TV-Übertragung aus Rom

In „Konklave“ war das Kardinalsrot eindeutig röter, wirkten folglich die Intrigen und Machtspiele gleich viel schamloser. Aber „Konklave“, würde jetzt Alfred Hitchcock sagen, das war doch bloß ein Film, in dem es zwar um den Papst ging und in dem ganz viele Kardinäle mitspielen, aber am Ende war es doch nur ein Film. Trotzdem, die Kostümbildnerin Lisy Christl hat für „Konklave“ eine Farbe kreiert , die einfach fetter, satter und überhaupt kardinaler wirkt als dieser Stich ins Orangene, der sich durch die ganze Live-Übertragung der Totenmesse und Aussegnung von Papst Franziskus in Rom zog. Andererseits gab es deshalb auch weniger Intrigen. Wie im Film ging es am Samstagmorgen um den Papst, es spielten ganz viele Kardinäle mit, dazu Bischöfe, Priester, Mönche, Kammerdiener, nicht wenige Staatschefs, fast alle dem so feierlichen wie traurigen Anlass entsprechend gekleidet. Ein Fest für die Augen, fast wie der Frühling auf der Insel Mainau. Vatikanische Drohnen lieferten Postkartenbilder der sogenannten Ewigen Stadt, im Hintergrund der Apennin, oben Wolken wie sonst nur an Segelwettertagen über dem Ammersee. Die Drohnenkameras ragten hoch über der Fassade des Petersdoms, zeigten den einfachen Sarg, flogen dann über den Platz, in die Via della Conciliazione und wieder zurück. Da waren sie, die immer wieder faszinierenden Gewänder dieser letzten geschlossen männlichen Kongregation, ihre steil aufragenden Hüte, die kostbaren Mützen, überall Kreuze, Ringe, geschnitzte Stöcke, Tücher. Dazu der Weihrauch, die unverständlichen Antiphonen, die verschiedenen Segnungen, pax domini und saecula saeculorum. Allein, dieser ganze herrliche Zinnober bedarf mehr denn je der Deutung. Was sich da vor 250 000 Menschen auf dem Petersplatz abspielte, ist selbst einem großen Teil der 1,4 Milliarden Katholiken auf der Welt bereits ziemlich fremd geworden. Es schauten aber bestimmt auch noch reichlich Alt-, Fremd- oder ganz Ungläubige zu, die für die eine oder andere Erläuterung dankbar wären. Beim Bayerischen Rundfunk, dem die Vatikanberichterstattung traditionell obliegt, besteht gottlob eine Redaktion mit dem Namen „Religion und Orientierung“. Dort hatte man für die nicht vollständig Eingeweihten neben einer Fachfrau von Vatican News einen richtigen Monsignore aufgeboten, beim ZDF wirkte als Kooperator nur ein Pater, doch brachte der eindeutig den schöneren Namen mit. Max Cappabianca konnte die Zuschauerinnen und Zuschauer bei der abschließenden Fahrt durch die Stadt beiläufig auf die Kirche Santa Maria in Vallicella hinweisen. Dort liegt der Dominikaner Philipp Neri begraben – „ein verrückter Heiliger“, wie der Dominikaner Cappabianca sagte, und deshalb vielleicht einer nach dem Geschmack des Verstorbenen. Die Furcht vor dem Wegschauen der Zuschauer Gegen die eintönige Litanei mit einer schier endlosen Anrufung aller möglichen Heiligen von Kyril und Method über die Kirchenlehrer bis zu den bereits heiliggesprochenen Päpsten ist Widerstand ebenso zwecklos wie bei der langwierigen Austeilung der Kommunion. Allerdings löst das bei den Sendern einen schlimmen horror vacui aus, die Furcht, die Zuschauern könnten in einem unbewachten Moment vielleicht wegschauen. Deshalb werden die Bilder ausführlich besabbelt, wird in gut drei Stunden ungefähr sieben Mal ausgeführt, dass sich der Papst, dieser Papst, anders als die letzten Päpste nicht unter dem Petersdom, sondern in Santa Maria Maggiore beisetzen lässt. Dass auf seiner Grabplatte nur „Franciscus“ stehen soll und dass das Grab sich nicht weit von der Marien-Ikone „Salus populi Romani“ befindet, die Franziskus regelmäßig besuchte und von der er bis zuletzt eine Kopie bei sich hatte. Trotz jahrelanger Arbeit auch der ZDF-Kirchenredaktion hielt man den Hinweis für angebracht, dass Maria „keine Göttin“ sei, sondern bloß die Mutter von Jesus. Die ARD ging indes bei der Übersetzung des Gebets, mit dem die Bischöfe der Ostkirche den römisch-katholischen Papst ehrten, ins Detail und versicherte, dass die heilige Jungfrau „ohne Samen Gott empfing“. Gut, das war jetzt vielleicht mehr Theologie, als ein sonst so unschuldiger Frühlingstag braucht. Bei der ARD wollte sich Tilmann Kleinjung nicht lumpen lassen und zeigte sich so bibelfest wie märtyrermutig, als er meinte, er werde „vielleicht gesteinigt“, weil die Fußstapfen des Verstorbenen „riesig“ seien und damit ein Problem für jeden Nachfolger. Seit die Gläubigen den Kirchenbesuch mehr und mehr scheuen, ist auch die traditionelle Technik des Kirchenschlafs aus der Mode gekommen. Bei der ARD fürchtet man ihn dennoch wie der Teufel das Weihwasser. Man behalf sich deshalb damit, bei den strategisch platzierten Außenreportern ständig nach der „Stimmung“ zu fragen, die einmal „andächtig“ war, dann „ruhig“ oder „sehr getragen“, aber eigentlich nie zu wünschen ließ. Dafür sorgte schon der „Gänsehautmoment“, der so wenig fehlen durfte wie das allzeit bereitliegende Nullwort „historisch“. Der gesegnete Sarg wurde ins Papamobil geladen, womit sich für die ARD „der Kreis total schließt“, weil sich der Verstorbene doch noch am Ostersonntag damit über den Petersplatz fahren ließ. Die Stadtrundfahrt über den Tiber und die Piazza Venezia war kein schlechter Service für den Sesselreisenden. Nur am Kolosseum glaubte der kaum über den zweiten Morgenkaffee hinausgekommene und deshalb besonders empfindliche Zuschauer für einen Moment, die Spalier stehenden Römerinnen und Römer entböten dem Papamobil den Römischen Gruß. Er war dann doch beruhigt, als er merkte, dass der erhobene rechte Arm in einem gemeinen Handy auslief, mit dem die Vorbeifahrt in saecula saeculorum festgehalten wurde. Ein völlig undramatischer Höhepunkt Herr, es wurde echt Zeit für Franziskus, „das Original der Ikone erwartet ihn in Santa Maria Maggiore“, wie die frohe Botschaft lautete. Schon bei der Höchstgeschwindigkeit von maximal 15 Kilometer pro Stunde verwandelten sich biedere Journalisten in rasende Rennreporter. Während Monsignore Erwin Albrecht noch versicherte, dass der Verstorbene jetzt „seine wirklich letzte Reise“ antrete, konnte Andreas Merz die ohnehin schon ziemlich erhobene Stimmung noch weiter heben, als er von der Via Merulana meldete: „Dieser Event schlägt einfach alles!“ Der Weg des Papamobils, so hatte Max Cappabianca auf der Strecke überlegt, würde vielleicht noch an einer anderen päpstlichen Hauptkirche, der Lateranbasilika, vorbeiführen. Stattdessen ging der Papst bei der Konkurrenz „auf seine letzte Kurve“, dann auf die „Zielgerade“ und der Event, was blieb ihm übrig, erreichte seinen völlig undramatischen Höhepunkt. Die Stimmung war da bereits vor der Kirche Santa Maria Maggiore eingetroffen, sie war aber, wie Andreas Baumann melden konnte, erfreulicherweise „nicht von tiefer Trauer getragen“. Andreas' Herz hatte eine Stimme des Volkes gehört, gab sie aber erst falsch wieder, „una di noi“ sei Papst Franziskus gewesen, „eine von uns“. An der Kirche erwarteten ihn seine Schützlinge, Obdachlose, auch Trans-Personen. Wie war das gleich wieder mit dem neu gewählten Papst in „Konklave“? War es wirklich nur ein Film? Fragen eines verunsicherten Zuschauers. Film ist einfach röter.