Die Google Cloud Next ist größer als die Google I/O. Während zum Alphabet-Entwicklertreffen, bei dem regelmäßig neue Endkundenprodukte wie die Pixel-Smartphones präsentiert werden, im Schnitt 5000 Menschen nach Kalifornien auflaufen, sind es beim 3-Tages-Event der Cloud-Tochter sechsmal so viele: im Schnitt knapp 30.000 Menschen. Entsprechend fühlt sich der Weg zur Keynote-Präsentation im Mandalay Bay Resort am südlichen Ende des Las Vegas Strip an, als sei man in Tokios Shinjuku Station zur Rushhour unterwegs. Dutzende Google-Cloud-Mitarbeiter weisen den Weg durch die langen Flure zum Veranstaltungsaal. Dieses Mal war die Logistik so clever organisiert, dass eine Priority-Lane nur für die Presse eingerichtet wurde, sodass wir die notwendigen Sicherheitskontrollen relativ flott hinter uns lassen und auf unsere Plätze gelangen. Anzeige Google Cloud Next 2025: Großer Treck zum Keynote-Saal. (Bild: Ben Schwan) Wie wichtig die Google Cloud Next für Alphabet ist, zeigt schon, dass neben Google-Cloud-CEO Thomas Kurian auch gleich Alphabet-Boss Sundar Pichai auf der Bühne steht, daneben zahlreiche weitere Google-Mitarbeiter und Kunden. Natürlich ist und bleibt KI das Hauptthema, auch wenn man in diesem Jahr das Gefühl hat, dass ein gewisser Realismus Einzug gehalten hat. Suchte man zuvor noch nach praktischen Anwendungen, ist der Hype zwar noch da, doch man merkt, dass die Firmen ein Return on Investment erwarten, sei es durch Beschleunigung bei der Entwicklung, der KI-fizierung des Marketings oder der Vereinfachung des Kundensupports. KI-Nerds hören The Killers Dass Cloud- und SaaS-Events zu Riesenshows werden, ist ja grundsätzlich nichts Neues. Auch Amazon Web Services legt mit der re:Invent mächtig vor, sie läuft sogar fünf Tage und belagert im Dezember das gigantische Venetian Hotel am anderen Ende des Strip mit seinen Indoor-Bootskanälen. Und die Salesforce-Konferenz Dreamforce in San Francisco ist legendär, was das Auffahren von Topkünstlern für das Rahmenprogramm betrifft – U2, Foo Fighters, zuletzt gar Elton John. Google brachte seinen KI-Nerds dieses Jahr immerhin The Killers und den Rapper Wyclef Jean als Party-DJ; mietete dazu erneut das Football-Stadium der Las Vegas Raiders. Konzert auf der Google Cloud Next 2025: Stargäste bald auf dem Niveau der Dreamforce. (Bild: Ben Schwan) Die Stimmung war 2025 dennoch etwas schräg. Das Hin und Her um die Zölle der US-Regierung (und die Achterbahnfahrt an der Börse) waren in aller Munde. Man hatte das Gefühl, dass sich so mancher Google-Cloud-Mitarbeiter auf der Bühne der Pressekonferenzen dafür indirekt entschuldigen wollte. Es wurde betont, dass man Standorte und Rechenzentren in aller Welt betreibt, ein zentrales Element der Internet-Infrastruktur des Planeten sei. Auch Las Vegas selbst gab sich gefühlt noch ein wenig gastfreundlicher als sonst: vom netten Zöllner bei der Einreise über die fürsorgliche Bedienung bei Starbucks bis hin zum Uber-Fahrer, der sich gespannt danach erkundigte, wie man die US-Entwicklungen denn von Europa aus sehe. TPUs und Special Effects Anzeige Das Interessante an der Cloud Next ist vor allem, dass man es als Berichterstatter direkt mit Machern zu tun bekommt. Ich kann etwa mit dem Chef von BigQuery reden oder mit einer Hauptverantwortlichen von Workspace. Selbst die Interviews mit Google-Cloud-Kunden sind nicht langweilig und von Lobliedern auf Googles KI-Portfolio geprägt, sondern bieten Erkenntnisgewinne, wie KI heute in Konzernen tatsächlich zur Anwendung gebracht wird. Und neue Hard- und Software gab es natürlich auch: Googles neue Ironwood-TPU, die 3600 Mal schneller sein soll (in Exaflops) als die erste TPU-Generation von 2018, der Cluster Director für das Management ganzer Gruppen von Beschleunigern, die verstärkte Zusammenarbeit mit Nvidia oder die neuen Vertex-AI-Dashboards. Showfloor der Google Cloud Next 2025: Die Cloud ist dank KI wieder sexy. (Bild: Google Cloud) Google Cloud lässt seine Kundschaft ins eigene Cloud Wide Area Network, macht Workspace smarter und will Agenten über ein eigenes ADK sowie ein Austauschprotokoll namens A2A miteinander vernetzen. Alles davon dient dazu, der Kundschaft zu zeigen, dass Firmen bereits "real business value" von Googles KI-Produkten erhalten. Dabei arbeitet man mal mehr und mal weniger intensiv mit der Kundschaft zusammen. Für das "Wizard of Oz"-Projekt im (über) 180-Grad-Kino Las Vegas Sphere, für das es eine eigene Präsentationsveranstaltung gab, brachte Google seine Cloud-Teams und die DeepMind-Entwickler mit Special-Effects-Experten zusammen, um Dorothy, die Vogelscheuche, den Zinnmann und den Löwen in zuvor nicht vorhandene Auflösungswelten zu holen. Google Cloud ist groß – aber kleiner als die Konkurrenz Die Google Cloud Next ist aber mehr als eine reine Hausmesse. Sie bringt eine eigene Ausstellungshalle mit Hunderten Google-Partnern mit, die selbst an eigenen Cloud- und KI-Lösungen schrauben. Google Cloud versucht dabei, möglichst neutral zu sein, auch wenn letztlich alles auf der Infrastruktur des Konzerns zu laufen hat. Das Angebot an Modellen, das auf Vertex AI läuft, wächst – alles, was als portierbares quelloffenes KI-System bereitsteht, soll auch auf der Google Cloud Platform (GCP) zur Verfügung stehen. So ist Metas Llama 4 nun generell verfügbar, Flux, Mistral oder Qwen2 natürlich auch. Google wäre vermutlich auch gerne bereit, OpenAI-Modelle auf GCP zu hosten, wären die denn verfügbar. Kaffeeschild auf der Google Cloud Next 2025: Starbucks-Schlange, gefühlt eine Meile lang. (Bild: Ben Schwan) Ein politisches Thema blieb in diesem Jahr einmal mehr, dass Microsoft sich mehr und mehr Marktanteile im Cloud-Bereich sichern will, indem man Gesamtpakete verkauft und Microsoft-365-Systeme nur auf Azure hosten lassen will. Das Thema beschäftigt Google seit Jahren, man hat mittlerweile auch Kartellbeschwerden eingelegt. "Microsofts Lizenzbedingungen hindern europäische Kunden daran, ihre aktuellen Microsoft-Workloads in die Clouds von Wettbewerbern zu verlagern – obwohl es dafür keine technischen Hürden gibt." Alternativ erzwinge Microsoft einen Preisaufschlag von sage und schreibe 400 Prozent, wie das Unternehmen selbst einräume. Es ist interessant zu sehen, wie der Internet-Riese Alphabet hier tatsächlich zum Underdog wird, der hinter Amazon Web Services und Azure sogar nur die dritte Geige spielt. Microsoft versucht derweil frohgemut und ganz direkt, sowohl AWS als auch GCP Cloud-Workloads abzuluchsen, wenn man nicht Exchange-On-Premise-Installationen von Unternehmenskunden ins eigene Azure-Cloud-Programm drängt, weil man nur die so richtig gut supporten könne. Da kommt einem Googles kontinuierlich verbessertes Workspace schon vor wie das Produkt eines agilen Start-ups. Na ja, jedenfalls fast. Der Trend zur Europäisierung trifft auch Google Cloud Was Google Cloud jedoch schwerlich tun kann, ist das Image einer amerikanischen Firma abzuwerfen. Die Alphabet-Tochter kann nur stets betonen, wie verbunden und vernetzt man in der globalen Welt ist, mit zahllosen Standorten und Points-of-Presence, lokalen Rechenzentren und härtester Verschlüsselung, die auch ein Geheimdienst nicht knacken können soll (und Google Cloud weiß ja auch nicht, was die Kunden ablegen). Auch wurde betont, dass man sich stets an lokale Regulierungen hält, die durchaus andere sein können, als in den USA. Dennoch sprechen jetzt alle von digitaler Unabhängigkeit von den Vereinigten Staaten. Es wird eine neue Souveränität gefordert, so schwer dies mangels Alternativen auch ist. Der hiesige Anbieter OVHcloud hat den US-Präsidenten neulich zum "Mitarbeiter des Monats" erklärt, weil er zur Nutzung europäischer Cloudprovider führe. Signifikante Anfragen "aus den DAX-Bereichen und dem öffentlichen Sektor" gab es nicht nur im März. Die Frage ist natürlich, ob dies praktisch zu leisten ist oder Firmen wie Google Cloud damit beginnen, einfach noch mehr zu internationalisieren, sich gegebenenfalls geschäftlich so aufzustellen, dass die US-Regierung keine Durchgriffsmöglichkeiten mehr hat. "Wir ermöglichen Sovereign Clouds mit Partnern, um internationale Vorschriften einzuhalten", so Google-Cloud-Chef Kurian während seiner Keynote. Und Pichai meinte, die KI-Chance sei "so groß, wie man sich nur denken kann". Google Cloud hat inzwischen 42 eigene Regionen, in Europa ist nun auch Schweden darunter, in Amerika Mexiko, in Afrika Südafrika. Zuletzt soll die Verwendung von Vertex AI um das Zwanzigfache angezogen sein. Das hat auch mit Multimedia zu tun: Google zeigte neue Video- und Musikgeneratoren wie Veo 2 und Lyria. Der Autor reiste auf Einladung von Google Cloud zur Google Cloud Next 2025. (bsc)