Aktienkurse: Dieser Crash erwischt fast alle Aktien – aber manche besonders stark
Als US-Präsident Donald Trump im Rosengarten des Weißen Hauses seine Zolltafel in die Kameras hält, sitzt Gary Friedman gerade in einem Investorencall. Eigentlich will der Chef des Möbelhändlers Restoration Hardware erzählen, wie das Geschäft in den vergangenen drei Monaten gelaufen ist. Als Friedman dann live den Aktienkurs seiner Firma vorlesen will, ist mit vier Worten, die keine Übersetzung nötig haben, alles gesagt: "Oh really? Oh shit!" Friedman hatte soeben entdeckt, was während seines Vortrags an den Aktienmärkten passiert war: Weil sein Unternehmen viel aus Asien importiert, war der Kurs um mehr als 25 Prozent eingebrochen. Aus Trumps groß angekündigtem "Liberation Day" war an der Börse ein Liquidation Day geworden, aus dem Tag der Freiheit ein Tag der Verkäufe. Verkäufer wollten Aktien einfach nur aus ihren Depots schlagen, Käufer ein Schnäppchen machen – und die Kurse krachten. Der US-Leitindex S&P 500 fiel am Donnerstag um 4,8 Prozent, am Freitag sackte er noch einmal um rund sechs Prozent in die Tiefe. 97 Prozent aller Aktien im US-Leitindex S&P 500 zeigten am Freitag rote Kurse. Börsenprofis merkten schnell, dass der Kursverfall nahezu alle Aktien traf. Aber nicht alle gleich gravierend. Wie schnell sich die Zeiten gerade ändern, zeigte sich wohl nirgends so drastisch wie bei der amerikanischen Großbank J. P. Morgan. Noch vor dem Jahreswechsel hatte sich Bankchef Jamie Dimon auf gute Geschäfte eingestellt. "Viele Banker tanzen gerade in den Straßen", sagte Dimon nur wenige Tage nach der Wahl Donald Trumps. Die US-Wirtschaft brummte, bei üppigen Zinsen war mit Krediten gut zu verdienen. Und Trump? Wollte die lästige Bürokratie entschlacken, das würde die Wirtschaft weiter ankurbeln. Banken fürchten die Rezession gleich dreifach In der vergangenen Woche wurde die Bank dann selbst zum Warnsignal: Als erste Großbank des Landes prognostizierte sie, dass die US-Wirtschaft dieses Jahr in eine Rezession rutschen dürfte. Sollte die US-Ökonomie in diesem Jahr tatsächlich, wie nun vorhergesagt, um 0,3 Prozent schrumpfen, träfe das die eigene Bank gleich dreifach: In Rezessionen fragen Unternehmen oft weniger Kredite nach. Dazu geraten mehr Schuldner beim Abstottern der Kredite in Verzug. Und selbst im lukrativen Investmentbanking könnte es erst einmal ruhiger werden: Der Zahlungsdienstleister Klarna hat seinen Börsengang angesichts der Turbulenzen abgeblasen. Millionenschwere Beratungsgebühren für die Investmentbanken stehen nun auf der Kippe. Aktien von US-Großbanken wie J. P. Morgan, Citigroup oder Goldman Sachs sanken seit der Zollankündigung unisono um mehr als 15 Prozent. Auch in Europa sackten Banktitel wie die der Deutschen Bank oder der italienischen UniCredit deutlich ab. Sollte aus der US-Zollpolitik eine globale Rezession erwachsen, wären sie genauso betroffen. Und in Europa dürfte die Europäische Zentralbank obendrein schneller die Zinsen senken, was das Kreditgeschäft auf dem Kontinent noch weniger lukrativ macht als in den Vereinigten Staaten. Die zynische Hoffnung vieler Banken ist nun, dass sie aus dem Crash immerhin selbst Profit ziehen können: Handelt die eigene Kundschaft in Krisen viel mit Aktien, stärkt das üblicherweise das eigene Handelsgeschäft. Warum Techaktien besonders leiden Während Bankaktien zwar als Spiegel der Realwirtschaft gelten, waren Techaktien der wichtigste Treiber der US-Börsen – und die Lieblinge der Anleger. Nur sieben Techtitel, darunter Apple, Amazon oder die Chipfirma Nvidia, waren in den vergangenen drei Jahren für mehr als 50 Prozent der Kursbewegungen im US-Leitindex S&P 500 verantwortlich, der eigentlich aus mehr als 500 Firmen besteht. Magnificent Seven, hatten Börsenleute die Titel lange genannt, die glorreichen Sieben. Nun sind sie plötzlich die Lagnificent Seven geworden, die hinkenden Sieben. Die Aktie des Techriesen Apple drückte es seit der Zollankündigung um rund 16 Prozent nach unten, Titel der Chipfirma Nvidia um fast 15 Prozent. Ein Index aller sieben Techriesen sank seit Ende März zusammengenommen um rund zehn Prozent. Zwar sind Computerchips von Trumps Zöllen erst einmal ausgenommen, trotzdem treffen die Ankündigungen die Konzerne deutlich: Hatte Trump in seiner ersten Amtszeit noch eine Zollausnahme für iPhones gemacht, sollen nun auch die Telefone betroffen sein. Laut der US-Investmentbank Jefferies kommen 85 Prozent von Apples iPhones aus China, die übrigen 15 Prozent aus Indien. Wer auf Trumps Zolltafel nachsieht, merkt schnell: Auf Waren aus China will er insgesamt 54 Prozent Strafzoll draufschlagen, auf Produkte aus Indien immerhin 26 Prozent. © ZEIT ONLINE Newsletter ZEIT Geldkurs Tschüss, Finanzchaos: In acht Wochen erklären wir Schritt für Schritt, wie Sie bessere Geldroutinen aufbauen und das mit den ETFs endlich angehen. Anschließend erhalten Sie unseren Geld-Newsletter mit den besten Artikeln rund um Finanzen. Registrieren Mit Ihrer Registrierung nehmen Sie die Datenschutzerklärung zur Kenntnis. Vielen Dank! Wir haben Ihnen eine E-Mail geschickt. Prüfen Sie Ihr Postfach und bestätigen Sie das Newsletter-Abonnement. Diese E-Mail-Adresse ist bereits registriert. Bitte geben Sie auf der folgenden Seite Ihr Passwort ein. Falls Sie nicht weitergeleitet werden, klicken Sie bitte hier . Selbst einstige Techapologeten überschlagen sich daher mit düsteren Visionen. Die Zollpolitik könne "Apple in die Luft jagen", sagte Analyst Joe Crockett vom Wertpapierhandelshaus Rosenblatt Securities. Trumps Ideen dürften für "ein ökonomisches Armageddon" sorgen, meinte Dan Ives, Techexperte beim Vermögensverwalter Wedbush Securities. Immerhin eine gute Nachricht gab es Wer solche Aufgeregtheit meiden will, investiert normalerweise in Konsumtitel. Shampoos, Kekse und Toilettenpapier, so was eben. "Die Leute werden ja trotzdem essen, trinken und wahrscheinlich auch rauchen", meint Morningstar-Analyst Kristoffer Inton. Diesmal, meint Inton, komme es aber darauf an. Ein Index mit US-Konsumtiteln der Ratingagentur hielt sich am Donnerstag und Freitag zwar besser als alle anderen Branchen, gab aber dennoch um vier Prozent nach. Gerade Bananen, Kaffee oder Tee waren zuvor nach Analysen von Handelsexperten meist zollfrei ins Land gekommen, nun wird auch hier mindestens der Basiszoll von zehn Prozent fällig. Betonung auf: mindestens. Experten hatten schnell herausgefunden, dass viel Tee zum Beispiel aus China kommt und dann insgesamt 54 Prozent Strafzoll fällig wären. Kurz vor Börsenschluss am Freitag kam er dann doch noch: der Lichtblick, die kleine Aufmunterung. Titel der Turnschuhmarke Nike drehten plötzlich ins Plus, stiegen um mehr als vier Prozent. Doch die vermeintlich gute Nachricht war streng genommen keine: Nike stellt 44 Prozent seiner Schuhe in Vietnam her, das sich vor Strafzöllen in Höhe von 46 Prozent fürchtet. Präsident Trump sagte noch am Freitagabend überraschend, er könne diese Zölle auf null reduzieren. Zumindest, wenn das Land einen Deal mache. Die Anleger, scheint es, sind dieser Tage schon mit einem Wenn zufrieden.