Am Anfang eine Anekdote, Marke: Lang ist es her. Ein Freund unseres Vaters war ein vielversprechender Reporter der Süddeutschen Zeitung, und er hatte einen Roman geschrieben, seinen ersten. Er hatte das Buch Verlagen angeboten, und tatsächlich, er bekam einen Termin bei dem Verleger Helmut Kindler, damals einer der Großen seiner Zunft. Unser Freund erzählte diese Begegnung folgendermaßen: Kindler saß an seinem Schreibtisch, vor ihm lag das Romanmanuskript. Zunächst lobte ihn Kindler für seine Texte in der SZ, pries sein erzählerisches Talent. Doch dann passierte etwas Schreckliches: Er nahm das Manuskript und warf es in den Papierkorb. Unser Freund, einigermaßen erschüttert, fragte: Was gefällt Ihnen nicht an dem Roman? Das wisse er nicht, antwortete Kindler, er habe ihn nicht gelesen. Er lese grundsätzlich keine ersten Romane, die taugten nie etwas. Dann sagte er noch, er freue sich auf den zweiten, den werde er lesen. Wir mussten an diese Anekdote denken, nach der Lektüre des Thrillers Das Institut – Im Schatten der Wissenschaft von Hendrik Streeck (Piper, 432 Seiten). Streeck ist von Beruf Virologe, zu Zeiten der Coronakrise ein bekanntes Gesicht, inzwischen sitzt er für die CDU auch im Deutschen Bundestag. Er ist also ein Mann mit den verschiedensten Fähigkeiten. Über seinen Thriller muss man nicht viele Worte verlieren. Im Gegensatz zu Herrn Kindler haben wir diesen ersten Roman gelesen, leider, möchte man hinzufügen. Er handelt natürlich von den Abgründen in der Virenforschung: Eine Wissenschaftlerin stirbt, und zwei Ermittler finden heraus, dass die Frau tödliche Viren in tödliche Waffen verwandeln wollte. Gefährliche Sache, man ahnt es. Das Buch ist hilflos und umständlich geschrieben, wenig spannend. Als hätte der Autor dies selbst gespürt, schreibt Streeck in seinem Nachwort, er wollte mit dem Buch "Wissenschaft erlebbar machen". Vielleicht nicht die ideale Zutat für einen Thriller. Ein Kriminalroman ist ein besonderes Spiel zwischen der Person, die ihn schreibt, und der Person, die ihn liest. Was wird dem Leser oder der Leserin gesagt und was nicht? Wann wird was verraten? Ein Spiel mit falschen Spuren, Ablenkungsmanövern und, ja, Bluffs. Erst auf den letzten Seiten werden alle Karten aufgedeckt. Als die Autoren-Brüder, die sich hier Max Landorff nennen, noch klein waren, gab es die amerikanische TV-Serie Department S. Sie zeichnete sich durch sehr spannende Anfänge aus (ein Flugzeug landet, die Passagiere steigen aus, müssen aber feststellen, dass sie ein ganzes Jahr zu spät dran sind, solche Sachen halt). Die Auflösung war jedes Mal eine so große Enttäuschung, dass unser Vater, der selbst Krimis schrieb, nach drei Folgen entschied: Das schauen wir nicht mehr an. Dass es Krimis gibt, die ohne Enttäuschung enden, die auch das besondere Spiel zwischen falschen und richtigen Spuren beherrschen, zeigt das soeben erschienene Buch Dunkle Momente von Elisa Hoven (S. Fischer, 336 Seiten). Hoven ist Strafrechtsprofessorin im wirklichen Leben. Ihre Hauptfigur ist die Strafverteidigerin Eva Herbergen. Meisterlich werden verschiedene Fälle, jeder mit einem Überraschungskick versehen, in das Seelenleben der Anwältin verwoben. Dieser Romanerstling (!) entwickelt einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Hendrik Streeck: Das Institut – Im Schatten der Wissenschaft. Piper, München 2025; 432 S., 18,– €, als E-Book 14,99 € Elisa Hoven: Dunkle Momente. S. Fischer, Frankfurt a.M., 2025; 336 S., 22,– €, als E-Book 18,99 €