„Absolutes No Go“: Was viele Eltern ihren Kindern beim Spielen unbewusst beibringen Von: Jana Stäbener Drucken Teilen Eine Psychologin sagt, warum sie ihre Kinder nicht kitzelt. Ein Experte im Kitzeln erklärt, was Kitzeln von Eltern mit Kindern macht. „Ich kitzel meine Kinder nicht“, sagt die Psychologin und Autorin Martha Deiros Collado aus London in einem Instagram-Video. Das liege daran, dass sie damals von ihrem Großvater und ihren Onkeln gekitzelt wurde und es immer „schmerzhaft“ fand. Doch es spreche auch psychologisch vieles dafür, Kinder nicht oder zumindest nur mit gewissen Regeln zu kitzeln, sagt sie. Für viele Erwachsenen sei es „selbstverständlich“, Kinder zu kitzeln. Viele finden es „süß“, ein kicherndes Kind löse bei Erwachsenen ein „warmes, wohliges Gefühl“ aus. „Doch Kitzeln ist sehr komplex“, sagt die zweifache Mutter und Erziehungsexpertin. Nicht immer weise reflexartiges Lachen beim Gekitzelt-Werden auf Freude hin. Manchmal verberge Lachen beim Kitzeln auch „Unbehagen und Schmerzen“. Wenn Eltern in diesen Momenten weitermachen, lernt ein Kind im Zweifel, dass es keine Macht über seinen Körper hat und sich wehrlos fügen muss. Ein Gedanke, der später einmal sogar gefährlich werden kann. Wann kann ich mein Kind ohne Bedenken kitzeln? © IMAGO/Westend61 Kitzeln bei Kindern „löst Unlust und Lust gleichermaßen aus“ „Kitzeln ist tückisch“, sagt Deiros Collado. „Wenn du eine erwachsene Person bist, die gerne kitzelt, dann denke daran: Babys oder Kinder zu kitzeln, die nicht ‚Stop‘ sagen können, ist ein No-Go.“ Christian Metz ist sich da nicht so sicher. Der Literaturwissenschaftler hat 2020 das Buch „Kitzel: Genealogie einer menschlichen Empfindung“ geschrieben. Die Behauptung, dass man Kleinkinder nicht kitzeln soll, sei erst durch einige neue Studien aufgekommen und nicht so eindeutig wie gedacht. „Es gibt auch die These, dass Kitzeln elementar wichtig für Babys ist, weil sie durch diese Berührung in einem vertrauten Rahmen überhaupt erst die eigenen Körpergrenzen erfahren, und so eine Form zwischen liebevoller Distanz und intimer Nähe eingeübt wird“, sagt er BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. „Kitzlig zu sein, ist die früheste ambivalente Empfindung, die ein Kind entwickelt. Kitzeln löst Unlust und Lust gleichermaßen aus“, sagt Metz. Schaue man sich die Geschichte des Kitzelns an, so könne es als eine „frühe Einübung des Spiels“ verstanden werden. Es sei ein „Scheinangriff“ von dem das „Kind in einer vertrauensvollen Beziehung wisse, dass es nur ein so Tun als ob“ sei. Diese Spielform mit Elementen wie Spannung, Plötzlichkeit und Überraschung gefalle, das lege die Theorie des Kitzelns nahe, sowohl Kindern als auch Erwachsenen. „Kitzeln kann missbraucht werden“: Psychologin hat Tipp für Eltern Aber ja: „Kitzeln kann missbraucht werden“, sagt Metz BuzzFeed News Deutschland. Deswegen sei Verantwortung von Eltern und anderen kitzelnden Erwachsenen so wichtig. „Das Kitzelspiel beinhaltet eine klare Machtstruktur. Sowohl das Changieren zwischen Lust und Unlust als auch die Macht des Kitzelnden über die Gekitzelten bedarf eines ausgeprägten Verantwortungsbewusstseins.“ „Zumal im Kitzelspiel – und nur dort – ein vom Gekitzelten ausgesprochenes Nein, nicht unbedingt bedeutet, sofort mit dem Kitzeln aufzuhören“, sagt er. Gerade deshalb brauche es „besondere Behutsamkeit und Sorgfalt“ von den Erwachsenen, wann das Kitzeln zu enden habe. Die Psychologin Deiros Collado hat folgenden Tipp für Eltern: „Halte das Kitzeln lieber kurz und knackig und frage das Kind immer wieder, ob du weitermachen oder aufhören sollst. Und frage dich immer wieder: Für wen ist das Lachen und Kichern? Wenn es für dich ist, weil es dich glücklich macht, wenn ein Kind lacht, ist das zwar liebenswert – aber nur, wenn das Kind dabei nicht die Kontrolle über seinen Körper verliert.“