standen. Alter Flair, frische Ideen: Vor mehr als 20 Jahren brachte der heutige Wirt neuen Schwung ins Bräustüberl Ewig her sind diese Zeiten nicht. Zwar feiert das Tegernseer Bräustüberl heuer seinen 350. Geburtstag. Doch erst der heutige Wirt Peter Hubert bietet nicht mehr nur kalte Brotzeiten und Würstl an. Als er 2003 das Ruder übernahm, war der junge, noch dazu ledige Wirt im ganzen Tal Gespräch. Er hielt am alten Flair fest, brachte aber frische Ideen mit: neben der warmen Küche eine eigene Bräustüberl-Zeitung und – damals neumodisch – die Internetseite. 23 Jahre dauert die Ära Hubert – in der Zeitrechnung dieser Heiligen Hallen nur ein Wimpernschlag. Den dienstäglichen Stammtisch gibt es seit 75 Jahren. Gegründet hatte ihn der Meder Mandi. Er ist vor Kurzem gestorben, seine Freunde stoßen fast jedes Mal auf ihn an. Ihr eisernes Wappen in der Tischmitte trägt Meders Initialen. Geschmiedet hat es Sepp Schiller. Als der Schmied kommt, bringt ihm Stamm-Bedienung Barbara ungefragt ein Spezial. Der 81-Jährige nennt das süffige Bier sein Lebenselixir. Das Bräustüberl liegt am Ufer des Tegernsees. © THOMAS PLETTENBERG Zwischen 14 und 17 Mitglieder zählt der Stammtisch. Handwerker, Wirte, Ingenieure und Professoren sitzen hier nebeneinander und diskutieren die großen und kleinen Themen dieser Welt. Großhäusler neben Kleinhäuslern, wie man so schön sagt, Vermögende neben Normalos. Drumherum Ausflügler – denn das Bräustüberl ist ein Muss für Touristen. Hier trafen die Einheimischen schon zur Zeit von König Max I. Joseph auf Europas Hochadel, bis Sommerfrischler, Künstler, Großindustrielle an den See kamen. Am Stammtisch kommen sie zusammen – und kennen sich teils seit Jahrzehnten Am Stammtisch kennen sich die meisten ewig, über Verein, Familie oder Schule. Der Älteste ist 93 und LMU-Professor Franz Reichl mit 71 der Jüngste. Was suchen andere Talgemeinden am Gmunder Stammtisch? Tja, die „Fusion“ ist Teil seiner Geschichte. „Man ist Mitglied auf Lebenszeit, irgendwann muss das Platzerl halt nachbesetzt werden“, erklärt Roland Döbl. Er wanderte 1960 aus Rosenheim ins Tal ein, um die Schule im Schloss Tegernsee zu besuchen. Bis heute teilen sich hier Brauerei, Bräustüberl und ein Gymnasium den Gebäudekomplex. Bis heute verbringen im Bräustüberl Oberstufen-Schüler die ein oder andere Frei㈠stunde. Sepp Höß, Gastronom aus dem Malerwinkel, ist am längsten dabei. Als 1945 ein rotes Kreuz auf weißem Grund auf dem Schlossdach prangte, war er neun Jahre alt. Im Schloss operierten Chirurgen. Über 20 000 Verwundete befanden sich damals im Tal, dazu tausende Evakuierte und Geflüchtete. Das ehemalige Kloster samt Bräustüberl überstand all das unbeschadet. Zehn Jahre später nahm Höß‘ Bruder ihn mit zum Stammtisch. „Als wir alle noch unverheiratet waren, waren wir jeden Tag hier“, sagt der 88-Jährige. Unweit des Bahnhofs war man in der Nähe, wenn fesche Madln angereist kamen. Buzi und sein Herrchen sind die Wirtshaus-Maskottchen. © THOMAS PLETTENBERG Wenn die Stammtisch-Brüder über das Bräustüberl erzählen, deuten sie von Wandbild zu Wandbild. Gegenüber dem Eingang wacht Abt Bernardus Abbas, der vor 350 Jahren das Bier hierher brachte. Etwas weiter feiern sechs Engerl. Mit dem Bild soll Maler Toni Aron hier 1885 seine Zeche abgegolten haben. Und da ist der Hund Buzi, der bei seinem Herrchen sitzt. 1930 vom Karikaturisten Emil Kneiß gemalt, ziert das Duo heute Postkarten, T-Shirts und Schlüsselanhänger. Obwohl das Bräustüberl heute Reisebusse von überall her ansteuern, ist es für die Mitglieder seiner 40 Stammtische Heimat geblieben. Die Erinnerungen an die erste Zigarre als Firmling, durchtanzte Faschingsnächte und gute Freunde wie den Hinterholzer Hans, der am Gmunder Stammtisch 30 Jahre lang auf einem Bierfassl saß, machen sie aus. Franz Xaver Reichl sagt: „Unser Stammtisch macht den Dienstag erst zu einem Dienstag.“