Bern: Zahl der Obdachlosen verdoppelt sich

Die Zahl der Obdachlosen wächst in Bern rasant, neue Anlaufstellen sollen dringend nötig sein. Trotzdem muss der von der Passantenhilfe betriebene «Aufenthaltsraum» womöglich schliessen. Stadt Bern : Zahl der Obdachlosen verdoppelt – Treffpunkt trotzdem vor Aus Zwei Liegenschaften der «Burgergemeinde Bern» in der Berner Altstadt sollen saniert werden, dafür muss ein wichtiger Treffpunkt für Obdachlose weichen. 20min/Anina Schutz Darum gehts Der «Aufenthaltsraum» in Bern muss bis Anfang 2026 seine Räumlichkeiten verlassen, da der Vermieter die Liegenschaft sanieren will. Der von der kirchlichen Passantenhilfe betriebene Raum bietet marginalisierten Menschen einen geschützten Treffpunkt. Viele Gäste drohen in die Einsamkeit zu rutschen, sagt der Betriebsleiter. Die Suche nach einer neuen Bleibe gestaltet sich schwierig. Die Zahl der Obdachlosen in der Stadt Bern hat sich innerhalb von drei Jahren mehr als verdoppelt: Wurden 2021 noch durchschnittlich 21 Obdachlose gezählt, waren es 2024 bereits 48 Personen. Erfasst werden in dieser Statistik nur sogenannte «Rough Sleeper», also Menschen, die im Freien übernachten. Wie viele sich hiervon illegal in der Schweiz aufhalten, wird nicht erfasst. Personen, die in Notschlafstellen unterkommen, gelten als wohnungslos. Zudem müsse von einer erheblichen Dunkelziffer ausgegangen werden, wie der Informationsdienst der Stadt Bern auf Anfrage von 20 Minuten mitteilt. Treffpunkt für Menschen in Not droht zu verschwinden «Es gibt in Bern zwar noch andere Anlaufstellen, aber viele unserer Gäste, insbesondere Wohnungslose, würden auf der Strasse stehen, wenn es diesen Ort nicht mehr gebe», sagt Marcel Michel, Betriebsleiter des «Aufenthaltsraums» in der Altstadt von Bern. Dieser wird von der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen Region Bern (AKiB) betrieben und bietet Personen, die sich in schwierigen Lebenssituationen befinden, einen geschützten Treffpunkt. Anfang 2026 muss der Aufenthaltsraum die Liegenschaft in der Berner Altstadt verlassen – eine Anschlusslösung wurde bisher nicht gefunden. Die Berner Burgergemeinde, der das Gebäude gehört, hat den Mietvertrag gekündigt, da die Liegenschaft saniert werden soll, wie «Der Bund» berichtet. Wenn der Aufenthaltsraum schliesst, verlieren viele Wohnungslose in Bern einen letzten sicheren Ort, warnt Betriebsleiter Marcel Michel. 20min/Anina Schutz «Seit 1978 ein Ort für Gemeinschaft und Unterstützung» «Diesen Raum gibt es seit bald 50 Jahren an diesem Standort», sagt Michel. Er wurde 1978 als Treffpunkt für Arbeitslose eröffnet, heute treffen sich hier ganz unterschiedliche Menschen, etwa Wohnungslose oder auch Rentner. «Viele unserer Gäste sind von Einsamkeit betroffen. Sie finden hier Gemeinschaft und soziale Kontakte.» Der Treffpunkt ist jeweils am Vormittag und Nachmittag geöffnet. Es kämen jeweils bis zu 50 Menschen zum Morgenessen, das hier gratis angeboten wird. Die Lebensmittel erhalte der Aufenthaltsraum von umliegenden Geschäften und der Schweizertafel als Spende. Am Nachmittag sei dann weniger Betrieb. Der Raum würde dann als Treffpunkt genutzt, etwa zum Spielen oder um sich zu unterhalten. Im grösstenteils durch Spenden finanzierten «Aufenthaltsraum» arbeiten 28 Freiwillige. 20min/Anina Schutz Angebot nur dank Spendengeldern und Freiwilligenarbeit möglich «Wir sind gezwungen, neue Räumlichkeiten zu finden. Bisher zahlten wir der Burgergemeinde nur eine symbolische Miete – künftig drohen deutlich höhere Mietkosten.» Das mache es schwierig, das Angebot im bisherigen Umfang aufrechtzuerhalten. Zusätzlich würden hier 28 Freiwillige mitarbeiten, der grösste Teil der Kosten werde durch Spendengelder gedeckt. Wenn dieser Ort wegfällt, steige die Gefahr der sozialen Vereinsamung für viele der Gäste. «Immer mehr solche Angebote fallen weg – und das wird man spüren.» Die Zahl der erfassten Obdachlosen ist in den letzten Jahren stark gestiegen – Fachleute rechnen zudem mit einer hohen Dunkelziffer. 20min/Michael Scherrer Sozialdirektorin: Mangel an Angeboten besteht bereits Die Passantenhilfe hätte ein Gesuch bei der Stadt Bern eingereicht, das derzeit noch offen sei. «Mit jedem Tag, den wir warten müssen, wird eine fristgerechte Anschlusslösung schwieriger.» Er wolle nicht zu pessimistisch sein, aber langsam sollte etwas passieren, sagt der Betriebsleiter sichtlich besorgt. Die Stadt Bern kläre «unterschiedliche Optionen» für eine Alternativlösung ab, meint Sozialdirektorin Ursina Anderegg (GB) zum «Bund». Sie spricht von einem «wichtigen Angebot», das verloren zu gehen drohe. Weiter weist sie auf den bereits bestehenden Mangel an Aufenthaltsräumen und Restaurants ohne Konsumationszwang hin. Etwas gesehen, etwas gehört? Schick uns deinen News-Input! Speichere unseren Kontakt im Messenger deiner Wahl und sende spannende Videos, Fotos und Dokumente direkt an die 20-Minuten-Redaktion. Sendest du uns Fotos oder Videos, die zu einem neuen Beitrag führen, erhältst du eines von vier Geschenken. Mehr Details findest du hier. Handelt es sich um einen Unfall oder ein anderes Unglück, dann alarmiere bitte zuerst die Rettungskräfte. Die Verwendung deiner Beiträge durch 20 Minuten ist in unseren AGB geregelt: 20min.ch/agb