Neue E-Transporter von Renault

SP-X/Paris. In Deutschland wurden 2024 laut dem Bundesverband e-Commerce und Versandhandel Waren im Wert von gut 80 Milliarden Euro 2024 online gekauft, das sind 10,1 Prozent des gesamten Einzelhandels. Die Kehrseite: pro Jahr zehn Prozent mehr Lieferverkehr auf der sogenannten letzten Meile. Doch der Trend zum Online-Kauf lässt sich kaum stoppen und die Fahrzeughersteller freut’s. Das Geschäft mit neuen Transportern läuft prächtig. Zwar dümpelt die Elektroquote noch auf niedrigem Niveau, doch immerhin haben sich die Verkäufe seit 2020 verdreifacht. Und es geht schneller voran, glaubt Heinz-Jürgen Löw, Chef von Renaults Transportersparte. „Bei unseren E-Transportern planen wir bis 2030 mit einer jährlichen Steigerungsrate von 30 bis 40 Prozent.“ Er befeuert seinen Optimismus mit der Tatsache, dass europaweit immer mehr Kommunen Straßen oder ganze Teile der Städte für Verbrenner sperren. Von Paris über Brüssel bis Mailand: Europaweit rechnet die NGO Clean Cities Campaign bis Ende 2025 mit 500 Sperrzonen für Verbrenner. Tendenz steigend. Alle Hersteller haben auf die Nachfrage des Gewerbes reagiert und bieten elektrische Transporter an. In der Regel handelt es sich jedoch um Modelle, die auch für Verbrenner ausgelegt sind und auf den E-Antrieb umgerüstet wurden. Mit Nachteilen wie geringerer Nutzlast und weniger Stauraum. Jetzt aber zündet Renault die zweite Stufe der Elektrifizierung. Die Franzosen kündigen für Mitte 2026 eine ganz neue Generation von E-Transportern an, mit einem technischen Niveau, das man zumindest bei den europäischen Marken nur vom Pkw kennt. Auf einer neuen Elektroplattform für leichte Nutzfahrzeuge entsteht die nächste Generation des Trafic sowie die beiden neuen Modellreihen Estafette für Paketdienste und Goelette für Volumentransporte. Für Ewig-Gestrige wird der aktuelle Trafic mit Dieselantrieb noch einige Jahre weitergebaut. Dass hier eine neue Modellgeneration vorfährt, ist sofort erkennbar. Auf der markanten Nase verbindet eine auffälligen Lichtleiste die flachen LED-Scheinwerfer, samt illuminiertem Renault-Rhombus in der Mitte. Die große Windschutzscheibe besteht aus drei Teilen und zieht sich über die A-Säulen bis in die Türen. Das verbessert die Sicht in die Kurve und zur Seite. Der ganze Vorbau der Fahrzeuge ist zwar ungewohnt zerklüftet, soll jedoch windschnittiger sein und zehn Prozent mehr Reichweite bringen. Der große Unterschied zu den bisherigen E-Transportern besteht aber in der Technik und vor allem in der zentralen, skalierbaren und flexiblen Software, welche die neuen Lieferwagen als erste Renault-Fahrzeuge überhaupt bekommen. Das Betriebssystem solcher „Software defined Vehicles“ lässt sich jederzeit per Updates over the air aktualisieren, neue Funktionen einspielen oder Bugs beheben. Dank des offenen Designs können Flottenbetreiber zudem eigene Managementprogramme in das Multimediasystem des Fahrzeugs integrieren. So kann der Fahrer beispielsweise Aufträge über den Bordbildschirm abrufen oder mit der Zentrale kommunizieren. Dank der sogenannten Skateboard-Plattform der Transporter passen unterschiedlich große Akkus zwischen die sehr weit auseinander platzierten Achsen. Da der 150 kW starke Motor hinten sitzt, schlagen die Räder stärker ein. So sollen die Transporter beim Wenden kaum mehr Platz benötigen als ein Kleinwagen. Je nach Einsatz können Kunden aus zwei Akkus wählen, die sich in Größe und erzielbarer Reichweite sowie von der Technik unterscheiden. Für den Stadtverkehr und bis zu 350 Kilometer Einsatzradius montiert Renault eine einfacherem günstige Lithium-Eisenphosphat-Batterie ohne seltene Metalle. An Langstreckenfahrer richtet sich der größere Akku mit Nickel-Mangan-Kobalt-Technik. Dank höheren Energiedichte steigt damit die Reichweite auf bis zu 450 Kilometer. Zu den wichtigsten Neuerungen zählt die bereits aus dem Pkw bekannte 800-Volt-Technologie. Renault zwar nicht die erste Marke mit Hochvolt-Transportern. Iveco und Hyundai wollen ebenfalls ein solches Modell auf den Markt bringen, möglicherweise schon 2025. Jedenfalls bringt die Technik enorme Vorteile, denn damit lassen sich E-Autos extrem schnell laden. 20 Minuten sollen genügen, um den Akku von 15 auf 80 Prozent zu bringen und Strom für gut 250 Kilometer zu bunkern. Ob das in einem Paketfahrzeug nötig ist, sei dahingestellt. Schließlich sind die Touren selten länger als 120 Kilometer und die Autos werden in der Regel über Nacht auf dem Betriebshof langsam geladen. Für die Produktion ist es aber einfacher und kostengünstiger sein, alle drei Baureihen auf eine einheitliche Basis zu stellen. Gleiches gilt für die Kabine, die sich die drei Modelle teilen. Sie wurde komplett neu entworfen, samt quadratischem, zum Fahrer geneigten Großbildschirm und digitalen Instrumenten. Herzstück der drei Baureihen bleibt der Trafic, der auch künftig in zwei Längen und mit bis zu 5,8 Kubikmeter Stauraum angeboten wird. Damit der Lieferwagen in Parkhäuser passt, senkt Renault die Höhe auf 1,90. Auch eine bestuhlte Kombi-Version ist geplant. Als direktes Derivat des Trafic rangiert darüber der Goelette, den es als Fahrgestell, Großraumkasten mit bis zu 15 Kubikmetern Laderaum sowie mit verlängertem Fahrerhaus und sechs Plätzen gibt. Für beide Modelle will Renault selbst oder in Zusammenarbeit mit Aus- und Aufbauern diverse Branchenlösungen entwickeln. Beim 2,60 Meter hohen Estafette ist die Zielgruppe sofort ersichtlich: Paket- und Logistikdienste. Der Wagen wirkt wie eine moderne Version der bekannten UPS-Transporter, samt Rollo am Heck. Das gesamte Fahrzeug sei für die vielen Stopps im Lieferverkehr optimiert, verspricht Renault. So aktiviert der Fahrer über einen Knopfdruck die Warnblinker und entriegelt den Zugang zum Laderaum. Und wenn der Fahrer mit einem Paket in den Armen aussteigt, kann er die besonders leichte Schiebetür auf der Beifahrerseite mit den Ellbogen öffnen. Damit es beim Ein- und Aussteigen schneller geht und die Pakete schneller bei den Kunden ankommen.