Richtungsstreit bei der FDP Von: Stephan Müller-Wendlandt Drucken Teilen Bei den Liberalen im Landkreis Starnberg knirscht es. © Andreas Arnold/dpa Die Palastrevolte ist zwar vorerst eingedämmt, aber keinesfalls im Keim erstickt worden: Ein Antrag zur vorgezogenen Neuwahl des Starnberger Kreisvorstandes hat bei der FDP-Kreishauptversammlung deutlich gemacht, dass im Lager der Liberalen tiefe Gräben aufgebrochen sind. Steinebach – Einst galt der Landkreis Starnberg als Hochburg der FDP. In den 1980er und 1990er Jahren stellte sie nicht nur zwei Bürgermeister, sondern mit Dr. Rudolf Widmann auch den Landrat. Dieses hohe Ross müssen die Liberalen mittlerweile absatteln. Aktuell firmiert noch deren Parteifreund Rudolph Haux in Krailling als Bürgermeister. Die Kreisvorsitzende Britta Hundesrügge ist weitere Stellvertreterin von CSU-Landrat Stefan Frey. Am Stuhl der Kreis㈠chefin und deren Co-Vorsitzenden Paul Friedrich wird innerparteilich mächtig gesägt. Die Kreishauptversammlung musste sich am Sonntag in Steinebach unter anderen mit einem Antrag von Alexander Keim befassen. Das Vorstandsmitglied aus Herrsching wollte eine Neuwahl des Kreisvorstandes im laufenden Jahr erreichen – mindestens sechs Monate vor der Kommunalwahl im März 2026 –, allerdings ohne Erfolg. „Er überraschte uns schon, kam aber nicht völlig unerwartet“, sagte Friedrich dem Merkur. Deshalb hatten er und seine Co-Vorsitzende sich mental und inhaltlich auf den Angriff vorbereitet. Hundesrügge forderte das Wiedererstarken des ganzheitlichen Liberalismus, für den ihre Partei eintrete. Den hätten die politischen Gegner im Wahlkampf zu spalten versucht. Mit Erfolg: „Die dadurch erfolgte Uneinigkeit darf es bei uns nicht wieder geben“, sagte die Gautingerin. „Der ganzheitliche Liberalismus kennt keine Unterschiede, er steht für Frieden und Freiheit für alle.“ Paul Friedrich stellte in seinem Rechenschaftsbericht die aus seiner Sicht positiven Aspekte der Vorstandsarbeit in den Vordergrund: Vorstandswahl im Januar 2024, erstmals mit einer Doppelspitze, monatliche Treffen des Gremiums, drei Zusammenkünfte mit Vertretern der Ortsverbände, 60 Veranstaltungen, 40 Infostände und Stärkung der Auftritte in den sozialen Medien. Das Ergebnis der Bundestagswahl sei für ihn als Direktkandidat alles andere als zufriedenstellend, aber die eigenen Bemühungen im Wahlkampf ergäben keine nachvollziehbare Konsequenz für personelle Veränderungen. „Hinfallen kann man, aber man muss auch wieder aufstehen. Deshalb heißt es nach vorne zu schauen und die Chance für einen Neustart zu nutzen.“ Unterstützung erhielt Friedrich von Markus Deschler aus Gauting und Kreisrat Willi Boneberger aus Gilching: „Ich war beeindruckt vom Wahlkampfauftritt unseres Kandidaten.“ Ich erwarte mehr Transparenz. Starnbergs FDP-Vorsitzender Stefan W. Zeil widersprach vehement. Das Erststimmenergebnis der Bundestagswahl belege, dass die FDP zwischen Starnberger und Ammersee keine Hochburg mehr sei. Er beklagte die mangelhafte Zusammenarbeit des Kreisvorstands mit den Ortsverbänden und vermisste eine vernünftige Aufarbeitung des Wahlergebnisses. Seit der Kommunalwahl 2020 sei die Mitgliederzahl massiv eingebrochen. Alexander Keim bekräftigte die Aussagen: „Wir brauchen eine Plattform für einen offenen Diskurs, vor allem in thematischen Fragen, und keine One-Man-Show“, sagte er mit Bezug auf die Ausführungen Friedrichs. Entscheidungen dürften nicht selbstherrlich, sondern müssten gemeinsam gefällt werden: „Ich erwarte mehr Transparenz.“ Als es nach fast fünf Stunden Versammlungsdauer konkret um den Antrag zur vorgezogenen Vorstandswahl ging, gab sich Keim zunächst versöhnlich: „Mein Ansinnen ist kein Spaltungsversuch, ich möchte dazu anregen, sich Gedanken zu machen, was bei der Bundestagswahl falsch gelaufen ist – ein Stimmungsbild erfragen, ob wir mit dem Kreisvorstand zufrieden sind.“ Der Ton verschärfte sich heftig, als Oliver Rausch (Herrsching) forderte: „Wir müssen uns nach außen hin neu aufstellen.“ Er bezeichnete es als „herabwürdigend“, dass zwei Mitglieder des Kreisvorstands „als Späher“ eine Zusammenkunft von FDP-Ortsverbänden nach der Bundestagswahl in einem Seefelder Wirtshaus beobachtet und sich Aufzeichnungen gemacht hätten. Hundesrügge konterte echauffiert: Sie warf Rausch vor, seine Pflichten als ehemaliges Kreisvorstandsmitglied sträflich vernachlässigt zu haben: „Du hast nicht mitgewirkt, hast als Delegierter dein Mandat verschlafen.“ Hinfallen kann man, aber man muss auch wieder aufstehen. Dr. Oswald Gasser (Seefeld), Beisitzer im Kreisvorstand, outete sich als einer der sogenannten Späher: „Ich war als Ortsvorsitzender der Seefelder FDP natürlich interessiert zu erfahren, was es mit einer FDP-Veranstaltung in meinem Ort auf sich hat, über die ich nicht informiert worden war.“ An die Adresse von Keim gewandt fauchte er mit hochrotem Kopf: „Du bist ein Spalter, gräbst das Kriegsbeil aus. Natürlich ist nicht alles perfekt, was wir machen. Aber wir wirken ehrenamtlich und sind keine bezahlten Berufspolitiker.“ Felix Meyer, Hauptgeschäftsführer der FDP Bayern, mahnte schlichtend: „Hart in der Sache ist in Ordnung, aber persönliche Angriffe gehen zu weit.“ Er musste bestätigen, dass die auf Antrag aus dem Ortsverband Herrsching gewünschte geheime Abstimmung über den Neuwahlantrag so ausfiel: Neun Stimmberechtigte votierten mit Ja, 21 lehnten den Antrag ab. Die Gräben in der Kreis-FDP sind seit Sonntag eher tiefer geworden. Ein Versammlungsteilnehmer: „Das grenzt an Selbstzerfleischung.“