Anas Modamani ging in die Geschichtsbücher ein, als der Syrer ein Selfie mit der Kanzlerin schoss, 10 Jahre später trifft er sie wieder

Dieses Foto wurde zum Symbol für deutsche Willkommenspolitik, fast eine Million Syrer kamen nach Deutschland. Merkels "Wir schaffen das" sorgte jedoch auch für viel Kritik. Anas Modamani hat geschafft, was die meisten anderen deutschen Bundesbürger nicht schaffen: Sein Foto ist in Angela Merkels Buch verewigt - für immer in der Geschichte, wie er selbst einmal erfreut festgestellt hat. Denn sein Selfie mit der Kanzlerin im Jahr 2015 ging um die Welt. Nach neun Jahren hatte Modamani einen deutschen Pass und sorgt sich um seine syrischen Freunde, die noch keinen haben. Grundsätzlich will er nicht zurück nach Syrien - auch wenn das Regime Baschar al-Assads nun gestürzt ist. Modamani ist Berliner, hier findet sein Leben statt, beruflich und privat. Der 28-Jährige arbeitet als Video-Journalist beim Sender "Deutsche Welle" und erzählt ntv.de, was ihn hier hält - und was ihn nach Syrien zieht. ntv.de: Im April vor 10 Jahren hat sich dein Leben grundlegend geändert – ein Selfie mit der Kanzlerin, von der du gar nicht wusstest, dass es die Kanzlerin ist, war der Auslöser … Anas Modamani: Stimmt (lacht). Ich habe es erst eine Minute später realisiert. Natürlich wusste ich, wer die Bundeskanzlerin von Deutschland ist, aber in dem Moment habe ich sie nicht sofort erkannt. Ich war so neu, ich war aufgeregt. Bist du jetzt aufgeregt, dass du sie wiedersiehst? Ich bin gar nicht aufgeregt (lacht). Ich betrachte das als freundschaftliches Treffen und will eigentlich gar kein großes Ding draus machen. Ich möchte sie ganz einfach treffen, am liebsten mit meiner Freundin zusammen, denn ich treffe mit Angela Merkel meine Heldin wieder. Sie hat sehr viele Leben gerettet. Sie ist für mich die stärkste Frau der Welt. Wir werden einen Kaffee trinken und ohne Presse sein, so ist das jedenfalls geplant. Was möchtest du sie am dringendsten fragen? Ob sie bitte zurück in die Politik kommt, ich vermisse sie sehr. Und ich glaube, das geht nicht nur mir so. Mit ihr hatte sich vieles zum Besseren verändert, und ich habe das Gefühl, jetzt ist sehr vieles rückläufig. Ansonsten will ich eigentlich nur von ihr wissen, wie es ihr aktuell geht und was sie gerade macht. Ich möchte ihr auch im Namen vieler Syrer danken, dafür habe ich in letzter Zeit viele Interviews geführt und mit Landsleuten gesprochen. Du bist seit 10 Jahren in Deutschland – was hat sich für dich am meisten verändert? Es ist schwieriger geworden. Es ist ganz deutlich zu sehen, dass die Asylsuchenden damals, also 2025, mehr Chancen bekommen haben als jetzt. Es gab viele freiwillige Helfer, das ist heute nicht mehr so. Für mich hat sich viel verändert, weil ich schon so lange hier bin und weil der Krieg in Syrien vorbei ist. Das ändert die komplette Situation, das ist klar. Ich war vor Kurzem in Syrien, dort ist meine Familie, und zumindest in Damaskus habe ich auch ein gewisses Sicherheitsgefühl verspürt. Sobald du die Stadt aber verlässt, verlässt dich auch dieses Sicherheitsgefühl. Du wirst, auf deinem Instagram-Account zum Beispiel, noch immer angefeindet. "Geh doch nach Hause" ist da eine der harmloseren Aussagen. Was macht das mit dir? Ich versuche, das zu übersehen. Es gibt sehr viele Leute, die mich persönlich hassen, obwohl sie mich gar nicht kennen oder die Syrer im Allgemeinen hassen, obwohl sie keinen einzigen Syrer kennen. Ich muss das ignorieren, denn sonst gäbe es kein Ende. Es gibt sehr viel Hass, hauptsächlich im Netz. Ja, ich soll zurück in meine Heimat gehen, ich lebe jetzt aber hier. Die Anfeindungen sind in den vergangenen Jahren wieder mehr geworden, nachdem es sich nach der ganz heißen Phase beruhigt hatte. Du lebst mit einer Ukrainerin zusammen, ihr seid eigentlich das absolute Vorzeige-Integrierten-Paar, habt ihr Fuß gefasst? Auf jeden Fall, wir sind beide erfolgreich in Deutschland, haben fertig studiert, immer gearbeitet. Auch Anna hat inzwischen einen deutschen Pass, sie arbeitet hier als Ingenieurin im Maschinenbau, und ich habe auch sehr hart gearbeitet, um da zu sein, wo ich jetzt bin. Ich sehe uns tatsächlich als Vorbild für andere. Während meines Studiums der Wirtschaftswissenschaften habe ich zweimal in der Woche gejobbt, das war viel, aber es hat sich gelohnt. Eure Sprache ist deutsch? Ja (lacht), natürlich. Du gerätst oft ins Visier von Rechtsextremen, dir werden Dinge unterstellt, man fragt, warum du in deinen Videos so wenig Deutsch sprichst. Zwischendurch bringe ich auch immer wieder etwas auf Deutsch. Ich will natürlich möglichst viele Leute integrieren und auch erreichen. "Berlin lass uns reden" heißt dein Programm, das du auf Instagram und TikTok betreibst, mit Zehntausenden Followern. Mit wem sprichst du vor allem? Ich rede mit Leuten, die auch hier studiert oder einen Laden eröffnet haben. Ich will damit zeigen, dass andere Syrer es auch geschafft haben, ihre Stimme sein, beweisen, dass es in Deutschland viele Chancen gibt und man sie nutzen kann. Ich berichte über Leute, die Erfolg haben und erzähle Geschichten über die Menschen und ihren Alltag, weil den anderen Mut machen kann. Ich suche gezielt die raus, die etwas zu erzählen haben. Ich will Missstände aufdecken und Missverständnisse vermeiden, zum Beispiel, wenn die Unterstützung von Deutschland in die falsche Richtung läuft. Du hast also auch Kritik an Deutschland, an Europa. Denkst du, man hat sich hier an den Krieg gewöhnt? Dass wir die betroffenen Länder nicht unterstützen wird von vielen sicher oft anders gesehen. Deutschland hat so viele Menschen aufgenommen, das ist großartig. Ich meine im Fall von Syrien, dass Deutschland dort nicht vor Ort geholfen hat, jedenfalls nicht viel. Aber offen gesagt möchte ich gar nicht so viel über die Vergangenheit reden, denn jetzt weiß ich, dass Deutschland Syrien beim Aufbau mit mehreren Milliarden Euro unterstützen wird. Darüber bin ich sehr froh. Mir ist wichtig zu betonen: Deutschland hat seine Tore geöffnet, dafür werde ich immer dankbar sein, andere Länder haben das nicht getan, das sehe ich ganz deutlich. Was damals passiert ist, wie wir aufgenommen wurden, das ist nach wie vor großartig. Und ja, es ist ganz eindeutig so, dass Syrien noch immer Hilfe braucht. Aber die Ukraine braucht mehr Hilfe, das Land ist näher an Deutschland, mitten in Europa. Was wünschst du dir von der neuen Regierung? Ich wünsche mir mehr Sicherheit für Deutschland. Ich wünsche mir, dass der russische Angriffskrieg auf die Ukraine gestoppt wird, und hoffe, dass Syrien wirklich von Deutschland beim Aufbau unterstützt wird, ich wünsche mir, dass die Bürger in Deutschland breiter unterstützt werden, dass mehr Wohnungen gebaut werden. Ich würde es begrüßen, wenn Deutschland moderner wird (lacht). Inwiefern? Weniger Bürokratie, mehr Digitalisierung wären ein guter Anfang. Ich habe viele Wünsche. Aber die haben viele andere Bürger sicherlich auch. Mit Anas Modamani sprach Sabine Oelmann